In drei schönen, leicht überformatigen Bänden veröffentlichte Panini alle von Alan Moore geschriebenen Comics mit Swamp Thing. Jetzt folgt in derselben Aufmachung eine zweibändige Edition mit den im direkten Anschluss entstandenen Heften, die im Alleingang von Rick Veitch getextet und gezeichnet wurden.
Der auch im Underground tätige Künstler zeichnete zuvor bereits einige der von Moore getexteten Ausgaben und erzählt die Sumpf-Saga ebenso esoterischen wie verrätselt weiter, inklusive dem Parlament der Bäume und der seltsamen Fähigkeit der Titelfigur, an jedem Ort aus der Erde heraus wachsen zu können. Auch unter Veitch blieb Swamp Thing eine der innovativsten Mainstream-Serien der Achtziger.
Eine wichtige Figur ist dabei der unberechenbare Westentaschenmagier John Constantine, dessen ersten von Moore geschriebenen Auftritt Veich bereits einige Jahre zuvor in Swamp Thing # 37 in Szene gesetzt hatte. Noch bevor Constantine mit Hellblazer eine eigene Serie bekam, spielte der Mann aus Liverpool bei Veitch eine große Rolle. Swamp Thing schlüpft sogar in den Körper des Briten, um ein Kind zu zeugen, doch dabei hat er die Rechnung ohne seine geliebte Abby gemacht…
Während die von Moore geschriebenen Heften in einer großartigen neuen Computer-Kolorierung von Steve Oliff (Akira) präsentiert wurden, erscheint Rick Veitchs Swamp Thing in der ursprünglichen Farbgebung. Diese stammt immer von der in Darmstadt geborenen Tatjana Wood, der Gattin von Wally Wood.
Es besteht noch eine leise Hoffnung, dass der im Dezember erscheinende zweite Band auch Veitchs letzte, seinerzeit von DC abgelehnte Ausgabe Swamp Thing # 88 enthalten wird. In diesem von Michael Zulli bereits fertig gezeichneten Heft ließ Veitch Jesus Christus als Comicfigur auftreten und Swamp Thing zu dessem Kreuz werden. Zurzeit sammelt der außerhalb des Mainstreams immer noch sehr aktive Veitch emails, um DC dazu zu bewegen, doch noch sein Evangelium zu veröffentlichen.
Parallel zu den Veröffentlichungen von opulenten Artbooks zu DC– und Marvel-Comics hat sich der Taschen Verlag auch die Urväter der Superhelden Vorgenommen. Ein schön aufgemachter Band beschäftigt sich auf 336 Seiten mit den Göttern und Helden der griechischen Mythologie.
Enthalten sind 47 Sagen mit legendären Gestalten wie Herakles, Medea, Odysseus, Ikarus, Perseus oder den Argonauten, die von knapp 30 Meistern ihres Fachs wie Walter Crane, Arthur Rackham, William Russell Flint oder Virginia Frances Sterrett illustriert wurden. Hinzu kommen noch Vignetten, die Cliford Harper extra für diese Ausgabe zeichnete.
Doch auch inhaltlich wird einiges geboten, denn die Texte stammen vom ehemaligen Gymnasiallehrer Gustav Schab. Nachdem dieser 1837 eine Stelle als Dorfpfarrer in der Schwäbischen Alp antrat, begann er das zweite Gebot massiv zu missachten, denn er hatte durchaus andere Götter, mit denen er sich intensiv beschäftigte.
Als eine Art Kombination aus Martin Luther und den Gebrüdern Grimm begann er damit, die griechischen Mythen in eine allgemein verständliche Form zu bringen. Nicht zu Unrecht meinte Schwab, dass die “innere lebendige Kraft“ dieser Geschichten so groß ist, dass sie nicht abhängig sind, “von der vollendeten Kunstgestalt zu der die größten Dichter sie verarbeitet“ haben.
Für Schwab genügte “die schlichteste Darstellung“ damit die Geschichten “ihre Größe auch vor denjenigen entfalten, für welche die Kunstform eher ein Hemmnis, als eine Förderung des Verständnisses“ ist. Der Erfolg gab ihm recht, denn seine dreibändige Sammlung Die schönsten Sagen des klassischen Altertums wurde immer wieder und immer reicher illustriert neu aufgelegt. Höhepunkt dieser Erfolgsgeschichte ist Taschens schöner Bildband.
Die Initiative #ReleaseTheSnyderCut engagierte sich nicht für Klimaschutz oder Weltfrieden, sondern für die bessere und vor allem sehr viel längere Version eines gefloppten DC-Superheldenfilms. Justice League wurde 2017 weder finanziell noch künstlerisch zu DCs Gegenstück zum Marvel-Blockbuster The Avengers, obwohl dessen Regisseur Joss Whedon am Film beteiligt war.
Das Scheitern von Justice League hat eine sehr tragische Vorgeschichte. Nachdem Zack Snyders 20-jährige Tochter Selbstmord begangen hatte, brach der Regisseur die Dreharbeiten ab und Whedon vollendete den Film. Dieser nahm sehr viele Änderungen am Drehbuch vor und war nicht immer erfolgreich dabei, seinen auch “Josstice League“ genannten Film leichtfüßiger und humorvoller zu machen.
Anscheinend setzten sich genügend Fans dafür ein, dass Zack Snyder, dessen erstaunlich amüsanter Zombie-Film Army of the Dead aktuell bei Netflix zu bewundern ist, die Möglichkeit bekam, Justice League in seinem Sinne umzuarbeiten, damit er seine mit Man of Steelund Batman v Superman: Dawn of Justice begonnene Trilogie vollenden konnte.
Snyder entfernte alle von Whedon gedrehten Szenen, darunter auch der großartige Moment mit dem auf Wonder Womans “Lasso der Wahrheit“ sitzenden Aquaman. Dies erinnerte an den “Richard Donner Cut“ von Superman II, dem fast alle vom finalen Regisseur Richard Lester gedrehte Szenen zum Opfer fielen.
Snyder fügte neben nicht verwendeten Sequenzen auch neugedrehte Szenen und bessere Spezialeffekte ein, wofür Warner angeblich 70 Millionen Dollar spendiert hat. Das 242-minütige Resultat kam nicht ins Kino, sondern wurde als vierteilige Miniserie in den USA bei HBO Max und bei uns auf Sky gezeigt. Mittlerweile ist der Film auch auf DVD und Blu-ray erhältlich.
Ziemlicher Blödsinn ist, dass Snyder seinen Film jetzt in einer Vollbildfassung präsentiert und allen Besitzern von hochgezüchteten Breiwand-TVs damit eine Riesenfreude bereitet. Doch auch das wirre apokalyptische “Ende nach dem Ende“, in dem Jared Leto, wie schon in Suicide Squad, als Joker zu sehen ist, schafft es nicht, den insgesamt sehr positiven Gesamteindruck zu zerstören.
Snyders Version von Justice League ist jetzt ein vielschichtiges, oft auch erstaunlich humorvolles Epos, das tatsächlich in derselben Liga spielt, wie die Filme des Marvel Cinematic Universe.
Joe Hill (Locke & Key, Blind) eröffnete mit der von ihm verfassten und vom Italiener Leomacs gezeichneten Miniserie Ein Korb voller Köpfe spektakulär sein DC-Horror-Label Hill House. Danach ließ er drei anderen Kreativ-Teams den Vortritt, bevor er mit Schiff der lebenden Toten als Autor zurückkehrte.
Zuvor gastierten im Hill House die Autorin Carmen Maria Machado und die griechischen Zeichnerin Dani, die mit Im tiefen, tiefen Waldeine Art feministische Horror-Geschichte erzählten. Nahezu zeitgleich luden das Erfolgsteam Mike Carey alias M. R. Carey (Hellblazer, Lucifer) und Peter Gross (American Jesus) in Das Puppenhaus ein.
Auch bei Besessen fungierte Joe Hill lediglich als Produzent, brachte jedoch ein interessantes Team zusammen. Die US-Theater-Autorin Laura Marks debütierte dabei auf der Comic-Bühne, während der erfahrene Zeichner Kelley Jones (Batman: Knightfall, Batman & Dracula: Roter Regen, Swamp Thing) ansprechend schaurige Bilder in seinem fast schon patentierten auf Schraffuren und Schwarzflächen setzenden Stil beisteuerte.
Laura Marks´ im New York des Jahres 1886 angesiedelte Geschichte erzählt von Daphne Byrne, die nach dem Tode des Vaters nicht mehr aus ihrer Trauer herausfindet. Für die junge Frau ist es keine Hilfe, dass sich ihre Mutter mit einem zweifelhaften Medium einlässt, um Kontakt zum Geist ihres Gatten aufzunehmen. Daphne hingegen trifft immer wieder auf einen unheimlichen Jungen, den nur sie sehen kann…
Die aus sechs Heften bestehende, sehr sensibel erzählte Miniserie bewegt sich kaum auf ausgetrampelten Horror-Pfaden, sondern findet einen eigenständigen Zugang zum Genre. Panini veröffentlicht Besessen als schön aufgemachte Gesamtausgabe. Als Bonus gibt es aussagekräftige Interviews mit Laura Marks und Kelley Jones, sowie die nicht immer wirklich gelungenen Titelbildern von Piotr Jabłoński und einige deutlich bessere Variant-Cover von Dustin Nguyen, Gene Ha oder (Oh, Wunder!) Kelley Jones.
Die lang erwartete Fortsetzung des Blockbusters von 2017 geht in eine völlig andere Richtung als die finsteren DC-Filme von Zack Snyder, der zeitgleich eine überlange Version seines Flops Justice Leagueauf HBO präsentiert. Doch leider ist der Titel Wonder Woman 1984 auch Programm, denn der Film spielt nicht nur im Orwell-Jahr, sondern wirkt auch so, als wäre er seinerzeit entstanden.
Im Windschatten der Fortsetzungen von Richard Donners Blockbuster Superman kam 1984 Supergirl in die Kinos. Hier kämpfte die von Helen Slater gespielte Titelheldin mit der Hexe Selena (Faye Dunaway) um die Gunst eines Gärtners. Ähnlich weit entfernt von dem, was endlich einmal eine gute DC-Comicverfilmung sein könnte, ist auch Wonder Woman 1984.
Der Film handelt von einem antiken Kristall, das jedem Menschen einen Wunsch erfüllen kann. Dies bietet Wonder Woman zwar die Möglichkeit ihren geliebten Steve Trevor wieder auferstehen zu lassen (und hat den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass Chris Pine in dieser Rolle zurückkehren kann). Doch genau wie in der Kurzgeschichte Die Affenpfote von William Wymark Jacobs werden die Wünsche zwar erfüllt, doch glücklich wird dadurch niemand.
Richtige Spannung kommt nicht auf, auch weil die von Kristen Wiig (Ghostbusters) und Pedro Pascal (The Mandalorian) verkörperten “Schurken“ nicht wirklich böse sind, sondern einem fast schon leid tun, denn sie haben gute Gründe für ihre böse Taten. Einige wahllos eingefügte spektakuläre Actionszenen, sowie die gute Chemie zwischen Chris Pine und der großartigen Haptdarstellerin Gal Gadot, reißen das sich träge über 152 Minuten hinziehende altbackene Moral-Märchen auch nicht mehr raus.
Wonder Woman 1984 startete ab 16.12.2020 international in einigen Kinos, aber nicht bei uns. Doch mittlerweile kann der Film auf Sky geguckt werden, ist aber auch auf DVD, Blu-ray und in 3D erschienen.
Die Idee, den Joker heilen zu können, hatten schon viele. Dieses Mal ist es Dr. Ben Arnell. Er arbeitet als Psychologe in der Irrenanstalt Arkham Asylum und will den Joker durch eine Gesprächstherapie heilen. Arnell lebt mit Frau und Sohn ein beschauliches Leben in der Vorstadt und glaubt, alles im Griff zu haben. Die Welt, die er wahrnimmt ist geordnet und klar. Er ist sehr hoffnungsvoll, dass er in der Lage sein wird, den Joker zu rehabilitieren, aber er unterschätzt, wie leicht der Joker in seinen Kopf und möglicherweise sein Zuhause gelangen kann.
Doch schon nach wenigen Sitzungen mit dem Joker scheint die Welt von Dr. Arnell sich verändert zu haben. Zu spät erkennt er, dass der Joker ihn manipuliert und ihn benutzt. Es beginnt ein psychedelischer Horrortrip. Der Joker vergiftet immer mehr den Geist seiner Beute. Dadurch setzt er eine Kettenreaktion des Chaos in Gang, die nicht nur Gotham City, sondern auch die Seele eines idealistischen Mannes und seiner jungen Familie zu zerstören droht. Immer mehr entgleitet dem hoffnungsvollen Arzt die Sicht auf die Realität. Das alles ist ungemein spannend aber auch verstörend – ein Psychothriller.
In Batman: The Smile Killer, der in diesem Band ebenfalls enthaltenen Fortsetzung von Joker: Killer Smile, wird die Realität noch einmal mehr auf den Kopf gestellt. Was ist wahr, was Einbildung? Autor Jeff Lemire (Essex Country) spielt mit der Idee, dass Bruce Wayne wahnsinnig ist und fragt, ob seine eigenen Erinnerungen an seine Zeit als Batman überhaupt echt sind.
Die Zeichnungen von Andrea Sorrentino sind stark und passend zum Setting. Sowohl poetisch realistisch als auch erschreckend tiefsinnig und beängstigend. Das Kreativteam Lemire/Sorrentino, von dem auch die Comic-Erfolge Old Man Logan und Gideon Falls stammt, erzählt einen abgeschlossenen, vierteiligen Psycho-Thriller über Batmans Erzfeind: Eine Empfehlung, für alle, die sich was trauen.
Die Comic-Reihe erscheint als großformatiges HC-Album unter dem DC-Black-Label. Lobenswert ist die Aufnahme aller Cover und Variant-Cover zu den vier Bänden, Sketche und Biografien der Künstler.
In seiner Jugend faszinierten den Iren Garth Ennis (Preacher, Hellblazer) britische Kriegs-Comics sehr viel stärker als die US-Hefte von Marvel oder DC. Als Autor feierte Ennis in den letzten Jahrzehnten zwar große Erfolge im Superhelden-Genre, doch verstanden hat er nie, warum selbst erwachsene Menschen so begeistert von kostümierten Rächern sind.
Ganz gegen den Comic-Trend erzählte Ennis zwischendrin auch immer wieder Kriegsgeschichten, in denen seine drastische Darstellung von Gewalt sehr viel weniger ein Fremdkörper war, als in der ziemlich sterilen Welt der Superhelden. Dies geschah sowohl im Rahmen der Serien The Boys, Punisheroder Hitman, als auch in eigenständigen Comics wie Sara – Tod aus dem Hinterhalt.
Wann immer Ennis ein Angebot in Richtung “Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg“ erhält, dann lässt er “alles stehen und liegen und unterschreibt sofort“. Ganz im Gegensatz zu kontinentaleuropäischen Serien wie Buck Danny, Dan Cooperoder Tanguy & Laverdure ist Ennis in seinen Geschichten nicht nur daran interessiert, Kampfflugzeuge so imposant wie möglich zu präsentieren, sondern er versucht auch zu vermitteln, dass es kein Spaß ist, in den Krieg zu ziehen.
Ennis ließ klassische britische Comic-Soldaten wie Battler Britton, Johnny “Red” Redburn oder Colonel Dan Dare von der Interplanet Space Fleet auf die Comic-Bühne zurückkehren. DCs im Ersten Weltkrieg kämpfenden deutschen Jagdflieger Hans von Hammer konfrontierte Ennis in Enemy Ace: War in Heaven mit der Schlacht um Stalingrad und dem Grauen im Konzentrationslager Dachau.
Von 2001 bis 2017 schrieb Ennis die Serie War Stories und erzählte auf jeweils circa 50 Seiten in sich abgeschlossene an realen Ereignissen orientierte Geschichten, die teilweise recht blutrünstig, aber auch sehr sorgfältig recherchiert sind. Im Zentrum stehen meist britische Frontsoldaten, die versuchen auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs halbwegs anständig und vor allem am Leben zu bleiben. Die zugehörigen Zeichnungen stammen von einigen der hochkarätigsten britischen Zeichnern.
Johann’s Tiger
Der Auftakts von War Story (unter diesem Titel veröffentlichte Speed Comics bei uns alle acht bei DC Vertigo erschienenen Geschichten der Serie) handelt von der Besatzung eines deutschen Wehrmacht-Panzers vom Typ Tiger.
Hauptfigur ist der Kommandant Johann Kleist, der alles dransetzt, damit seine Männer in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten und nicht den Russen in die Hände fallen.
Ein verantwortungsbewusst handelnder Soldat ist Kleist aber dennoch nicht, denn er hat zahllose Untaten an der Ostfront begangen, die ihn bis in den Schlaf verfolgen. Für sich selbst sieht Kleist keine Zukunft mehr.
Diese Geschichte vom nahezu unbesiegbaren, doch menschlich verrohten, deutschen Soldaten und seinem den feindlichen Panzern überlegenen Kriegsgerät (eins der Leitmotive in War Stories) setzte Chris Weston (Fantastic Four: First Family) zusammen mit Gary Erskine (Garth Ennis‘ Dan Dare) mitreißend in Szene.
D-Day Dodgers
Die zweite War Story ist ein Highlight der Serie. Erzählt wird von einer irischen Einheit, die 1943 von Reggio di Calabria in Richtung Norden aufbrach und immer wieder von Einheiten der Wehrmacht angegriffen wurde.
Die Männer kämpften auf verloren Posten, denn als 1944 am D-Day alliierte Truppen in der Normandie landeten, bekamen diese nicht nur die volle Aufmerksamkeit der Presse und Öffentlichkeit, sondern auch ein Großteil des Nachschubs landete jetzt in Frankreich.
Für die angeblich im sonnigen Italien faulenzenden D-Day-Drückeberger, von denen über 100.000 verwundet oder getötet wurden, blieb nur noch Spott übrig, dem diese durch Sarkasmus begegneten. Aus Trotz sangen die Männer nach der Melodie von Lili Marleen die Ballade der D-Day Dogers und beschrieben ihre ach so tolle Zeit mit Freibier, Vino und Mädels in Neapel, Florenz oder Rimini.
Ennis lässt seinen Comic mit dem satirischen Liedtext enden und John Higgins – vor allem bekannt als Kolorist des Comic-Meilensteins Watchmen – zeichnet dazu ganzseitige Bilder von gefallenen alliierten Soldaten. Doch auch die zuvor erzählte Story vom unerfahrenen britischen Second Lieutnant Ross, der sich – nachdem er seinen Dienst in Italien angetreten hat – über den kernigen irischen Sergenat Major Dunn, aber vor allem über seinen Vorgesetzten Captain Lovatt wundert.
Letzterer verbringt als “ganz beträchtlich enttäuschter Katholik“ einen Großteil seiner Zeit in einer Dorfkirche und schießt betrunken auf den hölzernen Jesus am Kreuz. Solche Geschichten schreibt nur das Leben (oder Garth Ennis)!
Screaming Eagles
Die dritte War Story zeichnete Dave Gibbons in jenen ausgereiften Stil, der dazu beitrug, dass Watchmen durch Nachdrucke oder eine gelungene TV-Serieimmer noch sehr präsent ist.
Ennis wählte Gibbons für die Visualisierung einer Geschichte aus, in deren Zentrum US-Sergeant Brewer und drei seiner Kameraden stehen. Diese sind die einzigen Überlebenden einer Kompanie, die am D-Day in der Normandie landete und sich bis ins KZ Dachau durchkämpfte.
Die kleine Truppe erhält den Auftrag ein Landhaus in Süddeutschland in Augenschein zu nehmen, um zu prüfen, ob es sich als Hauptquartier für General Bledding eignet. Neben geraubten Kunstschätzen finden Brewer und seine Männer im feudalen Anwesen gut gefüllte Speisekammern, sowie einen Weinkeller mit edelsten Tropfen vor.
Auch bei der weiblichen Bevölkerung findet die kleine Truppe Anklang und lässt es sich einige Tage gut gehen, bevor sie schließlich einen Anschiss von der Generalität bekommen. Doch das letzte Wort hat Brewer…
Ähnlich wie John Higgins bei D-Day Dogers setzt auch Gibbons die besonders schrecklichen Kriegs-Erlebnisse der vorrückenden US-Soldaten in ganzseitigen Bildern um. Dabei handelt es sich um Rückblenden, die die ansonsten eher feucht-fröhlich verlaufende Geschichte kontrastieren. Auch hier erzählt Ennis von tapferen Soldaten, die für arrogante Offiziere “den Arsch hinhalten“ müssen. Im Gegensatz zu General Bledding wird wohl jeder Leser Brewer und seinen Männern einige unbeschwerte Tage voller Suff und Vandalismus gönnen…
Nightingale
Erzähler bei der vierten War Story ist der Erste Offizier des Zerstörers HMS Nightingale. Das britische Kriegsschiff gehört zu einer kleinen Flotte, die im Rahmen der Nordmeergeleitzüge einen in Richtung Russland fahrenden Versorgungkonvoi beschützen soll.
Nachdem die Nightingale ein deutsches U-Boot zerstört hat, erhält die Besatzung einen Funkruf. Angeblich ist das deutsche Schlachtschiff Tirpitz auf Angriffskurs und daher wird dem Konvoi befohlen sich aufzulösen. Dies hat zur Folge, dass die jetzt ungeschützten Frachtschiffe von der deutschen Marine versenkt werden. Bei der Meldung mit der Tirpitz handelte es sich jedoch um eine Fehleinschätzung der Admiralität.
Garth Ennis gelingt es, sowohl den Alltag an Bord der Nightingale zu schildern, als auch den Frust der Mannschaft nach dem Scheitern der Mission. Obwohl die Seeleute nicht für die Zerstörung der Frachtschiffe verantwortlich waren, verfolgt die Katastrophe den Ersten Offizier bis in den Schlaf, einen jungen Matrosen treibt sie sogar in den Selbstmord. Bei einer weiteren Schutzmission im Mittelmeer erhält die Mannschaft der Nightingale schließlich eine Chance, die Scharte auszuwetzen…
Die Bilder der rauen See und der dort stattfindenden Gefechte steuerte David Lloyd bei, der mit J for Jenny noch eine weitere War Story illustrieren sollte. Lloyd hat mit Alan Moores V for Vendetta einen der ganz großen Comic-Klassiker illustriert. Wenn es darum geht, wiedererkennbare Charaktere zu zeichnen, ist Lloyd ganz gewiss nicht die erste Wahl, doch seine selbstkolorierten, impressionistisch anmutenden Bilder vermitteln genau die richtige Atmosphäre.
Auf 56 Seiten erzählt Ennis nicht viel weniger als Wolfgang Petersen in seinem mehr als seinem 140-minütigen Film Das Boot. Für Ennis ist Nightingale eins der Highlights seiner Karriere: “Wenn ein Comic zeigen soll, was ich kann, dann ist es dieser.“
The Reivers
Eine besonders wilde in Afrika spielende Geschichte eröffnet die zweite Staffel von War Stories. Diese und die folgenden drei Geschichten sind die letzten, die bei DC Vertigo erschien sind und bei uns von Speed veröffentlicht wurden. Für diese vier Comics hat Terry Marks extrem hässliche Titelbilder angefertigt,
Das ist ziemlich schade, denn das Artwork von The Reivers zählt zu den Höhepunkten der Serie. Die Zeichnungen stammen von Cam Kennedy, der für Dark Horse seinerzeit auch etliche Star-Wars-Comics anfertigte.
Genau wie Cam Kennedy ist auch die Hauptfigur von The Reivers Schotte. Lieutnant Nixon führt beim Special Air Service einen wilden Haufen an, der mit Geländewagen durch die Wüste braust. Die Einheit ist darauf spezialisiert das Afrikakorps aufzumischen, deutsche Flugzeuge am Boden zu zerstören und dabei eine versaute Version von Lili Marleen zu schmettern.
Nixon ist in den Krieg gezogen, um die Tradition seiner die Highlands plündernden schottischen Vorfahren fortzuführen. Doch als er einen deutschen General durch ein quer über die Straße gespanntes Stahlseil köpfen will, geht das total in die Hose…
The Reivers überzeugt weniger durch eine ausgefeilte Story, sondern vor allem durch die Rasanz und die Ironie, mit der Kennedy die Action in Szene setzt.
J for Jenny
Der Titel deutet es schon an, denn genau wie zuvor schon die War Story Nightingale setzte David Lloyd auch die sechste Kriegsgeschichte in Szene, während Terry Marks wieder ein äußerst hässliches Cover zum Comic beisteuerte
David Lloyd, der Zeichner des Comic-Klassikers V for Vendetta , bereichert erneut eine der besten Geschichten von Ennis durch den wilden Stil seines selbstkolorierten Artworks. Die Story spielt diesmal nicht auf hoher See, sondern hoch oben im Himmel.
Hauptfigur ist Flight Lieutnant Ronald Page, der Ehefrau und Kinder bei einem Bombenangriff der Luftwaffe verloren hat. Daher hat er als Pilot eines britischen Bombers keine Probleme damit, wenn zivile Ziele zerstört werden.
Page geht sogar so weit, darauf zu hoffen, dass seine Bomben ein Waisenhaus zerstören und er teilt dies per Funk auch seiner Mannschaft mit. Dies führt zu Problemen mit dem eher pazifistisch gesinnten Co-Piloten Stark…
Neben V for Vendetta sind seine beiden Beiträge zu War Stories der Höhepunkt im Comic-Schaffen von David Lloyd. Durch den von Ennis sehr sauber herausgearbeiteten moralischen Konflikt, das realistisch geschilderte militärische Umfeld und die bis hin zum überraschenden Ende sehr spannende Geschichte, ist J for Jenny ein Höhepunkt der Serie.
Condors
Die siebte War Story spielt 1939 im letzten Jahr des Spanischen Bürgerkriegs. Vier Soldaten haben sich in einen Bombenkrater geflüchtet. Obwohl sie Gegner sind, gönnen sich die Männer etwas Ruhe und tauschen Erfahrungen aus.
Joachim Reinert ist Pilot der Luftwaffe und kämpft mit der Legion Condor auf der Seite Francos, genau wie der in der IRA aktive Ire Thomas Kilpatrick. Der britische Sozialist Billy Gardner hingegen, ist bei den Internationalen Brigaden aktiv, die versuchen zu verhindern, dass Spanien faschistisch wird.
Doch die teilweise erschütternden Kriegs-Erlebnisse der drei Soldaten verblassen gegen die erschütternde Schilderung des Spaniers Juan-Miguel Martinez. Dieser musste miterleben, wie 1937 die Stadt Guernica von der Legion Condor ohne Rücksicht auf Verluste gnadenlos plattgemacht wurde. Als der Morgen anbricht, ziehen die Männer in vier verschiedene Richtungen ab, und der Krieg geht weiter…
Durch die vier verschiedenen Erlebnisse seiner Protagonisten, die in Rückblenden geschildert werden, beschreibt Ennis die Motivationen der am Spanischen Bürgerkrieg beteiligten Seiten sehr plastisch. Zugleich wird klar, dass dieser schreckliche und äußerst blutig ausgetragene Konflikt nur das Vorspiel zu einem noch sehr viel schlimmeren Krieg ist.
Einmal mehr hat Ennis Glück mit seinem Zeichner, der eine verwandte Seele ist. Der gebürtige Spanier Carlos Ezquerra ist Co-Schöpfer der britischen Comic-Ikone Judge Dredd und hat dadurch reichlich Erfahrung mit der Inszenierung von Gewalttaten. Ezquerra sollte noch weitere Kriegsgeschichten von Ennis in Szene setzten, etwa bei dessen Game-Adaption World of Tanks oder innerhalb der Reihe Battlegrounds.
Archangel
Bei der achten War Story handelt es sich um die am konventionellsten erzählte Geschichte der Reihe. Der Comic handelt von einem unerfahrenen jungen Mann, der sich einer großen Herausforderung stellen muss, dabei über sich hinauswächst und – nachdem er dem Tod ins Auge blickte – beschließt sein Privatleben zu überdenken…
Doch immerhin benutzte Ennis ein interessantes Kapitel des Zweiten Weltkriegs als Grundlage für seine klischeehafte Story. Jamie McKenzie (bei Speed „Jamie MacKenzie“) von der Royale Air Force ist bei seinem Vorgesetzten in Ungnade gefallen und wird zu einem Himmelfahrtskommando verdonnert.
Er wird auf ein sogenanntes CAM ship (catapult aircraft merchant ship) versetzt und soll von dort aus mit einem per Katapult gestarteten Marine-Jagdflugzeug Versorgungsfrachter beschützen, die in Richtung Russland unterwegs sind. McKenzie kann seine Maschine nicht wieder auf einem Schiff landen, die einzige Möglichkeit zu überleben, besteht darin, die nordrussische Hafenstadt Archangelsk zu erreichen.
Recht gut zur Geschichte, die einem mittelprächtigen Kriegsfilm als Vorlage dienen könnte, passt das grundsolide Artwork von Gary Erskine (Garth Ennis‘ Dan Dare), der bereits gemeinsam mit Chris Weston die War Story Johann’s Tiger in Szene setzte.
2020 kehrte Jamie McKenzie in Out of the Blue zurück. Garth Ennis erzählte ein weiteres Abenteuer des mittlerweile verheirateten Piloten. Als Zeichner fungierte diesmal Keith Burns, mit dem Ennis auch den klassischen britischen Comic-Piloten Johnny “Red” Redburn wiederbelebte.
War Stories bei Avatar Press
Die ersten Kriegsgeschichten von Garth Ennis erschienen zwischen 2001 und 2003 bei DC Vertigo unter dem Titel War Story. Erst 2014 ging es bei Avatar Press weiter. Für diesen Verlag hatte Ennis zuvor die Erfolgsserie Crossedgestartet, Kieron Gillen veröffentlicht bei Avatar die umstrittene Reihe Über und Alan Moore ist dort mit seinen Reihen Cinema Purgatorio oder Neonomicon vertreten.
Das Problem bei Avatar Press sind jedoch die dort tätigen Zeichner, die es nicht mit der britischen Elite aufnehmen konnte, die zuvor für War Story tätig waren. Der von Matt Martin und Keith Burns in Szene gesetzte Auftakt Castles in the Sky kann dabei noch am ehesten bei den Vertigo-Ausgaben mithalten. Das liegt aber auch daran, dass die Geschichte eines jungen US-Soldaten, der 1943 nach England abkommandiert wird, von Ennis recht sensibel mit einer Love Story verknüpft wird.
Der 19-jährige College-Boy Leonard Wesmore verlässt sein Provinzstädtchen um von Großbritannien aus mit einem Bomber nach Deutschland zu fliegen. Er lernt die Witwe Paula kennen, doch deren Sohn versucht zu verhindern, dass seine Mutter eine Beziehung zu einem US-Soldaten eingeht. Der Junge fragt sich, wo die amerikanischen Truppen waren, als sein Vater gefallen ist.
Wenig hilfreich bei den Balzversuchen sind zunächst die offiziellen “Instructions for American Servicemen in Britain“, die Leonard mit auf den Weg gegeben wurden. Doch zum Eisbrecher taugt die Broschüre schließlich doch noch.
Als Paula in jenem Leitfaden schmökert, findet sie es ziemlich amüsant, dass die US-Truppen darauf eingestimmt werden, dass die Briten sich “little about size“ kümmern und es in ganz London keinen einzigen Wolkenkratzer gibt.
Wie sich Leonard und die 10 Jahre ältere Paula langsam aber sicher näherkommen, ist ein guter – aber auch nötiger – Kontrast zu den Luftkämpfen, die mit sehr viel weniger Kunstfertigkeit in Szene gesetzt wurden, als dies zuvor David Lloyd in der War Story J for Jenny gelang.
Die restlichen sieben War Stories illustrierte alle Tomas Aira in einem sehr sterilen Stil, der oft an Amateur-Zeichnungen denken lässt und durch die halbwegs stimmige Computer-Kolorierung auch nicht wirklich gerettet wird. Children of Israel spielt 1973 in Israelin den umkämpften die Golanhöhen.
The Last German Winter beschreibt das Schicksal einer deutschen Mutter, die mit ihren beiden Kindern aus den Ostgebieten vor der anrückenden Roten Armee flüchtet und nicht sicher ist, ob sie einer kleinen Gruppe von Wehrmachtssoldaten trauen kann. Ennis gelang hier eine durchaus spannende Geschichte, die von Aira jedoch leider sehr unzureichend bebildert wurde.
Das trifft auch auf die restlichen War Stories Our Wild Geese Go, Tokyo Club, Send a Gunboat, Vampire Squadron und Flower of My Heart zu. Avatar Press veröffentlichte die War Stories jeweils als aus drei Heften bestehende Miniserien. Die ersten fünf War Stories sind anschließend auch noch in Form von zwei Sammelbänden erschienen.
Besonders albern sind die zugehörigen Good Girl Nose Art & Battle Damage Variant-Cover von Matt Martin, die selbst die schlimmsten Vertigo-Titelbilder von Terry Marks noch kunstvoll erscheinen lassen.
Joe Hill – muss noch erwähnt werden, dass er Stephen Kings Sohn ist? – hat mit der von ihm verfassten und vom Italiener Leomacs gezeichneten Miniserie Ein Korb voller Köpfe das DC-Label Hill House Comics spektakulär eröffnet. Im Zentrum von Hills blutiger Story steht eine weibliche Protagonistin, die gegen die sie bedrohende Männerwelt sehr wehrhaft mit einer antiken Wikinger-Axt vorgeht.
Diese Tendenz setzt sich fort in den kurz darauf ebenfalls bei Hill House Comics veröffentlichten Geschichten, auf deren Covern zwar groß der Name Joe Hill zu lesen war, dieser jedoch nur als Herausgeber fungierte. Dies war auch so bei Im tiefen, tiefen Wald und Daphne Byrne – Besessen, bevor er mit Schiff der lebenden Totenspektakulär als Autor zurückkehrte.
Starke weibliche Charaktere sein ein Markenzeichen von Hill House. Dies ist auch so bei der Mike Carey alias M. R. Carey (Hellblazer, Lucifer) geschriebenen Miniserie Das Puppenhaus. Der Bösewicht ist weiblich und als Hauptfigur fungiert eine gewisse Alice, die ihren Namen nicht ohne Grund trägt. Ähnlich wie die Heldin der Bücher von Lewis Carroll kann sich auch diese Alice durch einen Zauber verkleinern und eine geheimnisvolle Welt betreten.
Carey erzählt The Dollhouse Family zunächst auf zwei Ebenen, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Das etwas grobe Artwork von Peter Gross (American Jesus), der bereits ab 2009 bei The Unwritten mit Carey zusammenarbeitete, erleichtert auch nicht gerade den Einstieg in die Geschichte. Daher bleibt zunächst optisch nur die Freude an den schönen Titelbildern von Jessica Dalva, den zumeist Fotos von Puppen zugrunde lagen.
Doch wer den etwas verwirrenden Auftakt überstanden hat, wird reich belohnt durch eine fantasievolle Familiengeschichte. Diese verfügt über einen angenehmen, britischen Touch, erstreckt sich über Jahrhunderte und steckt voller Überraschungen. Dazu gehört auch ein unerwartetes Ende, das eine durchaus interessante Fortsetzung ermöglichen würde…
Pennsylvania in den 90er-Jahren: Seltsame Dinge gehen vor in dem Städtchen Shudder-To-Think. Die beiden Teenager Octavia und Eldora können sich nach einem Kinobesuch nicht mehr an den Film erinnern.
Doch das erscheint wie eine Bagatelle, angesichts ihrer Erlebnisse auf dem Heimweg, der durch einen tiefen, tiefen Wald führt. Dort treffen die Mädchen auf eine Art Hirsch-Zentauren und immer wieder auf menschlichenähnliche Wesen, denen scheinbar die Haut abgezogen wurde…
Einst stand Shudder-To-Think unter der Fuchtel der Kohle-Industrie. Die Bevölkerung riskierte ihr Leben bei der Arbeit in den Minen und ruinierte sich durch staubige Luft die Gesundheit. Richtig unheimlich wurde es jedoch erst, als die Minen Feuer fingen und die unterirdischen Brände noch Jahre später nicht gelöscht waren. Doch das Leben ging scheinbar ganz normal weiter…
Die aus sechs US-Heften bestehende Miniserie Im tiefen, tiefen Wald erschien beim DC-Unterlabel Hill House Comics. Dieses steht unter der Oberaufsicht von Joe Hill – muss noch erwähnt werden, dass dieser Stephen Kings Sohn ist? – der die Reihe mit der von ihm verfassten und vom Italiener Leomacs gezeichneten Comic-Reihe Ein Korb voller Köpfe spektakulär eröffnet hat.
The Low, Low Woods ist eine feministische Horror-Geschichte, bei der Männer, zumindest als Individuen, kaum vorkommen. Doch das gesellschaftspolitische Sendungsbewusstsein der homosexuellen Autorin Carmen Maria Machado steht dem Grusel-Faktor nicht im Wege, ganz im Gegenteil. Die einfühlsame Schilderung der Kleinstadt-Atmosphäre und der Gefühlswelten der beiden jugendlichen Protagonistinnen, erinnert an Geschichten von Ray Bradbury, wie etwa Das Böse kommt auf leisen Sohlen.
Optimal dazu passen die Bilder der griechischen Zeichnerin Dani, die kleinteilig arbeitet, wenn Machado was zu erklären hat. ,Für bedrohliche Sequenzen findet Dani hingegen ebenso großartige wie großzügige Seitenlayouts, die oft ganz ohne Worte auskommen.
Mit der Veröffentlichung von Im tiefen, tiefen Wald, sowie den Mini-Serien Das Puppenhaus und Daphne Byrne – Besessen bewies Joe Hill, dass er als Herausgeber ein ebenso gutes Händchen hat. Mit Schiff der lebenden Totenkehrte er spektakulär als Autor zurück.
Das DC-Universum kennt viele verschiedene Versionen der Zukunft: In Gotham City zum Beispiel kämpft Terry McGinnis als Batman of the Future für Gerechtigkeit, in Kingdom Come löste eine neue Heldenriege eine Katastrophe aus und in DC One Million, das im 853. Jahrhundert spielt, muss die Justice League Alpha die Zukunft retten.
Die bekannteste und beliebteste Version einer möglichen Zukunft ist sicherlich die, die im 31. Jahrhundert spielt und von den Abenteuern der Legion der Superhelden erzählt. Ein gewisser Charme liegt vielleicht darin, dass es die Zukunft ist, die in der bekannten Continuity der aktuellen Geschichten spielt. Aber wer kann das schon wissen.
Im Jahr April 1958 schufen der Autor Otto Binder und der Zeichner Al Plastino die erste Inkarnation der Legion der Superhelden für Adventure Comics #247. Und damit ist dieses Superheldenteam älter als die Justice League, welche erst in The Brave and the Bold #28 im März 1960 ihren ersten Auftritt hatte. Fast 30 Jahre lang erfreute sich dieses Team allergrößter Beliebtheit, bis es in den Wirren der Krise der unendlich vielen Welten ausradiert wurde. Seitdem hat dieses Team viele Reboots erlebt – mal sehr erfolgreich, mal weniger.
Ein wichtiges Mitglied dieser Gruppe (vielleicht sogar das wichtigste?) war schon immer Superboy. Damals der bekannte Superman aus der Zeit, in der er noch ein Teenager war. Heute ist er der leibliche Sohn vom amtierenden Superman und von Lois Lane. Seitdem Brian Michael Bendis ins DC-Universum gewechselt ist, ist er für alles zuständig, was mit dem Mann aus Stahl zu tun hat.
Viele Jahre hat Bendis das Erscheinungsbild diverser Marvel-Charatere maßgeblich geprägt. Zusammen mit Bill Jemas und Mark Millar war Bendis der Hauptarchitekt des Ultimate-Marvel-Universums, welches im Jahr 2000 mit Ultimate Spider-Man von Bendis seinen Anfang nahm. Es folgten Ultimate X-Men und später dann alle anderen Figuren und Teams. Bendis schrieb Secret War (2004–2005), House of M (2005), Secret Invasion (2008), Siege (2010) und Age of Ultron(2013).
Umso sensationeller war die Meldung, dass Bendis das Haus der Ideen verlassen und zum Konkurrenten DC wechseln würde. Er ist nun als Schreiber für die beiden Serien ACTION COMICS und SUPERMAN verantwortlich. Seine ersten Arbeiten für Superman waren die sechsteilige Miniserie Man of Steel. Sein Einstieg bei ACTION COMICS war die historische Nummer #1000. Und für Superboy hat er sich etwas ganz Besonderes ausgedacht.
Ein wichtiger Aspekt der Legion der Superhelden war schon immer, dass sie im gesamten Universum im Auftrag der United Planets für Frieden sorgen. Doch wie kam es zur Gründung dieser interplanetaren UN? Das erfuhren wir in der monatlichen Heft-Serie Superman. Die Idee dazu hatte Superboy Jon Kent. Zu diesem historischen Moment kam die gesamte Legion in die Vergangenheit und nahm Superboy danach mit in ihre Zeit. Jetzt erfahren wir allmählich, warum Superboy ins 31. Jahrhundert mitgenommen wurde. Die Welt hat sich sehr verändert. Das Design der bekannten Helden geändert, aber ohne, dass sie nicht mehr wiederzuerkennen wären.
Und hier im 31. Jahrhundert geraten Superboy und die Legion in den galaktischen Konflikt zwischen den räuberischen Horraz, dem General Crav Nah und den United Planets um den Besitz eines Relikts aus dem 21. Jahrhundert: Den Dreizack von Aquaman! General Crav Nah ist der Vater von Ultraboy und nicht etwa eine Neuschöpfung von Bendis. Er hatte schon im April 1975 seinen ersten Auftritt.
Das macht vielleicht den Reiz der Geschichten von Bendis aus: Altgediente Leser erkennen einiges neu interpretiert wieder. Vielen Personen und Begriffen verleiht Bendis einen neuen Anstrich, bzw. eine neue Interpretation. Legion of Super-Heroes #1 macht vor allem Spaß beim Lesen: Eine Mischung aus Action, Humor und politischen Thriller. Möge dieser Reboot gut und gerne ebenfalls 30 Jahre überdauern – ein gelungener Neuanfang ist gemacht und die Fortsetzung auch bereits erschienen.