Der kleine Bastian wird regelmäßig von seinen Klassenkameraden schikaniert. Auf der Flucht vor ihnen rettet er sich eines Tages in ein Antiquariat, wo er einem alten Buchhändler begegnet, der ihn vor einem geheimnisvollen Buch warnt. Bastian kann nicht widerstehen und „leiht“ sich das Buch mit dem seltsamen Titel heimlich aus, um es auf dem dunklen Dachboden der Schule zu lesen.
Er gerät in eine abenteuerliche Reise durch Phantasiens Welt der Winzlinge, Rennschnecken, Felsenbeißer und Glücksdrachen, die vom Untergang bedroht ist und verzweifelt nach einem Retter sucht. Phantasien scheint verloren, doch dann begreift Bastian, welche Rolle er in der unendlichen Geschichte spielen kann…
Mit einem Budget von 60 Millionen DM entstand 1984 in den Bavaria Filmstudios die seinerzeit teuerste deutsche Filmproduktion. Regie führte Wolfgang Petersen, der zuvor schon mit Das Boot bewiesen hatte, dass er Großproduktionen stemmen kann, die auch international Beachtung finden. Doch genau wie es bei Das Boot Zoff mit Lothar-Günter Buchheim, dem Autor der Romanvorlage, geben hatte, war auch Michael Ende nicht zufrieden mit dem, was Wolfgang Petersen aus seinem Buch gemacht hatte.
Das Hauptproblem war zweifelsohne, dass Petersen, der auch das Drehbuch verfasste, nur die erste Hälfte des Romans adaptierte, Dadurch ist ein eher konventioneller Fantasy-Film entstanden ist, der in erste Linie als Leistungsschau des westdeutschen Kinos gedreht wurde. Die Rechnung ging durchaus auf, denn Petersen inszenierte ein Jahr später in den Bavaria Filmstudios den US-Science-Fiction-Film Enemy Mine und machte danach Karriere in Hollywood.
Wer seinerzeit Die unendliche Geschichte im Kino sah, war fasziniert von der liebevoll ausgestatteten Fantasy-Welt und danach enttäuscht über die DVD- und Blu-ray-Veröffentlichungen. Diese orientierten sich an der leicht gekürzten US-Fassung, die zudem noch Teile von Klaus Doldingers Soundtrack durch elektronische Pop-Musik von Giorgio Moroder ersetzt hatte. Doch mittlerweile liegt zum Glück komplett und in guter Bildqualität dieser immer noch sehr sehenswerte deutsche Filmklassiker auf DVD- und Blu-ray vor.
Extras der DVD: Making Of von 1984 (16:45 min), Doku zur Restaurierung (8:52 min), Musik-Video The NeverEnding Story von Limahl (3:44 min)
In seiner Jugend faszinierten den Iren Garth Ennis (Preacher, Hellblazer) britische Kriegs-Comics sehr viel stärker als die US-Hefte von Marvel oder DC. Als Autor feierte Ennis in den letzten Jahrzehnten zwar große Erfolge im Superhelden-Genre, doch verstanden hat er nie, warum selbst erwachsene Menschen so begeistert von kostümierten Rächern sind.
Ganz gegen den Comic-Trend erzählte Ennis zwischendrin auch immer wieder Kriegsgeschichten, in denen seine drastische Darstellung von Gewalt sehr viel weniger ein Fremdkörper war, als in der ziemlich sterilen Welt der Superhelden. Dies geschah sowohl im Rahmen der Serien The Boys, Punisheroder Hitman, als auch in eigenständigen Comics wie Sara – Tod aus dem Hinterhalt.
Wann immer Ennis ein Angebot in Richtung “Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg“ erhält, dann lässt er “alles stehen und liegen und unterschreibt sofort“. Ganz im Gegensatz zu kontinentaleuropäischen Serien wie Buck Danny, Dan Cooperoder Tanguy & Laverdure ist Ennis in seinen Geschichten nicht nur daran interessiert, Kampfflugzeuge so imposant wie möglich zu präsentieren, sondern er versucht auch zu vermitteln, dass es kein Spaß ist, in den Krieg zu ziehen.
Ennis ließ klassische britische Comic-Soldaten wie Battler Britton, Johnny “Red” Redburn oder Colonel Dan Dare von der Interplanet Space Fleet auf die Comic-Bühne zurückkehren. DCs im Ersten Weltkrieg kämpfenden deutschen Jagdflieger Hans von Hammer konfrontierte Ennis in Enemy Ace: War in Heaven mit der Schlacht um Stalingrad und dem Grauen im Konzentrationslager Dachau.
Von 2001 bis 2017 schrieb Ennis die Serie War Stories und erzählte auf jeweils circa 50 Seiten in sich abgeschlossene an realen Ereignissen orientierte Geschichten, die teilweise recht blutrünstig, aber auch sehr sorgfältig recherchiert sind. Im Zentrum stehen meist britische Frontsoldaten, die versuchen auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs halbwegs anständig und vor allem am Leben zu bleiben. Die zugehörigen Zeichnungen stammen von einigen der hochkarätigsten britischen Zeichnern.
Johann’s Tiger
Der Auftakts von War Story (unter diesem Titel veröffentlichte Speed Comics bei uns alle acht bei DC Vertigo erschienenen Geschichten der Serie) handelt von der Besatzung eines deutschen Wehrmacht-Panzers vom Typ Tiger.
Hauptfigur ist der Kommandant Johann Kleist, der alles dransetzt, damit seine Männer in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten und nicht den Russen in die Hände fallen.
Ein verantwortungsbewusst handelnder Soldat ist Kleist aber dennoch nicht, denn er hat zahllose Untaten an der Ostfront begangen, die ihn bis in den Schlaf verfolgen. Für sich selbst sieht Kleist keine Zukunft mehr.
Diese Geschichte vom nahezu unbesiegbaren, doch menschlich verrohten, deutschen Soldaten und seinem den feindlichen Panzern überlegenen Kriegsgerät (eins der Leitmotive in War Stories) setzte Chris Weston (Fantastic Four: First Family) zusammen mit Gary Erskine (Garth Ennis‘ Dan Dare) mitreißend in Szene.
D-Day Dodgers
Die zweite War Story ist ein Highlight der Serie. Erzählt wird von einer irischen Einheit, die 1943 von Reggio di Calabria in Richtung Norden aufbrach und immer wieder von Einheiten der Wehrmacht angegriffen wurde.
Die Männer kämpften auf verloren Posten, denn als 1944 am D-Day alliierte Truppen in der Normandie landeten, bekamen diese nicht nur die volle Aufmerksamkeit der Presse und Öffentlichkeit, sondern auch ein Großteil des Nachschubs landete jetzt in Frankreich.
Für die angeblich im sonnigen Italien faulenzenden D-Day-Drückeberger, von denen über 100.000 verwundet oder getötet wurden, blieb nur noch Spott übrig, dem diese durch Sarkasmus begegneten. Aus Trotz sangen die Männer nach der Melodie von Lili Marleen die Ballade der D-Day Dogers und beschrieben ihre ach so tolle Zeit mit Freibier, Vino und Mädels in Neapel, Florenz oder Rimini.
Ennis lässt seinen Comic mit dem satirischen Liedtext enden und John Higgins – vor allem bekannt als Kolorist des Comic-Meilensteins Watchmen – zeichnet dazu ganzseitige Bilder von gefallenen alliierten Soldaten. Doch auch die zuvor erzählte Story vom unerfahrenen britischen Second Lieutnant Ross, der sich – nachdem er seinen Dienst in Italien angetreten hat – über den kernigen irischen Sergenat Major Dunn, aber vor allem über seinen Vorgesetzten Captain Lovatt wundert.
Letzterer verbringt als “ganz beträchtlich enttäuschter Katholik“ einen Großteil seiner Zeit in einer Dorfkirche und schießt betrunken auf den hölzernen Jesus am Kreuz. Solche Geschichten schreibt nur das Leben (oder Garth Ennis)!
Screaming Eagles
Die dritte War Story zeichnete Dave Gibbons in jenen ausgereiften Stil, der dazu beitrug, dass Watchmen durch Nachdrucke oder eine gelungene TV-Serieimmer noch sehr präsent ist.
Ennis wählte Gibbons für die Visualisierung einer Geschichte aus, in deren Zentrum US-Sergeant Brewer und drei seiner Kameraden stehen. Diese sind die einzigen Überlebenden einer Kompanie, die am D-Day in der Normandie landete und sich bis ins KZ Dachau durchkämpfte.
Die kleine Truppe erhält den Auftrag ein Landhaus in Süddeutschland in Augenschein zu nehmen, um zu prüfen, ob es sich als Hauptquartier für General Bledding eignet. Neben geraubten Kunstschätzen finden Brewer und seine Männer im feudalen Anwesen gut gefüllte Speisekammern, sowie einen Weinkeller mit edelsten Tropfen vor.
Auch bei der weiblichen Bevölkerung findet die kleine Truppe Anklang und lässt es sich einige Tage gut gehen, bevor sie schließlich einen Anschiss von der Generalität bekommen. Doch das letzte Wort hat Brewer…
Ähnlich wie John Higgins bei D-Day Dogers setzt auch Gibbons die besonders schrecklichen Kriegs-Erlebnisse der vorrückenden US-Soldaten in ganzseitigen Bildern um. Dabei handelt es sich um Rückblenden, die die ansonsten eher feucht-fröhlich verlaufende Geschichte kontrastieren. Auch hier erzählt Ennis von tapferen Soldaten, die für arrogante Offiziere “den Arsch hinhalten“ müssen. Im Gegensatz zu General Bledding wird wohl jeder Leser Brewer und seinen Männern einige unbeschwerte Tage voller Suff und Vandalismus gönnen…
Nightingale
Erzähler bei der vierten War Story ist der Erste Offizier des Zerstörers HMS Nightingale. Das britische Kriegsschiff gehört zu einer kleinen Flotte, die im Rahmen der Nordmeergeleitzüge einen in Richtung Russland fahrenden Versorgungkonvoi beschützen soll.
Nachdem die Nightingale ein deutsches U-Boot zerstört hat, erhält die Besatzung einen Funkruf. Angeblich ist das deutsche Schlachtschiff Tirpitz auf Angriffskurs und daher wird dem Konvoi befohlen sich aufzulösen. Dies hat zur Folge, dass die jetzt ungeschützten Frachtschiffe von der deutschen Marine versenkt werden. Bei der Meldung mit der Tirpitz handelte es sich jedoch um eine Fehleinschätzung der Admiralität.
Garth Ennis gelingt es, sowohl den Alltag an Bord der Nightingale zu schildern, als auch den Frust der Mannschaft nach dem Scheitern der Mission. Obwohl die Seeleute nicht für die Zerstörung der Frachtschiffe verantwortlich waren, verfolgt die Katastrophe den Ersten Offizier bis in den Schlaf, einen jungen Matrosen treibt sie sogar in den Selbstmord. Bei einer weiteren Schutzmission im Mittelmeer erhält die Mannschaft der Nightingale schließlich eine Chance, die Scharte auszuwetzen…
Die Bilder der rauen See und der dort stattfindenden Gefechte steuerte David Lloyd bei, der mit J for Jenny noch eine weitere War Story illustrieren sollte. Lloyd hat mit Alan Moores V for Vendetta einen der ganz großen Comic-Klassiker illustriert. Wenn es darum geht, wiedererkennbare Charaktere zu zeichnen, ist Lloyd ganz gewiss nicht die erste Wahl, doch seine selbstkolorierten, impressionistisch anmutenden Bilder vermitteln genau die richtige Atmosphäre.
Auf 56 Seiten erzählt Ennis nicht viel weniger als Wolfgang Petersen in seinem mehr als seinem 140-minütigen Film Das Boot. Für Ennis ist Nightingale eins der Highlights seiner Karriere: “Wenn ein Comic zeigen soll, was ich kann, dann ist es dieser.“
The Reivers
Eine besonders wilde in Afrika spielende Geschichte eröffnet die zweite Staffel von War Stories. Diese und die folgenden drei Geschichten sind die letzten, die bei DC Vertigo erschien sind und bei uns von Speed veröffentlicht wurden. Für diese vier Comics hat Terry Marks extrem hässliche Titelbilder angefertigt,
Das ist ziemlich schade, denn das Artwork von The Reivers zählt zu den Höhepunkten der Serie. Die Zeichnungen stammen von Cam Kennedy, der für Dark Horse seinerzeit auch etliche Star-Wars-Comics anfertigte.
Genau wie Cam Kennedy ist auch die Hauptfigur von The Reivers Schotte. Lieutnant Nixon führt beim Special Air Service einen wilden Haufen an, der mit Geländewagen durch die Wüste braust. Die Einheit ist darauf spezialisiert das Afrikakorps aufzumischen, deutsche Flugzeuge am Boden zu zerstören und dabei eine versaute Version von Lili Marleen zu schmettern.
Nixon ist in den Krieg gezogen, um die Tradition seiner die Highlands plündernden schottischen Vorfahren fortzuführen. Doch als er einen deutschen General durch ein quer über die Straße gespanntes Stahlseil köpfen will, geht das total in die Hose…
The Reivers überzeugt weniger durch eine ausgefeilte Story, sondern vor allem durch die Rasanz und die Ironie, mit der Kennedy die Action in Szene setzt.
J for Jenny
Der Titel deutet es schon an, denn genau wie zuvor schon die War Story Nightingale setzte David Lloyd auch die sechste Kriegsgeschichte in Szene, während Terry Marks wieder ein äußerst hässliches Cover zum Comic beisteuerte
David Lloyd, der Zeichner des Comic-Klassikers V for Vendetta , bereichert erneut eine der besten Geschichten von Ennis durch den wilden Stil seines selbstkolorierten Artworks. Die Story spielt diesmal nicht auf hoher See, sondern hoch oben im Himmel.
Hauptfigur ist Flight Lieutnant Ronald Page, der Ehefrau und Kinder bei einem Bombenangriff der Luftwaffe verloren hat. Daher hat er als Pilot eines britischen Bombers keine Probleme damit, wenn zivile Ziele zerstört werden.
Page geht sogar so weit, darauf zu hoffen, dass seine Bomben ein Waisenhaus zerstören und er teilt dies per Funk auch seiner Mannschaft mit. Dies führt zu Problemen mit dem eher pazifistisch gesinnten Co-Piloten Stark…
Neben V for Vendetta sind seine beiden Beiträge zu War Stories der Höhepunkt im Comic-Schaffen von David Lloyd. Durch den von Ennis sehr sauber herausgearbeiteten moralischen Konflikt, das realistisch geschilderte militärische Umfeld und die bis hin zum überraschenden Ende sehr spannende Geschichte, ist J for Jenny ein Höhepunkt der Serie.
Condors
Die siebte War Story spielt 1939 im letzten Jahr des Spanischen Bürgerkriegs. Vier Soldaten haben sich in einen Bombenkrater geflüchtet. Obwohl sie Gegner sind, gönnen sich die Männer etwas Ruhe und tauschen Erfahrungen aus.
Joachim Reinert ist Pilot der Luftwaffe und kämpft mit der Legion Condor auf der Seite Francos, genau wie der in der IRA aktive Ire Thomas Kilpatrick. Der britische Sozialist Billy Gardner hingegen, ist bei den Internationalen Brigaden aktiv, die versuchen zu verhindern, dass Spanien faschistisch wird.
Doch die teilweise erschütternden Kriegs-Erlebnisse der drei Soldaten verblassen gegen die erschütternde Schilderung des Spaniers Juan-Miguel Martinez. Dieser musste miterleben, wie 1937 die Stadt Guernica von der Legion Condor ohne Rücksicht auf Verluste gnadenlos plattgemacht wurde. Als der Morgen anbricht, ziehen die Männer in vier verschiedene Richtungen ab, und der Krieg geht weiter…
Durch die vier verschiedenen Erlebnisse seiner Protagonisten, die in Rückblenden geschildert werden, beschreibt Ennis die Motivationen der am Spanischen Bürgerkrieg beteiligten Seiten sehr plastisch. Zugleich wird klar, dass dieser schreckliche und äußerst blutig ausgetragene Konflikt nur das Vorspiel zu einem noch sehr viel schlimmeren Krieg ist.
Einmal mehr hat Ennis Glück mit seinem Zeichner, der eine verwandte Seele ist. Der gebürtige Spanier Carlos Ezquerra ist Co-Schöpfer der britischen Comic-Ikone Judge Dredd und hat dadurch reichlich Erfahrung mit der Inszenierung von Gewalttaten. Ezquerra sollte noch weitere Kriegsgeschichten von Ennis in Szene setzten, etwa bei dessen Game-Adaption World of Tanks oder innerhalb der Reihe Battlegrounds.
Archangel
Bei der achten War Story handelt es sich um die am konventionellsten erzählte Geschichte der Reihe. Der Comic handelt von einem unerfahrenen jungen Mann, der sich einer großen Herausforderung stellen muss, dabei über sich hinauswächst und – nachdem er dem Tod ins Auge blickte – beschließt sein Privatleben zu überdenken…
Doch immerhin benutzte Ennis ein interessantes Kapitel des Zweiten Weltkriegs als Grundlage für seine klischeehafte Story. Jamie McKenzie (bei Speed „Jamie MacKenzie“) von der Royale Air Force ist bei seinem Vorgesetzten in Ungnade gefallen und wird zu einem Himmelfahrtskommando verdonnert.
Er wird auf ein sogenanntes CAM ship (catapult aircraft merchant ship) versetzt und soll von dort aus mit einem per Katapult gestarteten Marine-Jagdflugzeug Versorgungsfrachter beschützen, die in Richtung Russland unterwegs sind. McKenzie kann seine Maschine nicht wieder auf einem Schiff landen, die einzige Möglichkeit zu überleben, besteht darin, die nordrussische Hafenstadt Archangelsk zu erreichen.
Recht gut zur Geschichte, die einem mittelprächtigen Kriegsfilm als Vorlage dienen könnte, passt das grundsolide Artwork von Gary Erskine (Garth Ennis‘ Dan Dare), der bereits gemeinsam mit Chris Weston die War Story Johann’s Tiger in Szene setzte.
2020 kehrte Jamie McKenzie in Out of the Blue zurück. Garth Ennis erzählte ein weiteres Abenteuer des mittlerweile verheirateten Piloten. Als Zeichner fungierte diesmal Keith Burns, mit dem Ennis auch den klassischen britischen Comic-Piloten Johnny “Red” Redburn wiederbelebte.
War Stories bei Avatar Press
Die ersten Kriegsgeschichten von Garth Ennis erschienen zwischen 2001 und 2003 bei DC Vertigo unter dem Titel War Story. Erst 2014 ging es bei Avatar Press weiter. Für diesen Verlag hatte Ennis zuvor die Erfolgsserie Crossedgestartet, Kieron Gillen veröffentlicht bei Avatar die umstrittene Reihe Über und Alan Moore ist dort mit seinen Reihen Cinema Purgatorio oder Neonomicon vertreten.
Das Problem bei Avatar Press sind jedoch die dort tätigen Zeichner, die es nicht mit der britischen Elite aufnehmen konnte, die zuvor für War Story tätig waren. Der von Matt Martin und Keith Burns in Szene gesetzte Auftakt Castles in the Sky kann dabei noch am ehesten bei den Vertigo-Ausgaben mithalten. Das liegt aber auch daran, dass die Geschichte eines jungen US-Soldaten, der 1943 nach England abkommandiert wird, von Ennis recht sensibel mit einer Love Story verknüpft wird.
Der 19-jährige College-Boy Leonard Wesmore verlässt sein Provinzstädtchen um von Großbritannien aus mit einem Bomber nach Deutschland zu fliegen. Er lernt die Witwe Paula kennen, doch deren Sohn versucht zu verhindern, dass seine Mutter eine Beziehung zu einem US-Soldaten eingeht. Der Junge fragt sich, wo die amerikanischen Truppen waren, als sein Vater gefallen ist.
Wenig hilfreich bei den Balzversuchen sind zunächst die offiziellen “Instructions for American Servicemen in Britain“, die Leonard mit auf den Weg gegeben wurden. Doch zum Eisbrecher taugt die Broschüre schließlich doch noch.
Als Paula in jenem Leitfaden schmökert, findet sie es ziemlich amüsant, dass die US-Truppen darauf eingestimmt werden, dass die Briten sich “little about size“ kümmern und es in ganz London keinen einzigen Wolkenkratzer gibt.
Wie sich Leonard und die 10 Jahre ältere Paula langsam aber sicher näherkommen, ist ein guter – aber auch nötiger – Kontrast zu den Luftkämpfen, die mit sehr viel weniger Kunstfertigkeit in Szene gesetzt wurden, als dies zuvor David Lloyd in der War Story J for Jenny gelang.
Die restlichen sieben War Stories illustrierte alle Tomas Aira in einem sehr sterilen Stil, der oft an Amateur-Zeichnungen denken lässt und durch die halbwegs stimmige Computer-Kolorierung auch nicht wirklich gerettet wird. Children of Israel spielt 1973 in Israelin den umkämpften die Golanhöhen.
The Last German Winter beschreibt das Schicksal einer deutschen Mutter, die mit ihren beiden Kindern aus den Ostgebieten vor der anrückenden Roten Armee flüchtet und nicht sicher ist, ob sie einer kleinen Gruppe von Wehrmachtssoldaten trauen kann. Ennis gelang hier eine durchaus spannende Geschichte, die von Aira jedoch leider sehr unzureichend bebildert wurde.
Das trifft auch auf die restlichen War Stories Our Wild Geese Go, Tokyo Club, Send a Gunboat, Vampire Squadron und Flower of My Heart zu. Avatar Press veröffentlichte die War Stories jeweils als aus drei Heften bestehende Miniserien. Die ersten fünf War Stories sind anschließend auch noch in Form von zwei Sammelbänden erschienen.
Besonders albern sind die zugehörigen Good Girl Nose Art & Battle Damage Variant-Cover von Matt Martin, die selbst die schlimmsten Vertigo-Titelbilder von Terry Marks noch kunstvoll erscheinen lassen.
Aus international erfolgreichen deutschen Kinofilmen Serien zu machen liegt im Trend. Während ein ZDF-Sechsteiler Patrick Süskinds Roman Das Parfum wenig überzeugend in die Gegenwart verlegte und die neue Version von Umberto Ecos Der Name der Rose sehr viel länger aber auch langweiliger als der Klassiker mit Sean Connery geworden ist, taucht die Sky Deutschland Produktion von Das Boot durchaus was
Das hier im Vorspann erwähnt wird, dass nicht nur Motive aus Lothar Günther Buchheims Das Boot, sondern auch aus der Fortsetzung Die Festung verwendet wurden ist Quatsch. Vielmehr gelingt es der 25-Millionen-Euro-Produktion im Rahmen einer völlig neuen Geschichte recht passabel die Atmosphäre von Wolfgang Petersens Kinoerfolg von 1981 zu beschwören, wobei natürlich immer wieder kurze Auszüge aus Klaus Doldingers Soundtrack erklingen.
Doch die vom Österreicher Andreas Prochaska (Das finstere Tal) in Szene gesetzte Serie ist nur am Rand daran interessiert zu zeigen, wie die Besatzung an Bord eines U-Boots im Kriegseinsatz mit dem Wechselbad aus angespannter Langeweile und Todesangst fertig wird. Die anfangs noch realistisch geschilderte Feindfahrt entwickelt sich immer mehr zu einem wenig glaubhaften, aber teilweise spektakulär in Szene gesetzten Kriegsabenteuer, wobei die Serie nur wenig Interesse am Ausloten der Charaktere der Seeleute zeigt.
Doch zum Glück gibt es noch eine recht gut funktionierende zweite Handlungsebene, die an Land spielt. Hauptfigur (auch der ganzen Serie) ist die aus dem Elsass stammende Simone Strasser (sehr gut: Vicky Krieps), die im Herbst 1942 in La Rochelle ihren auf einem U-Boot dienenden Bruder besuchen will und als Dolmetscherin für die deutsche Marine arbeitet. Simone gerät zwischen die Fronten, denn während sich der Gestapo-Chef Forster (faszinierend Tom Wlaschiha aus Game of Thrones) für sie interessiert, engagiert sich die junge Frau immer mehr im Widerstand…
Da in der Serie auch französische, englische und US-amerikanische Charaktere eine Rolle spielen, gibt es allerlei untertitelte Sequenzen. Diese nicht immer konsequent eingesetzte Mehrsprachigkeit soll die Serie auch für ein internationales Publikum interessant machen (wobei Wolfgang Petersen dies bei Das Boot auch ohne diese Taktik schaffte). Die Rechnung ging auf und eine zweite Staffel wird folgen.