Obwohl er aus der Traditionsserie Spirou einen echten Comic-Klassiker machte, fühlte sich André Franquin Mitte der 50er Jahre nicht mehr wohl im nur scheinbar familiären Umfeld des Verlegers Charles Dupuis. Da ihm der Nachdruck eines Spirou-Albums verschwiegen und Tantiemen vorenthalten wurden, sprach er bei der Konkurrenz vor. Raymond Leblanc, der das Magazin tintin herausbrachte, war mehr als glücklich einen der Star-Zeichner des Konkurenz-Blattes Spirou verpflichten zu können.
Für tintin kreierte Franquin die Serie Modeste et Pompon, die bei uns als Mausi und Paul (aber zuvor auch unter den Titeln Pit und Petra sowie Pitter und Petra) veröffentlicht wurden. Erzählt werden kurze Episoden aus dem Leben zweier junger Menschen, die anscheinend noch kein Paar geworden sind. Dies liegt jedoch weniger daran, dass die adrette Mausi den immer wieder in Missgeschicke geratenden Paul für zu chaotisch hält, sondern an der prüden Moral des belgischen Comics, dem in den 50er Jahren alles Zwischenmenschliche fremd zu sein schien.
Stattdessen gibt es in Mausi und Paul allerlei mehr oder weniger amüsanten Ärger mit den lieben Nachbarn, Maulwürfen, Pauls Vetter Felix und dessen drei Neffen. Die Ideen zu den Gags stammten teilweise von den späteren Star-Autoren Peyo (Die Schlümpfe), Greg (Andy Morgan) und René Goscinny (Asterix). Letzterer arbeitete seinerzeit gleichzeitig an seinem ersten Szenario zu Lucky Luke und er lieferte einige wirklich köstliche Beiträge zu Mausi und Paul.
Da Franquin sich wieder mit Dupuis versöhnte, war er er nicht allzu glücklich darüber neben seiner Arbeit für das Magazin Spirou noch zusätzlich wöchentlich eine Seite für tintin zeichnen zu müssen. Zwischen 1955 und 1959 entstanden insgesamt 183 Seiten mit Mausi und Paul, die alle in diesem Sammelband enthalten sind. Im Anschluss setzte Dino Attanasio die Serie bis 1968 fort, weitere Zeichner hielten Mausi und Paul noch bis 1988 am Leben.
Die Serie ist in der Tat arg spießig geraten, gewinnt aber durch Franquins flotten Strich. Möglicherweise wäre ohne Mausi und Paul Franquin bei längeren Comic-Geschichten geblieben und hätte nicht die ebenfalls oftmals von nicht funktionierenden Erfindungen handelnden Kurzgeschichten mit Gaston gestartet. Mögen auch manche der Gags in Mausi und Paul nicht mehr so richtig zünden, so überzeugt Carlsens gebundener Sammelband dennoch durch die umfangreichen opulent bebilderten einleitenden Texte.
Dass Brüssel die europäische Comic-Metropole ist, zeigt nicht nur eine riesige Skulptur von André Franquins Gaston, die unweit des in einem ehemaligen Kaufhaus gelegenen Comic-Museums Centre Belge de la Bande Dessinée. Auch das Musée Hergé ist nicht weit entfernt.
In der ganzen Stadt sind Fassaden zu finden, die bemalt wurden mit Comic-Figuren, hier ein alles andere als vollständiger Überblick.
Der 70. Geburtstag von Lucky Luke ist natürlich ein sehr dankbarer Anlass, um die spannende Geschichte des Cowboys, der schneller als sein Schatten zieht, zu erzählen.
Ausstellungen zum Jubiläum in Angoulême und Erlangen zeigten, was für ein dynamischer Zeichner der Belgier Maurice de Bévère (1923-2001) alias Morris war, der zu Unrecht immer etwas im Schatten seiner Kollegen André Franquin und Albert Uderzo stand. Ein Ausstellungs-Katalog, der auch bei Egmont auf Deutsch erscheint, zeigte durch vergrößerte Abbildungen, dass die Wirkung einzelner Panels von Morris der immer wieder gerne gefeierten „klaren Linie“ von Hergés „Tim und Struppi“ in nichts nachsteht.
Die durchgehend farbig und sehr schön bebilderte 64. Ausgabe der “Reddition“ beschäftigt sich in neun Artikeln mit verschiedenen Teilaspekten rund um das zeitlose Phänomen Lucky Luke. Den Auftakt bildet ein Bericht von Volker Hamann über das Frühwerk, das Morris ab 1945 für die Illustrierte “Le Moustique“ (“Die Mücke“) schuf. Hier war ein vielfältig talentierter Zeichner auf der Suche nach einem eigenen Stil. Anschließend versucht Michael Hein “Die Kunst des Maurice de Bévère“ zu beschreiben und analysiert die parodistischen Aspekte der Serie.
Wichtig ist natürlich auch René Goscinny. Peter Nover porträtiert den großen Comic-Autor, der zunächst auch als Zeichner tätig war. Morris war heilfroh als dieser ihm ab 1955 das leidige Schreiben der Geschichten abnahm und er sich dadurch voll aufs Zeichnen konzentrieren konnte. Horst Berner, der auch die Texte zu Egmonts Lucky-Luke-Gesamtausgabe beisteuert, beschäftigt sich mit der wechselhaften und kuriosen Veröffentlichungsgeschichte der Serie in Deutschland. So blieb in den deutschen Fassungen zwar der Name von Lucky Luke unangetastet, doch dessen Pferd Jolly Jumper, hieß zuvor schon einmal Rosinante oder Rosa, und der Hund Rantanplan trug zunächst den Namen Sheriff.
Da Morris seinen Cowboy eigentlich als animierte Figur geplant hatte, beschreibt Jens R. Nielsen faktenreich die Anfänge des belgischen Zeichentrickfilms. Auf die ab 1971 entstandenen Kinofilme mit Lucky Luke geht er leider nur recht kurz ein. Recht interessant ist auch Volker Hamanns Bericht über “Lucky Luke in den Niederlanden“. Wichtig ist natürlich auch der Zeichner Hervé Darmenton alias Achdé, der die Serie im klassischen Look werkgetreu weitergeführt und von Bernd Frenz porträtiert wird.
Bemerkenswert ist aber auch ein etwas anderer Lucky Luke, der gerade in einem neuen Comicalbum “erschossen“ wurde. Matthieu Bonhomme, der zuvor schon mit der von Lewis Trondheim geschriebenen Western-Serie „Texas Cowboys“ bewiesen hat, dass realistische Zeichnungen und skurriler Humor kein Widerspruch sein müssen, hat aktuell die Geschichte “Der Mann, der Lucky Luke erschoss“ veröffentlicht. Matthias Hofmann befasst sich mit diesem “alternativen“ Lucky Luke und mit einer weiteren Neuinterpretation der Serie, die Guillaume Bouzard sehr reduziert zu Papier gebracht hat.
Im Anhang dieser wieder sehr gelungen zusammengestellten “Reddition“ befindet sich noch Bibliographie von Morris, die durch ihren Umfang von 16 Seiten selbst Comic-Insider überraschen dürfte.
Eine interessante Ergänzung liefert die 46. Ausgabe der „Bastei Freunde“ in der Peter Menningen interviewt wird. Dieser hat zwischen 1993 und 1994 für den Bastei Verlag rund 375 Comicseiten mit Lucky Luke getextet, die offiziell von Morris abgesegnet waren und in Spanien gezeichnet wurden.
Im dritten Band von Carlsens chronologisch geordneter Veröffentlichung aller von André Franquin (Gaston) gezeichneten Abenteuer mit Spirou & Fantasio sind einige Comic-Geschichten enthalten, die zu den Highlights der Traditionsserie gehören.
Besonders die Geschichte Aktion Nashorn hat mich in meiner Jugendzeit schwer beeindruckt, obwohl ich sie in einer entstellten Version gelesen hatte. André Franquin zeichnete das im Original La corne de rhinocéros (Das Horn des Rhinozeros) betitelte Abenteuer von 1952 bis 1953 für das Spirou-Magazin. Die deutsche Erstveröffentlichung erfolgte erst 18 Jahre später im Taschenbuch Fix & Foxi Extra # 7. Dort las ich die Geschichte und das Duo hatte damals den deutschen Namen Pit & Pikkolo.
Wie bei den Publikationen aus dem Hause Rolf Kauka üblich, wurde hier fröhlich ummontiert und auch schon einmal Panels neugezeichnet. Doch bemerkenswerterweise kamen im Taschenbuch auch Seiten zum Abdruck, deren Druckfilme später verschollen waren und die André Franquin gemeinsam mit Vittorio Leonardo neu zeichnen musste. Der dritte Band der Spirou-Gesamtausgabe liefert diese und noch viele weitere Hintergrundinformationen. Doch wichtiger noch, ist, dass die Comics in der bestmöglichen Form zum Abdruck kommen. Daher ist es ein großes Vergnügen Aktion Nashorn noch einmal zu lesen, zumal die Geschichte ebenso überraschend wie spannend und komisch ist.
Ihren ersten Auftritt hat hier Steffani, eine Reporter-Kollegin von Fantasio. Die im Original den Namen Seccotine tragende junge Dame steht den beiden Helden in nichts nach. Sie stürzt sich gleichberechtigt ins Abenteuer, was damals im frankobelgischen Comic alles andere als üblich war. Während Spirou und Fantasio in Aktion Nashorn in den Kongo reisen, verschlägt es sie anschließend in Champignons für den Diktator nach Palumbien. Dieses fiktive südamerikanische Land ist die Heimat des Marsupilamis und das mittlerweile in den aktuellen Comics wieder zu Spirou und Fantasio zurückgekehrte Fantasie-Tier mit dem langen Schwanz ist natürlich mit von der Partie. Zum Abschluss des Bandes wird noch Der doppelte Fantasio gereicht und hier spielt – lange bevor ein Asterix-Album nach dem Radrennen benannt wurde – die Tour de France eine wichtige Rolle.
Abgerundet wird der schön aufgemachte dritte Band der Gesamtausgabe mit Hintergrundinformationen und zusätzlichen Illustrationen wie den Titelbildern des Spirou-Magazins. In dieser optimalen Form macht die Wieder- oder auch Erstbegegnung mit Spirou und seinen Freunden (und Feinden) sehr viel Spaß!