Mit seiner sensiblen Stephen-King-Verfilmung Stand By Me gelang Rob Reiner 1986 ein großer Erfolg bei Publikum und Kritikern. Bevor Reiner sein Image als Regisseur mit dem richtigen Riecher für Erfolgsfilme durch Harry und Sally oder Eine Frage der Ehre festigen konnte, verwirklichte er ein Projekt, das ihm besonders am Herzen lag.
William Goldman hatte zwar die Drehbücher zu den Klassikern Zwei Banditen, Der Marathon-Mann und Die Unbestechlichen geschrieben, aber an eine Verfilmung seines Märchen-Romans Die Braut des Prinzen (bei uns als Die Brautprinzessin veröffentlicht) traute sich niemand heran. Doch Rob Reiner wagte das zuvor für unmöglich gehaltene, und der relative Misserfolg seiner Adaption schien 1987 allen Skeptikern Recht zu geben.
Die u. a. mit Robin Wright, Peter Falk oder Billy Crystal hervorragend besetzte Mischung aus Märchen, Love Story und Parodie erreichte jedoch im Laufe der nächsten Jahrzehnte im Heimkino ein sehr großes Publikum. Für viele Zuschauer wurde Die Braut des Prinzen zum wichtigsten Film ihres Lebens, was im Rahmen einer Special Edition entsprechend gewürdigt wird.
Ohne Zweifel ist Die Braut des Prinzen liebenswert und clever, doch leider ist der Inszenierung und auch den Darstellern fast immer anzumerken, dass hier gerade etwas Liebenswertes und Cleveres produziert wird. So sehr ich Filme von Rob Reiner, wie sein geniales Frühwerk Der Volltreffer mit dem blutjungen John Cusack oder LBJ – seine 2016 entstandene Filmbiografie mit Woody Harrelson als Lyndon B. Johnson – liebe, bei Die Braut des Prinzen bin ich immer etwas außen vor geblieben…
Die Edition von Turbine Medien enthält den 98-minütigen Hauptfilm auf Blu-ray und 4K, sowie diese Extras: Zwei Audiokommentare von Rob Reiner und Autor William Goldman (wie alle Extras wahlweise mit deutschen Untertiteln); Tonspur mit Soundeffekten und der Filmmusik von Mark Knopfler; Dokus: Wahre Liebe: Das Phänomen „Die Braut des Prinzen“ (30:06 min; HD); Wie Ihr wünscht: Die Geschichte (27:19 min); Die unerzählten Geschichten (9:07 min); Die Kunst des Fechtens (7:09 min); Märchen & Folklore (9:18 min); Märchen & Die Braut des Prinzen (16:44 min); Wunderbares Make-up (11:24 min); Der grausame Pirat Roberts (11:41 min); Cary Elwes Videoaufnahmen (3:57 min); Featurette (1987, 7:48 min),; Making of (1987, 6:55 min); Kinotrailer (USA; Deutschland; International) & TV-Spots
Die fünfte Veröffentlichung der neunbändigen Collector’s Edition des Western-Klassikers Blueberry erzählt – genau wie schon zuvor der Zweiteiler Die vergessene Goldmine und Das Gespenst mit den goldenen Kugeln – von einer Schatzsuche. Die Jagd nach einem Goldschatz der konföderierten Streitkräfte zieht sich durch die zwischen 1970 und 1972 in Pilote veröffentlichten Alben Chihuahua Pearl, Der Mann, der $ 500.000 wert ist und Ballade für einen Sarg.
Bemerkenswert ist, dass innerhalb der sich zuvor eher an junge Leser richtenden Serie erstmals eine mehr als gleichberechtigte weibliche Figur auftaucht. Nach der Offizierstochter Miss Muriel in Fort Navajound der Lehrerin Miss March in Der Sheriff ist Chihuahua Pearl, die Titelheldin des 13. Albums, erst die dritte Frau, die überhaupt eine Rolle in der Serie spielt.
Wer mag, kann die gleichberechtigte Behandlung von Chihuahua Pearl auch dadurch bestätigt sehen, dass die kräftig bei der Schatzsuche mitmischende Dame von Blueberry einen Kinnharken verpasst bekommt. Ins selbe – heute, mehr als 50 Jahre später, nicht mehr denkbare – Horn stößt auch der Kommentar des Sidekicks Jimmy Mc Clure: “Das wäre nur Brutalität, wenn es eine schwache, wehrlose Frau treffen würde.“
Mit 224 Seiten ist der fünfte Band der Collector’s Edition besonders umfangreich ausgefallen und präsentiert neben den drei Comic-Alben ein besonders abwechslungsreiches Bonusmaterial.
Enthalten ist ein 17-seitiger Text von Jean-Michel-Charlier, der mit historischen Originalfotos illustriert wurde – darunter auch ein angebliches Foto des Serienhelden – und versucht eine glaubhafte Biografie von Mike Steve Blueberry zu erzählen.
Interessant ist auch der Text Blueberry oder die Kunst des Wilden Westens des Comiczeichners Dominique Bertail. Anhand von gut gewählten Bildbeispielen versucht dieser hinter das Geheimnis der Zeichenkunst von Jean Giraud alias Moebius zu kommen.
Überraschend aber auch schlüssig ist, dass Bertail Lucky Lukevon Morris als Inspiration für die ungewöhnlichen Farben bei Blueberry anführt, denn “Technisch bedingte Einschränkungen bei der Kolorierung veranlassten Morris zu eines einfachen, doch wirksamen und auffälligen Farbcodes: gelbe Silhouetten, roter Hintergrund oder rote Nahaufnahme, weißer Hintergrund, etc.“
Grundlage für Egmonts Collector’s Edition ist die in Pilote verwendete Kolorierung, doch Giraud hat bei einigen Seiten nicht nur die Farbgebung, sondern auch einzelne Panels geändert. Diese kamen in dieser Edition zum Abdruck, doch im Anhang sind auch einige Beispiele abgedruckt, die handschriftliche Anmerkungen von Giraud zur ursprünglichen Veröffentlichung in Pilote enthalten. Klar, über die Wahl des matten Papiers kann sich gestritten werden, doch ansonsten ist diese Ausgabe optimal!
1981 gelang Joe Dante mit Das Tier – The Howling ein ebenso spannender wie amüsanter Werwolf-Film mit beeindruckenden Spezialeffekten. Das hatte natürlich Folgen und die erste (sowie die zweite) von bisher immerhin sieben Fortsetzungen drehte der Australier Philippe Mora. Diesem gelang ein kleiner Coup, als er für eine der Hauptrollen Dracula Christopher Lee verpflichten konnte.
Als er 1990 bei Gremlins 2 vor der Kamera, entschuldigte sich Lee beim Regisseur Joe Dante dafür, dass er in Das Tier II mitgespielt hatte. Die Fortsetzung erhielt seinerzeit zwar fast ausschließlich miese Kritiken, hat jedoch im Laufe der Jahrzehnte eine Fangemeinde gewinnen können. Daher verwundert es nicht, dass das 1985 für kleines Geld in der Tschechoslowakei gedrehte Filmchen mittlerweile als relativ hochpreisiges MediaBook auf Blu-ray und DVD angeboten wird.
Neben der sehr guten Bildqualität wird auch ansonsten einiges geboten. Philippe Mora, sowie die Darsteller Reb Brown und Sybil Danning, erzählen im Bonusmaterial haufenweise amüsante Anekdoten von den Dreharbeiten. So wurden versehentlich Kostüme für die Filmreihe Planet der Affen nach Prag geliefert und diese wurden ebenso verzweifelt, wie vergeblich auf Werwolf getrimmt…
Sybil Danning erzählt davon, dass sie in der Rolle der Werwolf-Königin Stirba keine Probleme damit hatte, ihre nackten Brüste zu zeigen. Als jedoch eine entsprechende Szene mit ihr auch noch knapp zwanzigmal im Nachspann gezeigt wurde, fand sie das nicht mehr lustig. Passend dazu enthält das MediaBook auch noch die fast ausschließlich von Frauen produzierte Doku Scream Queen – Horror Heroines Exposed. Hierin erzählen Genre-Ikonen wie Brinke Stevens, Michelle Bauer und Linnea Quigley von ihren Erfahrungen im Horror-Genre.
Das MediaBook von Koch Media enthält neben dem 91-minütigen Hauptfilm auf DVD und Blu-ray noch diese Extras: Die 79-minütige Doku “Scream Queen – Horror Heroines Exposed“ von 2014, moderiert von Debbie Rochon („Santa Claws“, „Tromeo & Julia“); Interview-Dokus über Regisseur Philippe Mora (29:20 min wie alle Extras wahlweise mit deutschen Untertiteln); Darsteller Reb Brown (13:51 min), Sybil Danning (17:03 min), sowie den Make-Up-Künstlern Steve Johnson und Scott Wheeler (15:29 min); Ein kurzer Blick hinter den Kulissen (3:52 min); 87-minütige Vollbildfassung; Alternativer Anfang (10:34 min); Alternatives Ende (9:35 min); US-Trailer (1:02 min); Bildergalerie mit 46 Fotos und Werbematerial
Garth Ennis (Preacher) feierte zwar seine größten Erfolge im Superhelden-Genre, doch der mittlerweile in New York lebende Ire hat nie wirklich verstanden, warum auch erwachsene Menschen so begeistert von kostümierten Rächern sind. In seiner Jugend faszinierten Ennis englische Kriegs-Comics sehr viel stärker als die US-Hefte von Marvel oder DC.
Daher erzählte der erfolgreiche Autor auch immer wieder realistische Kriegsgeschichten. Dies geschah sowohl im Rahmen der Serien The Boys, Hitman oder Punisherals auch in eigenständigen Comics, wie der Reihe War Stories. Ab 2009 schrieb Ennis für Dynamite Entertainment die Kriegs-Anthologie Battlefields. Hierin wurde auch von der russischen Soldatin Anna Kharkova erzählt.
Diese kämpfte im Zweiten Weltkrieg als Pilotin einer Fliegerstaffel, die ausschließlich aus Frauen besteht. Diese gab es tatsächlich und sie wurde von den deutschen Soldaten “Nacht-Hexen“ genannt und daher trägt das erste Abenteuer von Anna Kharkova den Titel The Night Witches.
In diese Richtung geht auch die 2018 als erste Veröffentlichung von TKO Studios erschienende Miniserie Sara, die Panini in einer schönen Hardcover-Gesamtausgabe veröffentlicht. Hauptfigur ist die junge Russin Sara, die 1942 gemeinsam mit sechs anderen Frauen als treffsichere Heckenschützin vor Stalingrad gegen die übermächtige deutsche Wehrmacht ankämpft.
Doch für Sara sind nicht nur die gegnerischen Soldaten der Feind. Garth Ennis streut immer wieder Rückblenden ein, die davon erzählen, wie Stalin die Kampfkraft der Roten Armee durch perverse Säuberungsaktionen ausbremste, denen Sara Familie zum Opfer fiel.
Für den Comic spricht auch die detailreiche und realistisch anmutende Grafik von Steve Epting. Dieser entwickelte bei seiner Zusammenarbeit mit dem Autor Ed Brubaker in der Serie Captain America die auch im Marvel Cinematic Universe sehr populären Figur des Winter Soldier. Durch die interessant charakterisierten weiblichen Hauptfiguren, sowie die spannende Bild-Inszenierung Eptings wurde Sara zu einem Comic, an dem der junge Garth Ennis viel Freude gehabt hätte.
Der 22-jährige Cassius Clay wurde am 25. Februar 1964 in Miami erstmals Weltmeister im Schwergewicht. Den Abend nach diesem Boxkampf verarbeite Kemp Powers, der auch einer der Autoren des Pixar-Films Soulwar, zu einem Theaterstück. Er beschrieb darin, wie Clay die Nacht in Miami mit drei weiteren Afro-Amerikanern verbrachte, die ebenfalls dabei waren, die Vormachtstellung des weißen Mannes ins Wanken zu bringen.
Powers schrieb auch das Drehbuch zur Verfilmung von One Night in Miami und die bisher hauptsächlich als Darstellerin – etwa in HBOs Watchmen – bekannte Regina King übernahm die Regie. Ihr Film ist auf Amazon Prime zu sehen und erzählt davon, wie Clay (Eli Goree) sich mit dem Bürgerrechtler Malcolm X (Kingsley Ben-Adir), dem Sänger Sam Cooke (Leslie Odom Jr.) und Football-Star Jim Brown (Aldis Hodge) traf.
Die vier Männer waren tatsächlich befreundet, doch das Treffen inklusive der geschliffenen Dialoge hat es so nicht gegeben. In 100 Minuten erzählt der Film davon, wie Malcolm X versucht Einfluss auf die Karrieren seiner Freunde zu nehmen. Er fordert Sam Cooke auf anstellen von Schnulzen wie Wonderful World Protestlieder im Stil von Bob Dylan zu singen und dass Jim Brown seine Sportlerkarriere aufgibt, um Nebenrollen in Filmen wie Das dreckige Dutzend zu spielen, gefällt X auch nicht.
Hinzu kommt noch, dass Cassius Clay, der sich kurz darauf Muhammad Ali nennen sollte, Zweifel daran hat mit der Nation of Islam zu paktieren. Malcolm X, der den Boxer zu diesem Schritt überredet hat, hadert mittlerweile selbst mit der religiösen Organisation. Viele dieser Konflikte werden in einem engen Hotelzimmer in Form von pointierten Dialogen ausgetragen. Regina King bricht die Theaterstruktur durch aufwendig in Szene gesetzte Rückblenden auf und ihr gelingt ein Biopic über vier faszinierende Männer.
Den ersten Zuwachs seit Spider-Man: Far From Home bekam das Marvel Cinematic Universe nicht im Kino, sondern in der Online-Videothek von Disney+. Dort starteten am 15. Januar 2021 die ersten beiden Episoden der Serie WandaVision. Im Zentrum der Geschichte steht die Love Story zwischen Wanda Maximoff (Elizabeth Olson) und Vision (Paul Bettany), die drei Jahre zuvor im Getöse von Avengers: Infinity War ziemlich untergegangen war.
Der Auftakt von WandaVision war nicht unbedingt das, was der action-verwöhnte Marvel-Fan erwartet hatte. Wanda alias Scarlet Witch und der Androide Vision alias J.A.R.V.I.S. agieren zunächst als Hauptdarsteller einer scheinbar in den 60er-Jahren gedrehten Serie. Passend dazu wurden die ersten beiden Episoden von WandaVision in Schwarzweiß, im Bildformat 4:3 und mit Lachern vom Band realisiert.
Der Serien-Auftakt ist eine liebenswerte Hommage an TV-Klassiker wie Verliebt in eine Hexe oder Bezaubernde Jeannie. Doch zugleich tauchen immer wieder leicht verstörende Fremdkörper in der nur scheinbar heilen Vorstadtwelt von Wanda und Vision auf. Diese Mischung aus Mystery und Sitcom lässt sich erfreulich viel Zeit, um eine ganz eigene Welt zu präsentieren. Zugleich mangelt es nicht an gelungenen Gags und Spannung. Es bleibt spannend wohin die Reise von Wanda und Vision geht.
Nach und nach wurde aber auch eine parallele Storyline gestartet, deren Breitwand-Optik sich stärker an den Marvel-Kinofilmen orientiert. Hier wird von Differenzen zwischen Militärs und Wissenschaftlern erzählt. Dabei es zu einer Wiederbegegnung mit der etwas verhuschten Doktorandin Darcy Lewis (Kat Dennings), die genau wie in den ersten beiden Thor-Filmen für schrägen Humor sorgt.
Noch einen Spoiler gefällig? Als Wandas Bruder Pietro alias Quicksilver ist diesmal nicht, wie in Avengers: Infinity War, Aaron Taylor-Johnson (Kick-Ass) zu sehen, sondern Evan Peters, der die Figur in den X-Men-Filmen der jetzt bei Disney eingemeindeten Konkurrenz-Firma Fox spielte.
Auf dem Comic Salon 2016 in Erlangen präsentierte Sabrina Schmatz den ersten Band ihrer Reihe München 1945. Das Erstlingswerk einer bis dahin unbekannten Künstlerin (und Autorin in Personalunion) vermochte sofort Kritiker und Fans gleichermaßen zu überzeugen. Im Jahr 2017 gewann sie den ICOM Independent Comic Preis in der Kategorie “Herausragendes Artwork“ für ihre Serie.
Drei Jahre später liegt der Abschlussband der Geschichte vor: Nachkriegszeit. Wie wird die Beziehung zwischen der 21-jährigen Krankenschwester Konstanze Hofer und dem 25-jährigen amerikanischen Sanitäter Daniel Stevens enden im Jahr 1946?
Viele historische Ereignisse und moralische Fragen werden angesprochen und benannt, freilich ohne sie abschließend zu beantworten. Die Last aber, wie eine junge Deutsche aus der Nazi-Zeit und ein amerikanischer Befreier sich zusammenraufen können ist unübersehbar. Daniels Freunde etwa stellen die Frage, warum sich nicht mehr Deutsche gegen Hitler gestellt hatten.
Nur zu gut weiß Konstanze, was es bedeutete, wenn man sich offen gegen den Führer aussprach. Ihr Vater hatte es getan und nun ist er weg. Auch hatte sie Sophie Scholl beim Verteilen von Flugblättern beobachtet, die verhaftet und hingerichtet wurde.
Die junge Autorin präsentiert uns mit Konstanze Hofer eine starke, überzeugende weibliche Protagonistin, die selbstbewusst ihr Schicksal in die Hand nimmt. Entstanden ist ein überzeugender erwachsener Comic, der zeigt, dass, wenn zwei Menschen aufeinander zugehen und sich verstehen möchten, sich eine aufrichtige Liebe nach und nach entwickeln kann.
Vom Abschlussband gibt es dieses Mal zusätzlich eine limitierte Hardcover-Ausgabe mit nummeriertem Exlibris.
Norbert Elbers
Mittlerweile liegen alle sechs Bände von München 1945.vor. Der Carlsen Verlag hat – mit dem Untertitel Eine Liebesgeschichte am Ende des Krieges – eine zweibändige gebundene Gesamtausgabe gestartet.
Frau Goldgruber ist Finanzbeamtin und damit auch Kunstexpertin. Sie entscheidet, ob die Ergüsse eines Zeichners lediglich Gebrauchsgrafik (Steuersatz: 20 %) oder gar Kunst (Steuersatz: 10 %) sind. Der Wiener Zeichner Nicolas Mahler (Engelmann) kommt gut mit Frau Goldgruber klar, schon weil ihm “die muffige Atmosphäre des Finanzamts“ gefällt.
Da Mahlers Comics wie Flaschko – Der Mann in der Heizdecke irgendwie anders aussehen als die Schlümpfe oder Micky Maus und nach Frau Goldgrubers Meinung damit “eh nix zu verdienen“ ist, wird das schon „irgendwie Kunst“ sein.
Dieses Erlebnis hat Nicolas Mahler als Aufhänger für eine autobiografische Geschichtensammlung benutzt, die locker um die Themen Kunst, Comic und alltäglicher Wahnsinn kreisen. Da betätigen sich auch Zollbeamten als Kunstkritiker und fragen den einreisenden Zeichner beim Betrachten seiner in Osteuropa gedruckten Werke: “Für was ist das gut?“
Auch Mahlers Erlebnisse auf Comic-Festivals tragen nicht gerade zum Aufbau eines gesunden Selbstbewusstseins bei. So wird ihm von einem Fan bescheinigt, dass er sich nicht so bemüht und angestrengt hat wie derKolorist von Lady Death, der die “Dutteln so geil (zum) spiegeln“ bringt. Mahlers Geschichten sind meist so irrwitzig, wie es nur das alltägliche Leben sein kann. Daher ist ihm ist blind zu glauben, wenn er schreibt: “Alles ist genauso passiert!“
Kunsttheorie versus Frau Goldgruber erschien ursprünglich 2003 als Katalog für eine Ausstellung in der Galerie der Stadt Wels. Die Neuausgabe von Reprodukt wurde noch um den Anhang “Was seither geschah“ ergänzt. Hier hat Mahler u. a. ein Telefonat visualisiert, in dem er Frau Goldgruber eröffnet, dass er sie in “einem Buch verewigt“ hat. Die dann folgende “Ich weiss“-Sprechblase von Frau Goldgruber spricht Bände, denn sie hat die Form eines Grabsteins.
Doch als Suhrkamp 2001 damit begann auch die Graphic-Novel-Schiene zu bedienen, prägte zunächst fast ausschließlich der eher spartanisch zeichnende Wiener Nicholas Mahler das Programm. Dieser startete Suhrkamps Comic-Reigen mit seiner Adaption des Romans Alte Meister von Thomas Bernhard.
2014 schob Mahler noch seine Version von Bernhards Der Weltverbesserer nach, bevor er eine “unkorrekte Biografie“ seines Landsmanns zusammenstellte. Aus dem unkonventionellen Literaten macht Nicolas Mahler eine skurrile Figur mit pickeliger Nase, die Erinnerungen weckt, an seine Comic-Figuren, wie etwa die gegen die Kunsttheorie antretende Frau Goldgruber oder seinen Serienhelden Flaschko, den Mann in der Heizdecke.
So zeigt uns Mahler in einer Zeichnung wie Thomas Bernhard “allein mit einem Rucksack durch Österreich“ ging und “tatsächlich in 4 Wochen mehr Bücher als der Insel Verlag“ verkaufte. Ein Anhang des Buchs informiert über Mahlers “Fehlerquellen“ und darüber, dass Bernhard 1968 lediglich behauptet hatte, er könnte auf einer Rucksack-Reise mehr Exemplare seines Romans Verstörung verkaufen als sein Verleger.
In dieser bewusst fehlerhaften Form lässt Mahler in einer Kombination aus gelegentlich mit Sprechblasen versehenen Illustrationen und besonders knackigen Zitaten das seltsame Leben Bernhards Revue passieren. Der 1989 verstorbene Autor wäre mit Mahlers Würdigung höchstwahrscheinlich gut klargekommen, denn in Alte Meister schrieb er: “Ein großes bedeutendes Bild halten wir nur dann aus, wenn wir es zur Karikatur gemacht haben.“
Nachdem Reprodukt zuvor bereits Stups & Krümel als Megasammelband veröffentlichte, folgt jetzt die Neuauflage eines weiteren Frühwerks von Fil. Der Schöpfer von Didi & Stulleveröffentlichte Ende der 90er-Jahre unter dem Titel Always Ultra seine völlig durchgeknallten grafischen Experimente.
Diese erschienen zunächst im Berliner Stadtzeitschrift zitty und anschließend 1997 in Form von vier Heftchen bei Jochen Enterprises Comics aus einer anderen Welt.
Reprodukts Gesamtausgabe von Always Ultra enthält neben teilweise ganz schön derben Cartoons auch auch kurze, teilweise farbige Comics mit Gastauftritten von Charakteren wie dem karierten Känguru YPS, Meikel Katzengreis, dem kleinen Teufel Stinko, der langweiligen Game-Variante Öko-Tetris, dem beweglichen Männchen Playmo® oder auch den Smashing Pumpkins, die sich als Fans von Fil outen.
Präsentiert wird auch eine unter dem Titel … und jetzt mal was ganz anderes gestartet Comic-Erzählung. Diese lässt durch ihre russisch anmutenden Schauplätze und die fast schon epische Länge von mehr als 40 Seiten an die Romane von Tolstoi denken. Bemerkenswert ist neben der ständigen Umbenennung der laufenden Story, etwa in Die faule Niedritschka oder in Das Geschichtchen von der Kröte Krötjuschka auch das abrupte Ende.
Fil schreibt hier einfach “Puh, weiter schaff ich nicht diese Story zu zeichnen, ist echt anstrengend. Naja, die Grundmessage kam ja rüber, glaub ich.“ Was ja auch ein schönes Schlusswort für diese Rezi ist…