Beim neuste Buch von Stephen King handelt es sich um kein Epos, wie seine letzten Werke Holly oder Fairy Tale. Es ist aber mit über 700 Seiten (die etwas kleingedrucktere Originalausgabe von You Like It Darker umfasst “nur“ 500 Seiten) dennoch ein ganz schöner Wälzer. Enthalten sind zwölf Geschichten von unterschiedlichem Umfang, wobei ganz besonders die drei etwas längeren Beiträge überzeugen. Diese sollen hier vorgestellt werden.
Eins der Highlights ist zugleich der Auftakt des Buchs. In Zwei begnadete Burschen geht King der Frage nach, warum es ausgerechnet zwei befreundete Kleinstadtbewohner schafften großen Erfolg als Schriftsteller bzw. Maler zu haben. Die Story hat zwar auch einen Science-Fiction-Aufhänger, erzählt aber im Grunde davon, dass es für kulturelle Spitzenleistungen dringend erforderlich ist, auch Talent zu haben.
Beim chronologischen Lesen des Buchs verwundert es ein wenig, dass nach der dreißigseitigen Story Laurie, in der es um einen gefährlichen Alligator geht, ein deutlich umfangreicherer Kurzroman folgt, der auch in Florida angesiedelt ist und ebenfalls Tierhorror verbreitet. Doch Klapperschlangen ist sehr viel mehr, denn King kehrt hier zu seinem 1981 erschienenen Roman Cujo zurück.
Die Hauptfigur ist Vic Trenton, der auch nach vierzig Jahren immer noch darunter leidet, dass sein Sohn Tad durch einen tollwütigen Bernhardiner gestorben ist. Klapperschlangen punktet bei King-Insidern dadurch, dass hier zu erfahren ist, was nach den Ereignissen in Cujo geschehen ist. Die Geschichte dürfte aber auch die restlichen Leserinen und Leser durch atmosphärische Dichte und originelle Charaktere erfreuen.
Mein persönlicher Favorit ist Danny Cughlins böser Traum, die längste Geschichte des Buchs. Hier geht es um den ohnehin vom Leben gebeutelten Danny, den intensive Träume dazu bringen. einen abgelegenen Ort aufzusuchen, an dem sich eine Leiche befindet. Ein psychisch labiler Polizist hält Danny für den Mörder und setzt ihn mächtig unter Druck. Die Plausibilität, mit der King seine Krimihandlung konstruiert hat und vorantreibt, lässt auch die mystischen Aspekte, sowie das durchaus große Finale glaubhaft erscheinen.
Doch auch die restlichen Geschichten sind mehr als lesenswert. Meist sind es weniger die Schlusspointen, die überzeugen, sondern in einem stärkeren Maße fasziniert Kings Fähigkeit mit kräftigen erzählerischen Pinselstrichen sympathische Hauptfiguren zu erschaffen, deren Schicksale die Leserschaft nicht kalt lassen.
Nachdem Martin Sonneborn bereits sein zweites Buch über das Europäische Parlament verfasst hat, folgt jetzt mit Brüssel sehen und sterben eine vielleicht noch stärker desillusionierende Betrachtung zum selben Thema. Der Autor ist Nico Semsrott, der 2019 mit Sonneborn für die Partei DIE PARTEI ins Europaparlament gewählt wurde.
Semsrott wurde bekannt durch seine Auftritte auf als “Demotivationstrainer“ bei Poetry Slams und in der Heute Show des ZDFs. Er trug immer einen dunklen Hoodie mit Kapuze und verbreitete alles andere als gute Laune. In seinem Buch beschreibt Semsrott die Depressionen, unter denen er seit frühster Jugend leidet und die er in seinen Kabarettprogrammen aufzuarbeiten.
Auf etwas über dreihundert Seiten erzählt Semsrott hauptsächlich davon, dass es ihm nicht gutgetan hat nach Brüssel zu gehen. Im Gegensatz zu Sonneborn, dessen europäische Bücher süffisant beschreiben, was in Brüssel und Straßburg falschläuft, droht Semsrott sich beim Beschreiben von frustrierenden Kleinigkeiten und nur mäßig originellen Aktionen zu verzetteln.
Steffen Haas entwickelt sich immer mehr zum Renaissance-Menschen. Gemeinsam mit Gunter Hansen zeichnet er weiterhin die Serie Das Küken, die Maus und das Bier, regelmäßig tritt er live singend mit seinen Motionless Movies auf, er ist als Dozent tätig, zeichnete einen 13 Meter langen blutigen Märchencomic und organisierte eine Dackelparade samt übergroßen Hund und zugehöriger Ausstellung.
Aktuell überrascht Haas als Kurator einer noch bis zum 17.09.2024 im Valentin-Karlstadt-Musäum gezeigten Präsentation des Bildergeschichten-Klassikers Vater und Sohn. 1934 startete die Serie in der Berliner Illustrirte Zeitung (kein Schreibfehler). Der in Plauen aufgewachsene Erich Ohser signierte die Geschichten mit dem Pseudonym e.o.plauen, da er sich in der Weimarer Republik als Karikaturist gegen die Nazis positioniert hatte. Ohser stellte die Serie 1937 ein, weil er nicht wollte, dass seine Figuren noch stärker von Goebbels & Co für Propaganda-Zwecke genutzt werden.
Der von einem Nachbarn wegen antinationalsozialistischer Äußerungen denunzierte Ohser beging 1944 im Gefängnis Selbstmord, bevor er im Volksgerichtshof des Blutrichters Freisler zum Tode verurteilt werden konnte. Vater und Sohn lebten jedoch in der Nachkriegszeit weiter. Viele Lehrer ließen die Erlebnisse der zweiköpfigen Kleinfamilie von ihrern Schülernin Aufsatzform nacherzählen. 2015 setzten Ulf K. und Marc Lizano die Serie fort.
Doch zurück zu Steffen Haas. Für seine Ausstellung zu Vater und Sohn wählte er den originellen Titel Die vergessenen Rosinen. So benannte Ohser eine seiner besten Bildgeschichten, deren Inhalt Haas in allerbester Schulaufsatz-Tradition wie folgt nacherzählt hat: “In seinen Comics lässt Ohser seine beiden Antihelden eine eher provisorische Junggesellenernährung zelebrieren. Werden beim Backen die Rosinen vergessen, so schießt man sie kurzerhand mit dem Jagdgewehr in den Kuchen.“
Dieses Zitat stammt aus dem von Haas sehr anregend zusammengestellten Begleitbuch zur Ausstellung, das natürlich auch den Titel Die vergessenen Rosinen trägt. Hierin kommen die Rosinen unter den Bildergeschichten nicht in chronologischer Reihenfolge zum Abdruck, sondern wurden thematisch geordnet und mit Ohsers Biografie abgeglichen. Das Resultat kann voll überzeugen.
Es bleibt weiterhin erstaunlich. Bereits ein halbes Jahr nach seinem wuchtigen Band Staying West: Comics vom Wilden Westen präsentiert Alexander Braun ein ebenso großartig recherchiertes und opulent bebildertes Fachbuch. Anlass sind der 70. Geburtstag von Matt Groening, das 35-jährige Bestehen der Animationsserie Die Simpsons,sowie eine von Braun kuratierte Ausstellung, die noch bis zum 27. Oktober bei freiem Eintritt im Schauraum Comic & Cartoon in Dortmund zu sehen ist.
Hier vielleicht ein paar persönliche Worte zu den Simpsons: Es gab eine Zeit, da setzte ich alles dran, um im ZDF bloß keine Folge mit der gelben Familie zu versäumen. Wegen der originellen Figuren von Homer oder Bart bestellte Kid Meals bei Burger King, sammelte die Comics und kaufte DVD-Editionen. Mittlerweile gibt es die Serie immer noch, ich habe jedoch irgendwann das Interesse daran verloren , keine Ahnung warum. Vielleicht ist es mit jeder Delikatesse so, dass diese bei regelmäßigen Konsum irgendwann nicht mehr so vortrefflich mundet wie am Anfang.
Auch durch intelligente Bücher wie Subversion zur Prime-Time: Die Simpsons und die Mythen der Gesellschaft konnte ich nicht als Simpsons-Fan revitalisiert werden. Doch dank Alexander Braun wurde mein Leben wieder etwas gelber. Vor dem Verfassen der Rezension habe erst einmal sicherheitshalber die DVD-Box mit der dritten Simpsons-Staffel, da dort die bei Disney+ fehlende Michael-Jackson-Episode Die Geburtstagsüberraschung enthalten ist, die zugleich auch noch Einer flog über das Kuckucksnest parodiert.
Ebenfalls bestellt habe ich das Comicheft Bart Simpsons Horror Show, da dort eine Treehouse-of-Horror-Parodie auf Swamp Thing enthalten ist, die von Len Wein und Bernie Wrightson, den Schöpfern des DC-Sumpfdings stammt. Außerdem amüsierte ich über diverse Vorspann-Sequenzen, für die Künstlern wie Bill Plympton, Guillermo del Toro, der Disney-Animator Eric Goldberg oder Banksy sehr individuell gestalteten Couch-Gags gestaltet haben.
Doch zurück zum Buch. Dieses besticht dadurch, dass Braun sich nicht darauf beschränkt Theorien über die Bedeutung der Serie und der “gelben Philosophen“ aufzustellen. Wichtiger ist es ihm, in Wort und Bild darzustellen, wie die Simpsons entstanden sind und warum sie auch nach mehr als 750 Episoden heute immer noch ein großer Erfolg sind. Das zentrale Thema der Serie ist “Familie“ und Hauptinspiration für Matt Groening war zweifelsohne sein Vater, der passenderweise auch Homer hieß.
Braun zeigt in seinem Buch viele Beispiele für die Kreativität des als Cartoonisten, Werbegrafiker und Filmemacher in Portland tätigen Homer Groening. Ein wichtiges Thema ist aber auch Matt Groenings 1977 gestarteter Comicstrip Life in Hell, dessen Hauptfigur der vom vom Leben überforderte Hase Binky ist. Die in einem lockeren Stil hingehauene Serie fand immer mehr Fans. Darunter befand sich auch der Filmemacher James L. Brooks (Zeit der Zärtlichkeit), dem es gelang die Produzente des neuen TV-Sender FOX davon zu überzeugen, kurze Animations-Sequenzen mit Szenen aus Live in Hell in der Tracey Ullman Show zu platzieren.
Während Groening seinerzeit im Vorzimmer des Büros von Brooks darauf wartete, seine Ideen den FOX –Managern vorzutragen, kamen ihm Zweifel, denn er wollte die Rechte an Life in Hell behalten. In wenigen Minuten entwarf er stattdessen eine Parodie auf perfekte TV-Familien. Aus Zeitmangel benannte er die Familienmitgliedern nach seinen Eltern und Schwestern. Er kam damit durch, und nachdem die kurzen Clips mit der gelben Familie die Ullman-Show bereichert hatten, konnte Brooks für die ersten 13 Episoden einer Simpsons-Serie bei FOX sagenhafte 13 Millionen Dollar locker zu machen.
Braun beschreibt und zeigt detailliert wie die Kommunikation zwischen den Autoren in Los Angeles und den Animatoren in Taiwan abläuft, wie die Drehbücher immer mehr verfeinert werden und wie fertig animierte Sequenzen aus Fernost noch einmal neu gedreht werden müssen, sofern sie nicht funktionieren. Zum Abdruck kommt ein kompletter Style Guide, der das Erscheinungsbild der Figuren bis ins Detail festlegt.
Ein großes Thema sind auch die Simpsons-Comichefte, die sich in Deutschland zeitweise größerer Beliebtheit als in den USA erfreuten. Das Buch enthält ein ausführliches Interview mit Bill Morrison, der nicht nur für die Comics zuständig war, sondern auch “Matt Groenings wichtigster Mann für Simpsons-Illustrationen jenseits der TV-Serie“ ist. Passend dazu kommen Abbildungen von Merchandise-Artikeln wie Adidas-Turnschuhe, bemooste Terrakotta-Tonköpfe von Homer oder auch ohne Lizenz in Handarbeit produzierte Simpsons-Figuren aus Mexiko mit Stars-Wars-Thematik.
Doch das ist noch lange nicht alles. Wir erfahren außerdem noch Details über die Zusammenarbeiten mit Michael Jackson und Banksy, über ein in der Nähe von Las Vegas in Originalgröße errichtetes Simpsons-Haus, sowie über eine 2021 exklusiv für die Pariser Modenschau von Balenciaga produzierte zehnminütige Episode.
Verdammt lange ist es her! Bereits 2002 erschien die zweite Auflage dieses Buches, das laut Eigenwerbung die „medienkritische Analyse mit der Vergnüglichkeit eines Fanbuches verbinden“ soll. Damals wurden die ersten zwölf Staffeln der ungemein erfolgreichen Trickfilm-Serie Die Simpsons analysiert. Im Anhang zur 2014 erschienen dritten Auflage von Subversion zur Prime-Time werden 24 Simpsons-Staffeln mit 530 Episoden gelistet.
Auch die Neuuflage des Buchs enthält wieder Beiträge von zahlreichen Autoren, darunter die aktualisierten Versionen von bewährte Artikeln mit originellen Überschriften wie Method Acting im Kwik-E-Mart oder auch Little Shop of Homers, einen Bericht über den “Simpsons-Sellout“ an allen Laden-Fronten.
Auch der 2007 gestartete Simpsons-Kinofilm ist natürlich ein Thema, wobei Andreas Rauschinger bedauert, dass dieser “statt die von zahlreichen Drehbuchratgebern feilgebotenen narrativen Muster zu demontieren, diese selbst beispielhaft erfüllte.“
Bemerkenswert ist ein neu ins Buch aufgenommenes Interview mit Regisseur David Silverman, einem der “Simpsons-Pioniere der ersten Stunde“. Von diesem ist zu vernehmen, dass das Team um Matt Goening nicht wirklich anstrebt “Subversion zur Prime-Time“ zu produzieren: “Aber subversiv zu sein, bedeutet ja ursprünglich, dass man etwas umstürzen will. Wir bieten hingegen beobachtende Satire und Satire, das würde ich nicht unbedingt subversiv nennen.“ Insgesamt zeigt diese Neuauflage, dass die Simpsons ihr Pulver noch längst nicht verschossen haben.
Das ultimative Buch zu Serie präsentierte Alexander Braun 2024 mit großartig recherchiertes und opulent bebildertes Prachtband Die Simpsons: Gelber wird’s nicht.
Als die Partei Die Partei 2004 gegründet wurde, war Martin Sonneborn im Wahlkampf mit “einem positiven Europabild angetreten, im Vertrauen darauf, dass die EU das Beste ist, was wir haben, inklusive Gurkenverordnung, kafkaesker Bürokratie, langweiliger Funktionalität.“ Doch nach zehn Jahre als gewähltes Mitglied des europäischen Parlaments ist sein Urvertrauen weg: “Das bröckelt jetzt alles.“
Sein erstes Buch Herr Sonneborn geht nach Brüssel wirkte eher wie eine Freakshow voller angeblicher Volkvertreterinnen und selbsternannten Experten. Ein großes Thema war, dass es Die Partei zusammen mit weiteren kleinen Parteien gelungen war, dass die zuvor in Deutschland bei Europawahlen geltende Sperrklausel vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt und außer Kraft gesetzt wurde. Dadurch konnte Martin Sonneborn nach der Europawahl 2014 dank eines Stimmanteil von 0,63 % für Die Partei nach Brüssel gehen.
Zwar versuchen die etablierten Parteien weiterhin die Sperrklause wieder einzuführen. Doch 2019 schaffte Die Partei – wohl auch dank des realistischen Slogans „Für Europa reicht’s“ und Kandidaten mit Nachnamen wie Bombe, Krieg, Göbbels oder Heß – sogar 2,4 %. Daher ging jetzt auch der Kabarettist Nico Semsrott für Die Partei nach Brüssel. Doch diesem missfiel zunehmend der am Satiremagazin Titanic geschulte Altherren-Humor Sonneborns. Semsrott verließ daher Die Partei im April 2021, blieb aber fraktionsloses Mitglied im Europaparlament und hat mit Brüssel sehen und sterben mitlerweile ein eigenes Buch geschrieben.
In seinem zweiten Europabuch geht Sonneborn relativ unemotional auf den Zwist mit Semsrott ein. Insgesamt ist jedoch zu spüren, dass ihm zunehmend der Spaß vergangen ist und er oftmals die Ebene der reinen Satire verlässt. Spitzfindige Beschreibungen der sich für alles andere als ein besseres Europa engagierenden Mitgliedern des europäischen Parlaments sind diesmal Mangelware. Stattdessen wird mit spürbarer Wut angeprangert, dass auch aktuell noch Milliarden von Steuergeldern für schon lange nicht mehr benötigte Impfstoffe verpulvert werden, während wortlos dabei zugesehen wird, wie nahe der europäischen Grenze die Diktatur Aserbaidschan Genozid an den Armeniern in Bergkarabach verübt.
Hauptverantwortliche ist für Sonneborn die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen,, die er 2019 bei ihrem Amtsantritt bereits mit einer hellsichtigen einminütigen Rede abwatschte. Er begrüßte sie im EU-Parlament als „eine europapolitisch völlig kenntnisfreie deutsche Ministerin, die lediglich durch einen irren Hang zu überteuerten Beratern, Missmanagement und Euphemismen aufgefallen ist.“ Daher ist sein Motto: „Wir sollten Europa nicht den Leyen überlassen. Zwinkersmiley!“ Es ist zu hoffen, dass Sonneborn noch lange weitermacht und uns – ganz entgegen den politischen (Un-) Sitten – weiterhin mit Informationen aus erster Hand über den Zustand Europas versorgt, auch wenn es dabei immer weniger zu lachen gibt.
Jens Wawrczeck ist bereits seit seinem elften Lebensjahr als Hörfunksprecher und Schauspieler tätig. Große Bekanntheit erlangte er, als er ab 1978 in Hörspielserie Die drei ??? den Junior Detektiv Peter Dunstan Shaw sprach.
Heute dürfte kaum noch bekannt sein, dass diese Reihe auf US-Jugendbüchern basiert in der anfangs ein gewisser Alfred Hitchcock Auftritte hatte, die länger ausfielen als die kurzen Szenen, mit denen er in seinen Kinofilmen gastierte. Doch wie jetzt zu erfahren ist, war Jens Wawrczeck bereits in seiner Schulzeit, nachdem ihn Bei Anruf Mord begeistert hatte, ein großer Fan des “Masters of Suspence“.
In seinem Buch How to Hitchcock analysiert Wawrczeck ebenso scharf- wie eigensinnig markante Motive und Momente aus dem filmischen Schaffen des Meisterregisseurs. Nicht minder pointiert arbeitet er unter dem Motto Meine Reise durch das Hitchcock-Universum auch eigene Erlebnisse ein, ohne dass es eitel wirkt.
So beschreibt er, wie er 1978 als 15-jähriger Junge zusammen mit seiner Mutter Shirley MacLaine mit ihrer Las Vegas Show in Hamburg erlebte. Grund für den Besuch der Show war, dass der Hollywood-Star die Hauptrolle in Hitchcocks Immer Ärger mit Harry gespielt hatte. Wawrczeck gelang es MacLaine am Ende der Show eine kleine Stoffmaus und ein Briefchen zu überreichen. Am nächsten Tag fand er im Briefkasten eine Grußkarte des Weltstars mit dieser Botschaft vor: „Dear Jens, your mouse will be with me forever and you are darling to think of me! Shirley MacLaine“.
Auch die drei Jahre in der Wawrczeck in New York Schauspielschulen besuchte, wurde für ihn dadurch veredelt, dass er Orte aus Hitchcock-Filmen aufsuchte. Seine lebenslange Begeisterung bringt er auch in How to Hitchcock ein und den Leser dazu, vielleicht dem eher misslungenen Film Der Fall Paradine – wegen der seiner Meinung nach göttlichen Alida Valli doch noch eine zweite Chance zu geben.
Da Jens Wawrczeck ein souveräner Sprecher und ein großartiger Erzähler ist, bereitet die 454-minütige Hörbuchfassung von How to Hitchcock noch mehr Vergnügen als die 256-seitige gedruckte Version. Eine gute Ergänzung dazu ist eine Reihe von Audio-CDs auf denen Wawrczeck die literarischen Vorlagen zu Hitchcock-Klassikern wie Vertigo, Ich kämpfe um Dich oder Marnie eingesprochen hat.
Bereits zwei Jahre nach der Veröffentlichung von John Grishams zweiten Roman Die Firma kam 1993 eine aufwändig produzierte Verfilmung in die Kinos. Die Hauptrolle des Harvard-Absolventen Mitch McDeere, der langsam aber sicher feststellen muss, dass sein Arbeitgeber für die Mafia tätig ist, spielte Tom Cruise.
Grishams Roman faszinierte weniger durch die Mafia-Thematik, sondern stärker dadurch, dass hier detailliert beschrieben wird, wie eine große Anwalts-Kanzlei durch sehr gute Bezahlung und die Aussicht einmal “Partner“ zu werden, aus hochtalentierten Individualisten folgsame Arbeitssklaven macht, die nahezu ganztags für ihre Firma arbeiteten.
Am Ende des Romans wurde Mitch McDeere zum Aussteiger und – wie wir jetzt in der Fortsetzung Die Entführung erfahren – reiste er mit seiner Frau Abby durch die Weltgeschichte und fühlte sich besonders wohl in Italien. Ohne dass Grisham plausible Gründe dafür benennt, zieht es Mitch zurück in die Welt der großen Kanzleien.
Die Entführung spielt 15 Jahre nach Die Firma, also ungefähr im Jahre 2006. Mitch lebt glücklich mit Ehefrau und Kindern in New York. Er hat sich arrangiert mit seiner Arbeit und bekommt Spezialaufträge zugeteilt, bei denen er weltweit tätig ist. Als er erleben muss, wie die Tochter des italienischen Neiderlassungsleiters seiner Firma in Libyen entführt wird, setzt er alles dran, damit die junge Frau wieder freikommt. Dabei muss er miterleben, wie auch Abby in die Geiselnahme verwickelt wird.
Die kurzen Momente, in denen sich der Roman auf die Handlung aus Die Firma bezieht faszinieren durchaus. Doch ansonsten ist dieses leidlich spannende und unnötig kompliziert erzählte Buch leider keine würdige Fortsetzung.
Wer mehr über die Karl-May-Filme der 60er Jahre erfahren möchte, dürfte von diesem Buch etwas enttäuscht sein. Erst auf Seite 230 plaudert Pierre Brice ein wenig über die Dreharbeiten zu Der Schatz im Silberseeim damaligen Jugoslawien. Schon am Flughafen traf er Ralf Wolter und Eddie Arendt. Alle Darsteller und Teammitglieder wurden gute Freunde und waren glücklich, als sie erfuhren, dass im nächsten Jahr bei Winnetou 1. Teildie “Familie wieder zusammenkommen würde“.
Nur an einem Kollegen lässt der ansonsten schlimme Zeitgenossen eher aussparende Pierre Brice kein gutes Haar. Die Zusammenarbeit in den drei Filmen mit Steward Granger als Old Surehand muss für ihn eine absolute Katastrophe gewesen sein: “Abends schrieb er in seinem Hotelzimmer das Drehbuch um, kürzte die Rollen der anderen und machte seine größer. Kurz, er hatte die Macht übernommen.“ Da muss es Pierre Brice natürlich ganz besonders gefreut haben, als Grangers Ehefrau (“eine ehemalige Miss Belgien“) eines Abends an seine Hoteltür klopfte und getröstet werden wollte.
Doch wie gesagt, über die Karl May Filme ist ansonsten nicht allzu viel zu erfahren. Über den ansonsten eher verschwiegenen Menschen Pierre Brice gibt das Buch aber durchaus Auskunft. Recht ausführlicher und teilweise als Interview mit sich selbst schreibt Brice über seine für ihn sehr erfreulichen Tätigkeiten bei den Festspielen in Elspe und Bad Segeberg, über seine Zeit beim Militär, über seine Anfänge beim Theater und beim Film sowie über seinen Hilfskonvoi für bosnische Kinder.
Michael Petzel, der auch den Bildband Marie Versini – Geliebte Nscho-tschi zusammenstellte, beschreibt in seinem lesenswerten Vorwort wie das „ebenso wild wie sanft erscheinende Mädchen“ den „Buben bei ihrem Anblick so glänzende Augen“ verschaffte, dass sie „sie in ihre Träume mitnahmen“. Dies geschah jedoch auf einer sorgsam versteckten Ebene, denn „das mannhafte Abenteuer verdeckte die erotische Dimension“.
Im reich bebilderten Buch beschreibt Marie Versini unterstützt von ihrem Ehemann .sehr lebendig und bunt durcheinandergewürfelt ihre Erlebnisse während der Dreharbeiten und sonstige Ereignisse aus ihrem Leben. So erfahren wir, wie es der 23-jährigen Französin erging als sie nach einer strapaziösen Reise nach Jugoslawien sofort Nscho-tschis Sterbeszene spielen musste.
Ihren durch Mario Adorf verkörperten Mörder lernte sie dann erst sehr viel später kennen. Interessant ist auch was sie über die damalige Indianerbegeisterung der Deutschen schreibt, etwa wenn sie von einem jungen Studenten erzählt, der grausige Indianerrituale – etwa sich aufhängen bis „unter dem Gewicht das Fleisch reißt“ – zelebrierte. Somit ist das Buch also nicht nur für eingefleischte Karl May-Fans geeignet.