Zwei Jahre nachdem er sich mit Star Wars: Die letzten Jedi ziemlich blamiert hatte, überraschte Rian Johnson 2019 mit einer pfiffig in Szene gesetzten Kriminalkomödie. Kurz bevor er mit den Dreharbeiten zu seinem letzten James-Bond-Film Keine Zeit zu sterben begann, spielte Daniel Craig einen weiteren Kämpfer fürs Gute, dessen Abenteuer in Serie gingen.
Seine schrullige Darstellung des Meisterdetektivs Benoit Blanc lässt an Agatha Christies Hercule Poirot denken. Auch Blanc muss einen besonders verzwickten Kriminalfall lösen, den Rian Johnson hart am Rande Parodie mit Stars wie Jamie Lee Curtis, Chris Evans oder Toni Colette und der Newcomerin Anna de Amas als Mordverdächtige in Szene setzte.
Da Knives Out bei Publikum und Kritik sehr gut ankam, schrieb Johnson ein weiteres Abenteuer mit Benoit Blanc, das er ebenfalls mit einer prominenter Besetzung noch eine Spur raffinierter auf die Leinwand zauberte. Wobei Leinwand nur bedingt zutrifft, denn nachdem Glass Onion kurz in den Kinos lief, ging der Film Weihnachten 2022 bei Netflix online.
Die Story wirkt vertraut und handelt von einem reichen Schnösel, der einige ehemalige Freunde zu einem Treffen auf einer abgelegenen Insel einlädt. Recht rasch kommt es zu einem Mord und jeder verdächtigt jeden. Doch dieser altbekannten Ausgangssituation trotzt Johnson – auch dank gut aufgelegter Darsteller wie Edward Norton, Kate Hudson oder Dave Bautista etliche äußerst originelle Momente und wirklich überraschende Wendungen ab.
Es ist sehr erfreulich, dass schon recht bald die Dreharbeiten zu einem dritten Abenteuer von Benoit Blanc beginnen.
1991 drehte Regisseur Barry Sonnenfeld (Men in Black) mit The Addams Family einen Film, der auf den gleichnamigen Cartoons von Charles Addams basierte, die in den 30er-Jahren im New Yorker veröffentlicht wurden und bereits kongenial als makabre TV-Serie umgesetzt wurden.
Im Kinofilm stahl die elfjährige Christina Ricci als Grufti-Tochter Wednesday spielend Stars wie Anjelica Huston, Raul Julia oder Christopher Lloyd die Show und übernahm daher in der Fortsetzung Die Addams Family in verrückter Tradition eine sehr viel größere Rolle.
Barry Sonnenbergs Inszenierung erinnerte seinerzeit an die Filme von Tim Burton, der Christina Ricci die weibliche Hauptrolle in seinem vielleicht schönsten Film Sleepy Hollow spielen ließ. Jetzt ist es Burton der für Netflix eine Serie über Wednesday Addams produziert hat und auch noch bei den ersten vier Episoden Regie führte. Für eine wichtige Nebenrolle konnte Christina Ricci verpflichtet werden und der Soundtrack stammt von Burtons Hauskomponist Danny Elfman.
Die Titelrolle übernahm Jenny Ortega, die bereits in der Neuauflage von Scream Grusel-Erfahrungen sammeln konnte und ebenfalls über genügt Charisma verfügt, um sich nicht von prominenten Filmeltern – diesmal handelt es sich immerhin um Catherine Zeta-Jones und Luis Guzmán als Morticia und Gomez Addams.
Konzipiert wurde die Serie von den Smalville-Schöpfern Alfred Gough und Miles Millar, die Wednesday zusammen mit dem eiskalten Händchen Abenteuer als unfreiwillige Insassin der Nevermore Academy, einem Internat für monströse Außenseiter, erleben lassen.
Schrullig sympathische Figuren machen Wednesday zu einer amüsanten Halloween-Version von Harry Potter.
Die dänische Serie Borgen – Gefährliche Seilschaften erzählte von 2010 bis 2013 in dreißig Episoden von Birgitte Nyborg (Sidse Babett Knudsen), die völlig überraschend zur ersten Premierministerin Dänemarks gewählt wird. Nach einer neunjährigen Pause ist auf Netflix eine vierte Staffel zu sehen, die den epischen Politthriller ohne Qualitätsverlust fortführt.
Die vierte Episode der ersten Staffel ist ein Höhepunkt der Serie und handelt vom komplizierten Verhältnis zwischen Dänemark und seiner ehemaligen Kolonie Grönland, die mittlerweile ein “autonomer Teilstaat innerhalb des Königreichs“ ist. Bereits damals kam die Frage auf, was wäre, wenn es große Erdölquellen in Grönland gäbe.
Sidse Babett Knudsen
Genau hier setzt die neue Staffel von Borgen an. Birgitte Nyborg ist mittlerweile nicht mehr Premier, sondern Außenministerin. Während sich ihre Partei Klimaschutz durch Verzicht auf fossile Energiequellen auf die Fahne geschrieben hat, wittert der Koalitionspartner das große Geschäft, nachdem tatsächlich ein gewaltiges Ölfeld in Grönland entdeckt wird.
Dies führt nicht nur in Dänemark zu gewaltigen Konflikten, sondern auch die Russen, die Chinesen und die eine Militärbasis auf Grönland betreibenden USA wollen ein Stück vom öligen Kuchen. Birgitte Nyborg droht zwischen den Fronten zerrieben zu werden. Die einst voller Idealismus gestartete Politikerin wird immer mehr zum kalten Machtapparat und setzt heimlich einen rücksichtslosen Journalisten und ehemaligen Widersacher als Berater ein.
Birgitte Hjort Sørensen
Erzählt wird auch wieder von der Journalistin Katrine Fønsmark (Birgitte Hjort Sørensen), die zwar Karriere bei ihrem TV-Sender macht, aber immer weniger Entscheidungsfreiheit hat. Der vielleicht interessanteste Handlungsstrang erzählt vom Politneuling Asger Holm Kirkegaard (Mikkel Boe Folsgaard), der von Nyborg urplötzlich zum Arktis-Kommissar ernannt wird. Der von Flugangst geplagte Kirkegaard entwickelt erstaunliches Verhandlungsgeschick. Zugleich ist er aber auch von Grönland fasziniert, ganz besonders von seiner dortigen Verhandlungspartnerin Emmy Rasmussen (Nivi Pedersen).
Mikkel Boe Folsgaard und Nivi Pedersen
In Sachen Gleichberechtigung, Ökologie und Ukraine voll auf der Höhe der Zeit gelang Adam Price, dessen Serie Die Wege des Herrnebenfalls sehr empfehlenswert ist, wieder ebenso spannende wie intelligente und realitätsnahe Unterhaltung.
Es ist kein Wunder, dass dieser Band bei Cross Cult erscheint, denn dort wurde bereits ein 48-seitiges Büchlein mit dem aussagekräftigen Titel If Keanu were your Boyfriend: Der Mann, der Mythos, der Wow! veröffentlicht.
Normalausgabe mit Cover von Dan Mora
Geboten wird “zum Teil Biografie, zum Teil verträumte Erzählung“ mit bedeutenden Weisheiten von Keanu Reeves, wie “Life is good when you have a good sandwich.“ Wer so einen Quatsch herausbringt, wird sich natürlich auch schleunigst um die Rechte eines Comics bemühen, an dem der Wow höchstpersönlich als Autor beteiligt war.
Es ist erstaunlich, was für Wellen es schlägt, wenn sich ein Hollywood-Star, dazu herablässt einen Comic zu schreiben. Zwar hat Keanu dies nicht ganz alleine gemacht, sondern als Co-Writer wurde ihm ein erfahrener Comic-Macher zur Seite gestellt.
Normalausgabe mit Cover von Dan Mora
Matt Kindt war bereits als Autor, aber teilweise auch als Zeichner für Dark Horse, Valiant und DC tätig. Es ist völlig unklar, wieviel Input bei BRZRKR von Keanu Reeves stammt. Möglicherweise kam von ihm wenig mehr, als die Erlaubnis den Titelhelden mit seinen Gesichtszügen auszustatten.
Second-Printing-Cover von Ron Garney
Doch dies auch auf Variantcover von Lee Bermejo, Dan Mora, Jonboy Meyers, Ron Garney oder Rafael Grampá gefeierte Ereignis genügte, um das im März 2021 bei Boom! Studios veröffentlichte Heft BRZRKR # 1 mit 650.000 verkauften Exemplaren zum Comic-Bestseller dieses Jahrtausends zu machen.
Die Story hingegen dürfte kaum etwas zu dieser Erfolgsgeschichte beigetragen haben, denn das erste Heft zeigt trotz des verdoppelten Umfangs von 43 Seiten wenig mehr als ein von Ron Garney immerhin recht mitreißend in Szene gesetztes Gemetzel. Der Mann mit dem Gesicht von Keanu veranstaltet und überlebt dabei ein Blutbad in einem Land, in dem Spanisch gesprochen wird.
Als Schlusspointe wird noch verraten, dass der Supersoldat bereits seit achtzigtausend Jahren auf der Erde zugange ist. Der Auftakt von Kapitel 2 versucht noch einen draufzusetzten und erzählt wie die Mutter von BRZRKR ihren Sohn unbefleckt empfangen hat und schon nach zwei Monaten zur Welt brachte.
Doch damit haben Matt Kindt und Keanu Reeves ihr Pulver bereits verschossen, zumindest was die ersten vier (von insgesamt zwölf) US-Hefte betrifft, die Cross Cult in drei verschiedenen Editionen (darunter eine limitiere Ausgabe im Überformat von 22 x 32 cm) gebündelt und garniert mit einer aus 24 Covern bestehenden Galerie veröffentlicht.
Limitierte Ausgabe im Überformat mit Cover von Jonboy Meyers
Im weiteren Verlauf der Handlung werden – unter dem Motto “Who Wants to Life Forever“ – Ideen und Erzählstrukturen aus Russell Mulcahys unsterblichem Klassiker Highlander mit Christopher Lambert recycelt. Auch bei BRZRKR gibt es eine attraktive Wissenschaftlerin, die den Helden in der Gegenwart analysiert und dadurch wilde erzählerische Zeitsprünge auslöst.
In kleinen Portionen ist so zu erfahren, wie der Keanu-Charakter in kürzester Zeit zum Muskelprotz heranwuchs und seine Sippe im Alleingang und natürlich in blutigen Kämpfen gegen andere Steinzeit-Völker verteidigte. Die Spannung auf den weiteren Verlauf der vertraut wirkenden Geschichte hält sich in Grenzen.
Dennoch ist BRZRKR nicht nur als Comic ein Erfolg, sondern auch als Blaupause zur weiteren medialen Weiterverarbeitung. Netflix plant einen Film, natürlich mit Keanu in der Hauptrolle und auch eine Anime-Serie ist im Gespräch. Für das Kino ist das Franchise leider ungeeignet, denn es würde zu argen Verständnisproblemen an der Kasse führen, wenn jemand dort “Zwei Karten für BRZRKR!“ verlangt.
Anya Taylor-Joy bereicherte mittelprächtige Filme wie The New Mutants oder Glass und hat Edgar Wrights Last Night in Soho zum Strahlen gebracht. Doch ihre beste Rolle spielte sie in der aus sieben Episoden bestehenden Netflix-Serie Das Damengambit, die auf einem Roman von Walter Tevis basiert.
Taylor-Joy überzeugt hier als Elizabeth Harmon, die in den 50er-Jahren in einem christlichen Waisenhaus in Kentucky aufwächst und vom dortigen Hausmeister die Grundlagen das Schachspielen lernt. Beth beschäftigt sich so intensiv mit dem Spiel, dass sie als junge Frau in Moskau gegen den amtierenden Weltmeister antritt…
Die komplette Serie wurde von Scott Frank inszeniert und geschrieben. Frank war zuvor an den Drehbüchern zu Minority Report, The Wolverine und Logan. Anya Taylor-Joy gelang die glaubhafte Darstellung einer willensstarken, aber auch zu Exzessen neigenden, Frau, die in den 60er-Jahren ein erstaunlich selbstbestimmtes Leben führt.
Für die Serie spricht, dass Scott Frank nur am Rande daran interessiert ist, genüsslich zu zeigen, wie der Hauptfigur immer neue Steine in den Weg gelegt werden. Stattdessen erzählt Das Damengambit davon, wie jemand zielstrebig aber nicht rücksichtslos seinen eigenen Weg geht. Dieser Hoffnung machende Grundton ist eine willkommene Abwechslung in einer Zeit, in der Pessimisten die besseren Argumente haben.
In der auf Netflix laufenden dritten Staffel von After Life heißt es Abschied nehmen vom Kleinstadt-Journalisten Tony Johnson. Dass die aktuelle Serie von und mit Ricky Gervais (Extras) nicht ewig laufen würde, war abzusehen. Sein Erfolgsformat The Office beendete er nach nur 14 Episoden, während die US-Version mit Steve Carrell es auf über 200 Folgen brachte.
After Life erzählt von Tony Johnson, der nicht aufhören kann (und will?) um seine an Brustkrebs gestorbene Frau Lisa zu trauern. Es hilft ihm auch nicht dauerhaft, dass er den Stinkstiefel spielt und über die zahlreichen Schwächen seiner ebenfalls beim Gratisblatt Tambury Gazette arbeitenden Kollegen spottet…
Das Konzept von After Life ist simpel aber großartig. Am Anfang und am Ende von fast jeder Episode schaut sich Tony meistens alte Videos mit Aufnahmen von Anne an. Er interviewt Kleinstädter und versucht aus banalen Ereignissen Schlagzeilen herauszuholen. Täglich besucht er Lisas Grab, plaudert und trauert dort mit Anne (Penelope Wilton), außerdem weiß Tony nicht so recht, ob er mit der Altenpflegerin Anne (Ashley Jensen) zusammen sein will.
Schon recht bald fühlt sich der Zuschauer wohl in der kleinen Welt von Tambury und gewinnt die meisten der dort lebenden Menschen lieb. Gervais produziert zwar nicht ständig Schenkelklopfer, doch er gewinnt dem ernsten Thema seiner Serie allerlei komische aber nie alberne Aspekte ab. Für das Ende der 18. und letzten Episode fand Ricky Gervais zwar ein großartiges Schlussbild, doch es ist schade, dass es wohl zu keiner weiteren Begegnung mit Tony Johnson kommen wird.
Mit einem etwas holperig auf Deutsch übersetzten Titel präsentiert Netflix die zweite Staffel der Dokureihe The Movies that made us. Nach Ghostbusters, Stirb Langsam, Kevin – Allein zu Haus und Dirty Dancing geht es jetzt um vier weitere Filme, die Ende des letzten Jahrhunderts nicht nur zu Blockbustern wurden, sondern auch angenehm in Erinnerung geblieben sind.
In der ersten Staffel erzählen Hauptdarsteller Dan Aykroyd und Regisseur Ivan Reitman von den chaotischen Dreharbeiten zu Ghostbusters. Doch der Reiz bei der Serie besteht darin, dass zumeist nicht im Rampenlicht stehende Crewmitglieder wie Drehbuchautoren, Produzenten oder Tricktechniker zu Wort kommen. Diese erzählen erstaunlich offen, was zunächst alles schief lief und wie trotzdem moderne Klassiker entstanden sind.
Daher ist es auch nicht weiter schlimm, dass es in der Jurassic Parkgewidmeten Episode kein Interview mit Steven Spielberg gibt. Stattdessen wird – vielleicht etwas pathetisch überhöht – die spannende Geschichte des Tricktechnikers Steven „Spaz“ Williams erzählt. Eigentlich sollte der T-Rex als Hauptfigur des Films in einer Kombination aus Stan Winstons in Originalgröße gebauten mechanischen Dinosaurier und Phil Tippetts Stop-Motion-Animation in der Tradition von Ray Harryhausen realsiert werden. Doch „Spaz“ Williams arbeitete heimlich an einer Computeranimation des Urviechs, die alle Beteiligten überzeugte und ein neues Spezialeffekt-Zeitalter einläutete.
Nicht minder interessant sind die restlichen drei Dokus der zweiten Staffel. Drehbuchautor J. F. Lawton erzählt von seiner Zeit im Rotlicht-Viertel von Hollywood, die ihn zum Drehbuch des Dramas 3000 inspirierte, aus dem schließlich der Megaerfolg Pretty Woman wurde. Robert Zemeckis konnte für die Episoden zu Zurück in die Zukunftund Forrest Gump nicht interviewt werden. Die Aussagen seiner Weggefährten belegen jedoch, dass die beiden Klassiker ohne die Hartnäckigkeit des Regisseurs gar nicht oder in ganz anderer Form zustande gekommen wären.
Gut versteckt, gibt es auf Netflix auch noch die vom selben Team produzierte Reihe The Holiday Movies That Made Us zu entdecken. Die ersten beiden Episoden beschäftigen sich mit den Filmen Buddy – Der Weihnachtselfund Nightmare before Christmas. Auch hier ist der deutsche Titel Weihnachtsfilme – Das waren unsere Festtage nicht gerade ideal, denn die Serie wird mit Berichten zu Horrorfilm-Klassikern fortgeführt.
Die dritte Staffel beschäftigt sich in ab 18 Jahren freigegebenen Episoden mit John Carpenters Halloween, Freitag der 13, A Nightmare on Elm Street, James Camerons Aliens und Robocop. Hinzu kommt eine Episode über die Dreharbeiten von Der Prinz aus Zamunda, die in einer Prügelei zwischen Regisseur John Landis und Hauptdarsteller Eddie Murphy gipfelten.
In den USA betraten Archie, Betty, Veronica und Jughead bereits 1939 die Comic-Bühne. Das ewig junge Quartett steht seitdem im Zentrum von spießig anmutenden Geschichten über Liebe und Eifersucht, die sich im Teenager-Milieu der idealisierten Kleinstadt Riverdale zutragen.
Während Archie in US-Supermärkten oft der einzige dort angebotene Comic-Titel war, blieb die Serie bei uns unbekannt, trotz einiger Veröffentlichungs-Versuche in den 70er-Jahren. Doch dies hat sich schlagartig geändert, seit Netflix die 2017 in den USA gestartete Serie Riverdale online gestellt hat.
Die TV-Adaption der Archie Comics erzählt ebenfalls vom braven Archie Andrews (K. J. Apa), der sich nicht zwischen der blonden Betty Cooper (Lili Reinhart) und der dunkelhaarigen Veronica Lodge (Camila Mendes) entscheiden kann. Nicht unerwähnt bleiben, soll noch Jughead Jones (Cole Sprouse), der in der Serie kein alberner Sidekick, sondern ein wilder und schillernder Außenseiter ist.
Neben “Herz-Schmerz“ wird auch ein interessanter Spagat zwischen Smallville und Twin Peaks geboten. Roter Faden der ersten Staffel ist der Mord an Jason Bloosom, dem beliebten Captain des Football-Teams der Riverdale Highschool. In jeder Episode werden weitere düstere Geheimnisse enthüllt, die Riverdale – trotz der manchmal recht schmalzigen Musik-Einlagen und der teilweise knallbunten 50er-Jahre-Optik der Serie – als finsteren Sündenpfuhl darstellen. Die heile Welt der Archie Comics taucht dabei allenfalls in Alpträumen auf.
Gute Vorarbeit für die Serie lieferte eine 2014 in den USA erschienener moderne Comic-Version von Archie, die vom Autor Mark Waid (Crisis on Infinite Earths) und der Zeichnerin Fiona Staples (Saga) realisiert wurde. In ähnlicher Manier funktioniert auch der Comic zur TV-Serie.
Eröffnet wird eine Panini-Collection der Riverdale-Comics durch vier Kurzgeschichten, die erzählen, was vor der ersten TV-Episode passierte. Archie erarbeitet sich Muskeln, indem er auf dem Bau schuftet und beginnt eine Affäre mit seiner Musik-Leherin Miss Grundy. Betty hingegen verkneift sich in Los Angeles eine Romanze, um Archie treu zu sein.
Veronica muss ihr Jet-Set-Leben in New York beenden, nachdem ihr Vater ins Gefängnis gesteckt wurde, und zieht mit ihrer Mutter nach Riverdale. Jughead hingegen ist enttäuscht von seinem Kumpel Archie, weil dieser lieber Zeit mit Miss Grundy als mit ihm verbringt. Die restlichen Comic-Geschichten dieser Collection sind weniger pointiert erzählt, dürften Fans von Riverdale dennoch gefallen, da sie eng mit der Serie verzahnt sind.
Abgerundet wird der Band durch interessante Texte, zahlreiche Variant-Cover, sowie Infos darüber, wie sich Archie, Betty, Veronica und Jughead im Laufe der Jahrzehnte verändert haben.
Der Auftakt dieser bei Netflix gelandeten Produktion lässt die Frage aufkommen, ob es Sinn macht sich einen Film anzusehen, dessen Hauptfigur Marla Grayson eine staatlich akkreditierte Senioren-Betreuerin ist, die ihre oft noch sehr rüstigen Klienten in Altersheime steckt, um sich deren Besitztümer unter die perfekt manikürten Fingernägel zu reißen.
Doch gerade durch Pikes glaubhafte Darstellung einer eiskalten nur auf ihre Vorteile bedachten Frau fält es nicht leicht, dabei zuzusehen, wie Marla die völlig gesunde Jennifer Peterson (Dianne Wiest) mit Hilfe einer befreundeten Ärztin rücksichtslos in ein Heim einweisen lässt und über ihr Vermögen herfällt…
Doch dankenswerterweise wechselt Regisseur und Drehbuchautor J Blakeson die Tonart, denn als um das Wohl seiner Mutter kämpfender Sohn Roman kommt Peter Dinklage (Game of Thrones) ins Spiel. Dieser setzt alle Mittel ein, um Jennifer wieder aus dem Heim zu holen. Nachdem sein schleimiger Anwalt bei der raffinierten Marla abblitzt, greift der im fest im kriminellen Milieu verankerte Roman zu den Waffen. Doch Marla lässt sich nicht einschüchtern…
J Blakeson gelang eine auf allen Ebenen funktionierende nahezu perfekte Mischung aus Thriller und Satire, die im großen Finale noch allerlei Überraschungen bereit hält.
“Eine kleinlaute Restaurantangestellte entdeckt dank eines kuriosen Landstreichers, dass sie Superkräfte und Seelenverwandte hat, und enthüllt eine gewaltige Verschwörung.“ Mit diesen kargen Worten versucht Netflix seinen Film Freaks – Du bist einen von uns anzupreisen.
Der vom TV-Regisseur Felix Binder inszenierte deutsche Superhelden-Film hatte am 2. September 2020 wohl ganz passable Abrufzahlen, verschwand jedoch recht schnell im Archiv von Netflix.
Doch zum Glück hatte der Freaks-Drehbuchautor Mark O. Seng, der immerhin auch am Netflix-Erfolgsserie Dark beteiligt war, die Idee seine Geschichte auch in Comicform zu erzählen. Nachdem er Frank Schmolkes Nachts im Paradies entdeckt hatte, stand sein Wunschzeichner fest.
Ohne den Netflix-Film gesehen zu haben, gelang Schmolke auf der Grundlage von Sengs Drehbuch eine finstere Geschichte. Diese erschien einen Monat nach der Filmpremiere bei der Edition Moderne und zeigt wieviel Potential in der Geschichte steckt.
Die ab 12 Jahre freigegebene Netflix-Produktion hat so gar nichts von der vielgepriesenen Freizügigkeit des nicht öffentlich-rechtlichen Fernsehens, sondern erinnert – trotz guter Nebendarsteller wie Wotan Wilke Möhring, Ralph Herforth oder Nina Kunzendorf – eher an harmlose ZDF-Filmchen und wurde 2022 auch vom Zweiten Deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Schmolke hingegen erzählt eine finstere Geschichte vor dem Hintergrund einer finsteren Welt.
Bei ihm lebt die “kleinlaute Restaurantangestellte“ Wendy mit Mann und Sohn in einer abgerockten Etagenwohnung. Vor diesem Hintergrund ist der drohende soziale Abstieg der am Rande des Existenzminimums lebenden Kleinfamilie glaubhafter, als bei der Netflix-Wendy, die in einer Villa mit Pool lebt. Auch ansonsten ist Schmolkes Version von Freaks finsterer. Der Comic erzählt eine größere Geschichte mit interessanter charakterisierten Figuren und hat ein sehr viel knalligeres Finale zu bieten.
Wer zuerst den von Frank Schmolke in beeindruckenden Schwarz-Weiß-Zeichnungen in Szene gesetzten Comic gelesen hat und sich dann auf den Film einlässt, wird diesen als eine Aneinanderreihung vertaner Chancen empfinden.
Aktuell hat Frank Schmolke den Psychothriller Der Augensammler von Sebastian Fitzek bravourös in Farbe adaptiert.