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Art Spiegelman: Küsse aus New York

Das Titelbild dieses Buches ziert ein eher naives Gemälde auf dem ein orthodoxer Jude ein junges schwarzes Mädchen küsst. Kaum zu glauben, dass dieses Bild, als es am 15. Februar 1992 (!) zum Valentinstag auf der Titelseite des Magazins The New Yorker veröffentlicht wurde, gewaltige Proteste bei der schwarzen und jüdischen US-Bevölkerung nach sich zog. Der für seinen Comic Maus mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Art Spiegelman (Breakdowns) wählte das eher herzige Motiv jedoch nicht ohne Grund, denn im New Yorker Stadtteil Crown Heights gab es damals reichlich Zoff zwischen jüdischen und schwarzen Einwohnern und das ganze gipfelte im Lynchen eines Juden.

Art Spiegelman: Küsse aus New York

Obwohl der eher snobistische New Yorker zuvor nicht gerade durch sonderlich provokante Themen aufgefallen war, versuchte Spiegelman auch danach weiterhin, im ständigen Clinch mit der Chefredakteurin Tina Brown, mit seinen Zeichnungen aufzurütteln. Doch dies gelang ihm erst so richtig wieder am 8. März 1999 mit einer Zeichnung von einem Polizisten, der in einer Jahrmarktsschießbude auf die Silhouetten von harmlosen Passanten schießt.

Art Spiegelman: Küsse aus New York

Zuvor töteten vier New Yorker Polizisten einen Einwanderer aus Westafrika mit 41 Schüssen. Doch Spiegelmans Satire ging in diesem Falle nach hinten los. Sein Titelbild diente als „Beweis“ für die Befangenheit der New Yorker Öffentlichkeit, der Prozess gegen die vier Polizisten fand daher im deutlich konservativeren Albany statt und endete mit einem Freispruch.

Art Spiegelman: Küsse aus New York

Das vorliegende Buch enthält alle Titelbilder die Spiegelman von 1992 bis 2002 (danach arbeitete er u. a. für die Zeit, siehe Im Schatten keiner Türme) für den „New Yorker“ schuf, darunter auch das nur aus zwei unterschiedlichen Schwarztönen bestehende Motiv zum 11. September. Dazu gibt es auch noch Entwürfe, abgelehnte Motive und Erläuterungen Spiegelmans.

Art Spiegelman: Küsse aus New York

Ebenfalls enthalten sind einige sehr beeindruckende Comics, die ebenfalls für den „New Yorker“ entstanden. Hierin beschäftigt Spiegelman sich mit Comickünstlern wie Charles M. Schulz (“Peanuts“) oder dem MAD-Schöpfer Harvey Kurtzman und gestaltet die Seiten in deren höchst unterschiedlichen Zeichenstilen, die Spiegelman täuschend ähnlich nachahmt obwohl er nicht viel von seinen Fähigkeiten als Zeichner hält.

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Art Spiegelman: Im Schatten keiner Türme

Lange hat es gedauert bis dieses Buch endlich auch in Deutschland erschienen ist. Dies ist besonders verwunderlich, da es doch die Wochenzeitung Die Zeit war, die Art Spiegelmans Comic-Serie Im Schatten keiner Türme weltweit zuerst veröffentlichte. Der Autor und Zeichner der einflussreichen und Pulitzer-Preis-gekrönten Comics Maus lebt mitten in New York City und musste am 11. September um seine Tochter bangen, deren Schule sich in der Nähe der Twin Towers befand.

Art Spiegelman: Im Schatten keiner Türme

Mit den patriotischen Gefühlen, die nach dem Anschlag auf das World Trade Center auch bei kritischen Geistern plötzlich aufkamen, konnte Spiegelman genauso wenig anfangen wie mit dem kurz zuvor nur eine zweifelhafte Wahl ins Amt gekommenen Präsidenten George W. Bush. Er fragte sich: “Warum mussten aus der Asche von Ground Zero diese provinziellen US-Flaggen hervorsprießen? Warum nicht ein Globus?“

Art Spiegelman: Im Schatten keiner Türme

Etwas Trost fand Spiegelman in den Tagen nach 9/11 in den alten Comic-Sonntagseiten von ebenso bunten wilden Serien wie George Herrimans Krazy Cat, Winsor McCays Little Nemo oder Bringing Up Father von George McManus. Er beschloss im Stile dieser farbenprächtigen großformatigen Comicseiten seine Eindrücke vom 11. September in unregelmäßigen Abständen zu Papier zu bringen. Diese verarbeitete Spiegelman auf zehn großformatigen prächtig illustrierten Seiten sehr vielschichtig und manchmal auch etwas pathetisch (wenn er z. B. seine Hassliebe zu New York vergleicht mit den Heimatgefühlen von Juden, die es während des Dritten Reiches lange nicht fertigbrachten Deutschland zu verlassen).

Art Spiegelman: Im Schatten keiner Türme

In Buchform wurden diese 10 Seiten geringfügig kleiner als in der Zeit hochkant auf Doppelseiten veröffentlicht. Um das Werk noch etwas anzudicken wurden kurze Texte von Spiegelman sowie ausgewählte Klassiker des Zeitungscomics beigefügt und außerdem besonders dicke Pappe verwendet. Das Cover des Buches ziert Spiegelmans aus zwei unterschiedlichen Schwarztönen bestehendes Motiv mit den Twin Towers, das schon als Cover des New Yorker für Aufsehen sorgte.

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Art Spiegelman: Breakdowns: Portrait des Künstlers als %@*!

1978 erschien erstmals Art Spiegelmans Breakdowns. Die Veröffentlichung des großformatigen Bandes, der Comics enthielt, die zuvor bereits im kurzlebigen Underground-Magazin Arcade veröffentlicht wurden, entstand unter großen Schwierigkeiten. Wie Spiegelman im Nachwort zu diesem Band erzählt sprang als Finanzier in letzter Minute ein “Verleger von erlesenen Bondage- und Pornobüchern“ ein und die Hälfte der 5000er-Auflage kamen unbrauchbar aus der Druckerpresse.

Art Spiegelman: Breakdowns: Portrait des Künstlers als %@*!

Der Band enthielt mindestens zwei Stories, die heute Klassikerstatus haben: Die 1972 entstandene dreiseitige noch sehr viel weniger reduziert gezeichnete erste Version von Spiegelmans Meisterwerk Maus und die beklemmende holzschnittartig gestaltete Story Gefangener auf dem Höllenplaneten. In dieser Geschichte, die auch in Maus enthalten ist, versucht Spiegelmann den Selbstmord seiner Mutter zu verarbeiten und stellte sich selbst als einsamer Sträfling dar, der nicht weiß warum er allein gelassen wurde. Auch die restlichen Beiträge aus Breakdowns, u. a. Reflektionen über das Wesen des Witzes oder Farbspiele mit Rasterfolien, sind hochinteressante Experimentalcomics.

Art Spiegelman: Breakdowns: Portrait des Künstlers als %@*!

Dennoch war das Buch kein Erfolg (erschien aber bereits 1980 in einer deutschen Übersetzung), stachelte Spiegelman jedoch dazu an es in Maus zur Abwechslung einmal mit einer epischen und nachvollziehbaren Erzählstruktur zu versuchen. Die Neuauflage von Breakdowns enthält nicht nur einen kompletten Reprint des Buchs von 1978, sondern auch noch die aktuelle Geschichte Portrait des Künstlers als %@*!. Hier ist Spiegelman (auto)biographisch wie in Maus aber zugleich auch experimentell wie in seiner wilden Phase. Er erzählt von Tod, Selbstmord und Holocaust, zugleich aber auch sehr humorvoll von seiner seit frühster Jugend andauernden Liebe zu den Comics.

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Art Spiegelman: MetaMaus

Art Spiegelman erzählt in seinem 1992 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Comic Maus in Form einer Tierfabel wie sein Vater Wladek den Holocaust überlebte. In einem kurzen Comic, der auf auf den ersten Seiten dieses Buches abgedruckt ist, beklagt Spiegelman sich darüber dass Journalisten auch 25 Jahre nach Erscheinen des Werkes immer noch die gleichen Fragen an ihn richten: Warum Comics? Warum Mäuse? Warum der Holocaust? In MetaMaus versucht Spiegelman in Form eines Interviews, das er mit Hillary Chute führte, diese Fragen möglichst ausführlich zu beantworten, um in Zukunft Ruhe zu haben.

Art Spiegelman: MetaMaus

Doch Spiegelman liefert noch sehr viel mehr und erzählt zum Beispiel, dass er Maus in zwei Teilen veröffentlichte, damit das Werk noch vor dem Kinostart von Feivel der Mauswanderer erschien. Spiegelman wirft Steven Spielberg, den Produzenten dieses Zeichentrickfilms vor, seine Idee geklaut und weichgespült zu haben. Spiegelman beschreibt auch, wie unterschiedlich Maus international aufgenommen wurde. Er legt Wert darauf, dass der Comic exakt in der Größe seiner Originalzeichnungen veröffentlicht wird, um wie ein Tagebuch zu wirken. Die einzige Ausnahme ist Japan, hier wurde Maus in einem größeren Format (“fast Magazingröße“) herausgegeben, da die Seiten “verglichen mit Mangas so mit Informationen gefüllt sind, dass Japaner zum Lesen eine Brechstange bräuchten.“

Art Spiegelman: MetaMaus

In Israel hingegen durfte die Comicfigur Wladek Spiegelman nicht “gebrochen hebräisch“ sprechen. Um zu verhindern, dass der Nachfahre eines Holocaust-Überlebenden eine Klage einreicht, musste Spiegelman in der israelischen Ausgabe einer Figur in seinen Zeichnungen einen “weichen Hut“ statt einer Polizeimütze aufsetzen. Durch Wladeks in diesem Detail getrübten Erinnerungsvermögen hätte diese Person ansonsten wie ein Komplize der Nazis gewirkt.

Art Spiegelman: MetaMaus

In Deutschland hingegen wollte bereits Zweitausendeins den Comic herausbringen, lange bevor sich ein amerikanischer Verleger dafür interessierte. Doch ein ansonsten renommierter Übersetzer hatte die “grandiose“ Idee Wladek Spiegelman nicht mit einem jüdisch gefärbten Deutsch sondern “wie ein hipper Berliner“ sprechen zu lassen. Spiegelman kaufte daraufhin die Rechte zurück und wurde sich mit Rowohlt einig. Dem dort in der Verlagsleitung tätigen Michael Naumann gelang es eine Sondererlaubnis zu bekommen, um – wie weltweit überall – auf dem Cover von Maus ein Hakenkreuz abbilden zu dürfen (was ansonsten nur bei Werken der “seriösen Geschichtsschreibung“ gestattet ist). Mittlerweile haben die meisten Werke Spiegelmans wie etwa Breakdowns: Portrait des Künstlers als %@*! bei Fischer ihre verlegerische Heimat gefunden.

Art Spiegelman: MetaMaus
Im Anhang des reich und interessant bebilderten Buchs befinden sich Teile des Interviews, das Art Spiegelman 1972 mit seinem Vater Wladek führte. Eine längere Version des Textes und weitere Interviews befinden in der unübersetzten Originalfassung auf einer DVD, die dem Buch beiliegt. Hier kann auch der vollständige Comic Maus in deutscher Übersetzung mit Direktzugriff zu Tondokumenten und Entwurfszeichnungen gelesen werden. Umfassender kann die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte eines Comicmeilensteins nicht dokumentiert werden.

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Art Spiegelman: Maus

In Form einer Tierfabel (Juden = Mäuse, Deutsche = Katzen, Polen = Schweine) schilderte Art Spiegelman (Küsse aus New York, Breakdowns, Im Schatten keiner Türme) die Leidensgeschichte seines Vaters Wladek, der als polnischer Jude nach Auschwitz verschleppt wurde und das Grauen überlebte. Maus erschien zunächst 1980 bis 1991 als Fortsetzungsgeschichte im Avantgardemagazin Raw und dokumentiert in jedem Kapitel zugleich auch eine äußerst komplizierte Vater-Sohn-Beziehung.

Art Spiegelman: MausSpiegelman besuchte seinem Vater regelmäßig, um mit diesem über seine Vergangenheit zu sprechen. Dabei wurde er beständig mit Vorwürfen und seltsamen Marotten konfrontiert (recht passend betitelte er den ersten Teil auch mit Mein Vater kotzt Geschichte aus). Doch gerade diese detaillierte Schilderung seines nicht eben sehr umgänglichen und äußerst komplizierten Charakters machen Wladek – auch als sehr schlicht gezeichnete Comicmaus – zu einem äußerst komplexen Wesen, dessen Leidensweg anrührt.

Art Spiegelman: Maus

Spiegelman gelang es durch seine klaren schwarzweißen Bilder und die jederzeit spürbare Wahrhaftigkeit der geschilderten Ereignisse den Leser zumindest ahnen zu lassen wie der Holocaust stattgefunden hat. Maus erhielt 1992 den Pulitzerpreis. Nachdem die zweibändige deutsche Ausgabe von Rowohlt schon lange vergriffen ist, brachte der Fischer Verlag eine Gesamtausgabe heraus und sorgt dafür, dass diese grandiose Comicerzählung endlich wieder lieferbar ist.

Art Spiegelman: Maus

Im sehr empfehlenswerten Buch MetaMaus dokumentiert Spiegelman umfassend die Entstehungsgeschichte von Maus.

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Vertraute Fremde

Als er von einer Geschäftsreise zurückkehrt steigt der Comiczeichner und Familienvater Thomas scheinbar zufällig in den falschen Zug und landet in einem Dorf in den französischen Bergen. Hierbei handelt es sich um seinen Geburtsort. Thomas sucht dort erstmals seit Jahren wieder das Grab seiner Mutter auf und fällt in Ohnmacht. Als er wieder erwacht, ist er plötzlich 14 Jahre alt und befindet sich plötzlich in den 60er Jahren. Er trifft auf seine Mutter und seinen Vater, der kurz darauf die Familie verlassen hat. Thomas setzt alles daran dies zu verhindern…

Vertraute Fremde

Als erster japanischer Comic überhaupt wurde Jiro Taniguchis Vertraute Fremde 2003 auf dem französischen Comicfestival in Angoulême mit dem Preis für das beste Szenario ausgezeichnet. Noch erstaunlicher ist jedoch, dass sechs Jahre später der belgische Regisseur Sam Garbarski (Irina Palm) den Manga mit Alexandra Maria Lara in einer der Hauptrollen verfilmte und die Handlung nach Frankreich verlegte.

Jiro Taniguchi: Vertraute Fremde

Außerdem machte der Film aus der Hauptfigur, die in Taniguchis Manga Architekt war, auch noch einen Comiczeichner und heuerte den populären Comickünstler Frank Pé (Jonas Valentin, Zoo) an um hierfür das nötige Artwork anzufertigen. Außerdem hatte Jiro Taniguchi noch einen Gastauftritt in Garbarskis Film.

Vertraute Fremde
Das Resultat ist jedoch weniger das Wunschprojekt eines Comic-Nerds, sondern transportiert ebenso kompakt wie sensibel Inhalt und Grundaussage von Taniguchis Manga. Auch vor europäischen Hintergrund funktioniert die Geschichte vom Mann, der noch einmal seine Jugend durchlebt, und vom Vater, der das Recht auf ein zweites Leben einfordert.

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Jiro Taniguchi: Der geheime Garten vom Nakano Broadway

Obwohl Jiro Taniguchi (Vertraute Fremde, Die Sicht der Dinge) diesem Comic nicht getextet hat, sind die kurzen Geschichten maßgeschneidert für den akribischen Chronisten des japanischen Alltags. Auf der Basis eigener Beobachtungen erzählt der Autor Masayuki Kusumi, der mit Taniguchi auch bei Der Gourmet: Von der Kunst allein zu genießen zusammenarbeitete, vom leitenden Angestellten Uenohara, der immer wieder vom rechten (Spazier-)Weg abkommt und dabei kuriose Entdeckungen macht.

Jiro Taniguchi: Der geheime Garten vom Nakano Broadway

Die Geschichte des “geheimen Garten vom Nakano Broadway“ ist seltsamerweise in diesem Band nicht in Comicform vorzufinden, sondern wird von Masayuki Kusumi im umfangreichen Nachwort erzählt. Hier erklärt dieser auch die Hintergründe zu seinen acht Short Storys, die für ein Magazin konzipiert wurden, das hauptsächlich von Hausfrauen gelesen wird. Doch die Geschichten haben einen universellen Charme und laden dazu ein, ausgetretene Pfade zu verlassen und sich auf Entdeckungsreise zu begeben. Vielleicht findet der Leser ja auch etwas ähnlich Kurioses wie den Nachbau einer Edison-Glühbirne, in deren schwachen Licht manches (wie etwa die eigene Ehefrau) neu zu erstrahlen beginnt.

Jiro Taniguchi: Der geheime Garten vom Nakano Broadway

Ein wenig erinnert dies Konzept an Taniguchis Comic Der spazierende Mann, den Carlsen in einer um Farbseiten ergänzten Ausgabe neu herausgebracht hat. Auf den ersten Innenseiten von Der geheime Garten vom Nakano Broadway ist ein wunderschönes Aquarellgemälde von Taniguchi abgebildet, das zeigt wie gut aber auch wie lässig dieser mit Farben umgehen kann und es ist ein bisschen schade, dass seine Comics fast nur aus schwarzweißen Seiten bestehen.

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Jiro Taniguchi: Sky Hawk

Wer Jiro Taniguchi nach Meisterwerken wie Von der Natur des Menschen, Die Sicht der Dinge oder dem auch verfilmten Manga Vertraute Fremde für einen Erzähler hält, der sich hauptsächlich für die inhaltlich und zeichnerisch akribische Wiedergabe von japanischen Alltagswelten interessiert, sollte sich nicht nur dessen Veröffentlichungen bei Carlsen anschauen. Schreiber & Leser brachte einige Werke von Taniguchi wie Die Stadt und das Mädchen, Der Wanderer im Eis oder Der Gipfel der Götter heraus, die eher dem Abenteurer-Genre zuzurechnen sind.

Jiro Taniguchi: Sky Hawk

In diese Richtung geht auch Sky Hawk, denn hierbei handelt es sich um einen klassischen Western. Passend hierzu stammt auch das Vorwort des Buches von Jean “Moebius“ Giraud (Blueberry). Dieser attestiert Taniguchi, dass er der einzige Mangaka ist, “der in der Lage ist, die speziellen Voraussetzungen eines Western zu verstehen“ und das so gut, dass “Hollywood gar nicht mehr gebraucht wird“. Taniguchi gibt in seinem Nachwort zu, dass er “wichtige Anregungen“ von Western-Serien wie Mac Coy, Blueberry, Comanche, Jonathan Cartland oder Buddy Longway empfangen hat, ohne die er “mit Sicherheit diesen Western nicht gezeichnet hätte.“

Jiro Taniguchi: Sky Hawk

Doch auf eine seltsame Weise wirkt Taniguchis Western-Ansatz auch ganz schön “deutsch“. Während in “Frankobelgien“ fast immer US-Amerikaner die Comichelden sind, schickt Taniguchi zwei Samurais in den Wilden Westen. Diese sind genau wie Karl Mays sächsischer Old Shatterhand die besseren Westmänner, da sie sich mit den Indianern anfreunden und diese nicht wie die bösen Weißen ausrotten wollen. Ähnlich wie in einem ostdeutschen DEFA-Indianerfilm sind nahezu alle innerhalb der Geschichte auftretenden US-Amerikaner abgrundtief böse und hinterhältig.

Jiro Taniguchi: Sky Hawk

Doch Klischees gehören schließlich zum Western und auch daher ist Sky Hawk eine sehr spannende und interessante Variation altbekannter Motive.

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Jiro Taniguchi: Ein Zoo im Winter

Fast erscheint es schon gar keine neue Nachricht mehr zu sein, doch trotzdem sollte es wieder gesagt werden: Auch mit diesem Band erweist sich Jiro Taniguchi (Vertraute Fremde, Die Sicht der Dinge) als meisterlicher Beschreiber von (nur scheinbar unscheinbaren) alltäglichen Situationen. Obwohl Carlsen auf dem Cover von “Ein Zoo im Winter“ das (Güte-?) Siegel “Graphic Novel“ platzierte und den Band in westlicher Leserichtung veröffentlich, dürfte gerade dieser Band auch für Manga-Fans besonders interessant sein.

Jiro Taniguchi: Ein Zoo im Winter

Basierend auf eigenen Erfahrungen erzählt Taniguchi in sieben in sich abgeschlossenen Kapiteln wie der Manga im Japan der Sechziger Jahre immer populärer wurde. Hauptfigur ist der 18-jährige Hamaguchi, der – nachdem er in einem Zeichenstudio aushelfen konnte – seinen ungeliebten Job in einem Textilunternehmen kündigt, dort musste er sich die Unterkunft im Firmengebäude auch noch mit drei Kollegen teilen. Wohnungstechnisch sieht es in Tokio auch nicht unbedingt besser aus, denn wenn Hamaguchi inmitten der chaotischen Manga-Produktion überhaupt Zeit zum Schlafen findet, übernachtet er häufig im Atelier.

Jiro Taniguchi: Ein Zoo im Winter

Taniguchi vermittelt in Ein Zoo im Winter sehr gut die chaotischen Produktionsmethoden im Manga-Bereich und die Sehnsucht der im Schatten des Meisters stehenden Assistenzzeichnern nach eigenen Serien. Die Liebesgeschichte zwischen Hamaguchi und einem kranken Mädchen mag (zumindest für “Taniguchi-Verhältnisse“) etwas arg kitschig geraten sein. Meisterlich ist hingegen geschildert wie Hamaguchis scheinbar spießiger älterer Bruder nach einem Besuch im Manga-Studio merklich auftaut und leicht neidisch zugibt selbst einmal künstlerische Ambitionen gehabt zu haben.

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Jiro Taniguchi: Bis in den Himmel

Auf den nächtlichen Straßen Tokios kommt es zu einem schweren Verkehrunfall. Der 17-jährige Motorradfahrer Takuya stößt mit dem PKW des überarbeiteten 42-jährigen Familienvaters Kazuhiro zusammen. Drei Wochen später erwacht Kazuhiro aus dem Koma und stellt fest, dass er sich im Körper des jungen Mannes befindet, während er bzw. (sein Körper) an den Folgen des Unfalls gestorben ist. Zwei Seelen wohnen nun in Kazuhiros Kopf…

Jiro Taniguchi: Bis in den Himmel

Im Gegensatz zum sich daheim immer muffelig gebenden Takuya ist Kazuhiro völlig begeistert von dessen Vater, Mutter und Schwester. Zugleich wird ihm bewusst wie stark er seine eigene kleine Familie zugunsten des Arbeitgebers vernachlässigt hat. Hier schimmert etwas sanfte Kritik an der japanischen Leistungsgesellschaft durch. Doch sehr viel stärker interessiert ist Taniguchi an der sensiblen und in detailreichen Bildern dargebotenen Schilderung von Alltäglichkeiten, die aus einem neuen Blickwinkel plötzlich ganz anders wirken.

Jiro Taniguchi: Bis in den Himmel

Wie schon in Vertraute Fremde setzt Jiro Taniguchi auch in Bis in den Himmel einen Fantasy-Aufhänger ein. Doch ansonsten zeigt er sich sehr viel stärker an der Realität als an Phantastik oder dem Reflektieren über die Möglichkeit eines Lebens nach dem Tode interessiert. Sehr viel wichtiger ist für Taniguchi das Leben vor dem Tode.

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