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Die Wunderwelt der Gebrüder Grimm

1952 feierte in New Yorker Broadway Theatre ein Film namens This is Cinerama seine Premiere. Formal handelte es sich um einen Dokumentarfilm, doch eigentlich ist es eher das knapp zweistündige Kino-Gegenstück zu einer perfekt umgesetzten Disneyland-Attraktion. Auf einer riesigen nach innen gewölbten Leinwand gab es Flugaufnahmen über markante US-Locations, eine Achterbahnfahrt aber auch einen Ausschnitt aus einer Aida-Inszenierung zu bestaunen.

Das Bildformat betrug 2,685:1, der Film wurde mit drei Kameras aufgenommen und im Kino von drei Projektoren auf die Leinwand projiziert. Das Resultat war erstaunlich plastisch und die Zuschauer hatten das Gefühl mittendrin im Geschehen zu sein. This is Cinerama war sehr erfolgreich und es folgten weitere Breitwand-Dokus wie Seven Wonders of the World oder Windjammer. Diese Filme entstanden außerhalb Hollywood und wurden von der Firma Cinerama Productions produziert. Cinerama ist nicht nur ein Wortspiel aus Cinema und Panorama, sondern auch ein Anagramm von American. Die Cinerama-Dokus wurden in wenigen speziell dafür gebauten Kinos (aber auch auf Tourneen mit gewaltigen Zelten) gezeigt und zu einem großen Erfolg.

Daher kam die Idee auf, im selben Format auch Spielfilme zu drehen. So entstand 1962 das mit gewaltigen Aufwand und Starbesetzung (u. a. John Wayne, James Steward, Henry Fonda oder Richard Widmark gedrehte Epos Das war der Wilde Westen. Dieser Über-Western wurde zum erfolgreichsten Film des Jahres, doch es war zugleich auch der letzte seiner Art. Die Produktionsbedingungen mit drei nebeneinander platzierten Kameras waren sehr viel komplizierter als bei herkömmlichen Filmen. Dies ärgerte Routiniers wie den Regisseur John Ford (Stagecoach, Kavallerie-Trilogie, Faustrecht der Prärie), während die Stars nicht gerade begeistert waren, dass Großaufnahmen aufgrund des irrsinnig breiten Formats nicht möglich waren. Künftige Filme, die sich mit dem Prädikat Cinemara schmückten, wie etwa Stanley Kubricks 2001 – Odyssee im Weltraum, wurden nur noch mit einer einzigen Kamera auf 70-mm-Film aufgenommen.

Doch es gibt noch einen zweiten im klassischen Cinerama-Format gedrehten Spielfilm, der sehr lange als verschollen gegolten hatte. Doch aufwändige Restaurierungsarbeiten ermöglichen es jetzt Die Wunderwelt der Gebrüder Grimm in voller Pracht zu erleben. Während auf der Blu-ray von Das war der Wilde Westen noch gelegentlich die Nahtstellen zwischen den mit drei Kamera aufgenommenen Aufnahmen zu sehen sind, strahlt der von George Pal (Die Zeitmaschine, Kampf der Welten) produzierte Film wie am ersten Tag.

Die Wunderwelt der Gebrüder Grimm erzählt in einem leicht märchenhaften Stil Episoden aus dem Leben der Titelhelden, die von Laurence Harvey und Karlheinz Böhm gespielt wurden. Der Kaisergemahl von Sissi hieß in Hollywood Karl Boehm (und in England bei Peeping Tom Carl Boehm). Dieser lose an tatsächlichen Ereignissen orientierte Teil wurde von Henry Levin (Die Reise zum Mittelpunkt der Erde) inszeniert und diente in erster Linie dazu die Schönheiten Deutschland (Rothenburg ob der Tauber, Dinkelsbühl etc.) im Stile der Cinerama-Dokus einzufangen.

Sehr viel interessanter sind die in die Handlung integrierten Märchen, die der vom Puppentrickfilm kommende gebürtige Ungar George Pal sehr fantasievoll in Szene setzte. Gewählt wurden eher unbekannte Geschichten der Gebrüder Grimm. So wurde das Märchen Die tanzende Prinzessin teilweise vor dem Hintergrund von Schloss Neuschwanstein gedreht und Jim Bakus agiert als cholerischer König wie in einem Monty-Python-Sketch.

Bei Der Schuster und die Zwerge konnte Pal seine Puppentrick-Erfahrungen einbringen und der Komponist Leigh Harline bediente sich hier zu bei einem eigenen Soundtrack Disneys Schneewittchen. Der Höhepunkt des Films ist das Märchen Der singende Knochen. Der Humor ist hier bei Terry-Thomas (Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten) als angeberischer Ritter Ludwig und bei Buddy Hackett (Ein toller Käfer) als dessen gutmütigen Knappen in den besten Händen.

Bemerkenswert ist auch der etwas tollpatschige Drache, der eine wichtige Rolle in diesem Märchen spielt. Die per Stop-Motion-Technik im Stile von Ray Harryhausen durchgeführte Animation des gar nicht so furchterregenden Ungetüms stammt von Wah Chang und Jim Danforth (Als Dinosaurier die Erde beherrschten, Der Herrscher von Cornwall). Diese – genau wie der ganze Film – immer noch sehr sehenswerte Sequenz kann jetzt auf Blu-ray in voller Pracht erlebt werden.

Als zusätzlicher Bonus ist der Film auf Blu-ray nicht nur im superbreiten Format, sondern auch im “SmileBox“-Verfahren zu sehen. Hierbei gibt es statt schwarzer Balken schwarze Bögen am Bildrand und die an den Seiten leicht verzerrten Bilder simulieren recht erfolgreich den bei einer Projektion auf eine gewölbte Leinwand entstehenden plastischen Effekt.

Die Blu-ray zu „Die Wunderwelt der Gebrüder Grimm“ (eine DVD gibt es nicht) enthält den Film, wahlweise im Breitwand oder SmileBox-Format, mit Ouvertüre, Pausenmusik und ausführlichen Nachspann in einer Länge von 140 Minuten.

Hinzu kommen die Dokus “Die wunderbare Karriere von George Pal“ (8:47 min, wie alle Extras wahlweise mit deutschen Untertiteln), “Das fantastische Artwork“ (7:00 min), Radio-Interviews mit Russ Tamblyn (5:11 min) und Yvette Mimieux (5:39 min), “Rettung eines Fantasy-Klassikers“ (40:19 min), “Zu Ehren von William R. Foreman“(1:49 min), “Ortsgedenktafel Rothenburg, Deutschland“(0:56 min), der US-Cinerama-Kinotrailer im SmileBox-Format (2:47 min), ein Cinerama-Ankündigungstrailer (4:37 min), US-Letterbox-Trailer (2:27 min), deutscher Trailer (2;24 min), eine Galerie mit 157 Werbematerialien, eine zwölfminütige Bildergalerie und ein 24-seitiges Boklet mit Texten von Stefan Jung.   

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Das war der Wilde Westen

Mit Cinerama hatte Hollywood sich ein Schaufenster geschaffen, das nur noch angemessen vollgestellt werden musste: alles groß, alles komplett“, schrieb Joe Hembus in seinem Western Lexikon. Bezüglich Das war der Wilde Westen hatte er so unrecht nicht, denn die einzelnen ultabreiten Total-Einstellungen dieses Über-Western sind – ähnlich wie Star Wars – Episode I bis III von Georges Lucas – so voll gepackt mit Bildelementen, dass sich der Zuschauer unweigerlicher nach Großaufnahmen sehnt. Diese funktionieren jedoch leider nicht in einem Bildformat von fast 3 : 1.

Hervorgegangen ist Cinerama aus einem Trainingsprogramm der US-Luftwaffe. Hierbei wurden Aufnahmen, die von elf Kameras stammten, auf eine riesige nach innen gewölbte Leinwand projizierte. Angehende Piloten konnten so einen Eindruck vom Luftkampf gewinnen und Zielübungen machen.

Hieraus entstand ein Verfahren, bei dem die Szenen mit drei nebeneinander platzierten Kameras aufgenommen wurden. In speziellen Kinos (etwa auf die 27 x 10 m große gewölbte Leinwand des Hamburger Grindel-Kinos) wurden die Aufnahmen gleichzeitig nebeneinander projiziert.

Ab 1952 entstanden auf diese Weise zahlreiche Dokumentarfilme wie This is Cinerama, Seven Wonders of the World oder Windjammer, die das Publikum – ähnlich wie später die IMAX-Kinos – mit riesigen Zurschaustellungen von abgefilmten Achterbahnfahrten oder Naturaufnahmen scheinbar mitten ins Geschehen versetzten.

Da die Breitwand-Dokus zu gewaltigen Erfolgen wurden, entstanden auch zwei Spielfilme im Cinerama-Format. Parallel zu George Pals Die Wunderwelt der Gebrüder Grimm wurde der Super-Western Das war der Wilde Westen gedreht. Bei diesem kamen nicht nur drei Kameras zum Einsatz, sondern mit George Marshall, John Ford und Henry Hathaway auch ebenso viele Regisseure.

In fast drei Stunden wurden recht geschickt nahezu alle Stars, wie John Wayne, James Steward, Henry Fonda, Gregory Peck oder Richard Widmark, und auch fast alle Klischees des Genres in den Kapiteln Der Fluss, Der Planwagen, Der Bürgerkrieg, Die Eisenbahn und Die Desperados zu einem gewaltigen Epos zusammengebastelt.

Im Fernsehen verwunderte dieser Film immer etwas durch die beiden seltsamen vertikalen Balken mitten im Bild. Doch bei der Digitalisierung für die Blu-ray-Veröffentlichung wurden diese Nahtstellen eliminiert und die prunkvoll angerichteten Breitwandbilder können ungetrübt bewundert werden.

SmileBox mit Debbie Reynolds

Als zusätzlicher Bonus ist der Film auf Blu-ray nicht nur im superbreiten Format, sondern auch im “SmileBox“-Verfahren zu sehen. Hierbei gibt es statt schwarzer Balken schwarze Bögen am Bildrand und die an den Seiten leicht verzerrten Bilder simulieren recht erfolgreich den bei einer Projektion auf eine gewölbte Leinwand entstehenden plastischen Effekt.

Extras: Audiokommentar von Filmemacher David Strohmaier sowie dem Vorstand der Cinerama, Inc. John Sittig, Filmhistoriker Rudy Behlmer, Musikhistoriker Jon Burlingame und Stuntman Loren James, ohne Untertitel,  „Cinerama Adventure“ – Dokumentation von 2002: (92:55 min, wahlweise mit deutschen Untertiteln), US-Kinotrailer (3:02 min)

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