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Barbara Yelin: Emmie Arbel

Bereits der 2022 erschienene Band Aber ich lebe – Vier Kinder überleben den Holocaust enthält einen 37-seitigen Comic von Barbara Yelin über Emmie Abel. Diese wurde 1942 zusammen mit ihrer jüdischen Familie aus den Niederlanden deportiert. Im Gegensatz zu ihren Eltern und Großeltern überlebte sie die Konzentrationslager Ravensbrück und Bergen-Belsen.

Barbara Yelin zeigt wie die achtjährige Emmie 1945 kurz nach der Befreiung miterleben muss, wie ihre Mutter stirbt. Die Comickünstlerin arbeitete für ihren Comic eng mit Emmie Arbel zusammen und erzählt auch davon, wie diese noch heute darüber nachdenkt, ob ihre Mutter vielleicht überlebt hätte, wenn sie ihrer Tochter nicht ihr Essen gegeben hätte.

Emmie Arbel war zunächst skeptisch, ob eine Graphic Novel das richtige Medium wäre, um ihre Erlebnisse zu erzählen. Doch als sie das Resultat sah, war sie – genau wie Barbara Yelin – der Meinung, dass knapp 40 Seiten bei weitem nicht ausreichen, um ihren Erinnerungen gerecht zu werden.

Daher entstand mit Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung ein 160-seitiger Comic, der sich auch äußerst intensiv damit beschäftigt, dass die Befreiung aus dem KZ kein Happy End war, weil danach das Leiden nicht aufhörte. Auf Emmie Arbels ausdrücklichen Wunsch hin thematisiert Barbara Yelin im Comic auch, dass die knapp zehnjährige Holocaust-Überlebende von dem Vater ihrer niederländischen Pflegefamilie ein Jahr lang fast jeden Tag sexuell missbraucht wurde.

Trotz der Einblicke in schreckliche Finsternisse ist der Comic kein durchgehend trauriges Buch. Barbara Yelin erzählt auch davon, wie Emmie Arbel nachdem sie nach Israel immigrierte – trotz zahlreicher Widerstände – ihren eigenen Weg ging und heute viel Zeit mit ihren Töchtern und ihrem Enkel im Garten ihres Hauses in der Nähe von Haifa verbringt.  

Mit Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung gelang Barbara Yelin eine Graphic Novel, die sich durch die wohlüberlegte kunstvolle Visualisierung und die menschliche Nähe, die die Autorin zur Hauptfigur aufbaut, ebenso intensiv wie Art Spiegelmans Klassiker Maus mit dem Schicksal von Holocaust-Überlebenden beschäftigt.

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Stadt aus Glas

Im  Vorwort zu diesem Buch schreibt Art Spiegelman, dass er Stadt aus Glas angeschoben hat, weil er es ihm nicht gefiel seine “Graphic Novel“ (Spiegelman hasst diese Bezeichnung) Maus in den Buchhandlungen “umgeben von Fantasy- und Rollenspiel-Handbüchern“ zu sehen. Daher sprach er Schriftsteller an und bat sie Comic-Szenarios zu verfassen. Das fruchtete nicht so recht, doch immerhin gab Paul Auster 1994 eines seiner Werke für eine Comic-Adaption frei.

Stadt aus Glas

Stadt aus Glas ist der erste Band von Austers New York Trilogie und erzählt teilweise im Stil eines Krimis von einem Mann namens Daniel Quinn, der unter dem Pseudonym William Wilson Romane über einen Detektiv namens Max Work schrieb und sich zunehmend mit seiner literarischen Schöpfung identifiziert.

Stadt aus Glas

Quinn gibt sich aber auch noch als Paul Auster aus und wird als dieser beauftragt einen alten Mann zu observieren, der gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde. Dabei kommt er scheinbar einem äußerst verzwickten Rätsel auf die Spur und trifft auch noch den richtigen Paul Auster. Quinn observiert so intensiv, dass er für tot erklärt wird, seine Wohnung einbüßt und schließlich ganz verschwindet.

Stadt aus Glas

Gemeinsam mit Paul Karasik adaptierte David Mazzucchelli Austers Roman. Mazzucchelli war zuvor mit dem von Frank Miller getexteten Comic Batman: Year One, der auch die Grundlage des Films Batman Begins war, zu einigem Ruhm gekommen. Mazzucchelli setzt die Geschichte in klare und schlichte Zeichnungen um, wobei teilweise recht interessant (aber auf die Dauer etwas ermüdend) mit den Stilmitteln des Mediums Comic gespielt wird.

Stadt aus Glas

Das Resultat überzeugt stärker in einzelnen Momenten als im großen Ganzen. “Stadt aus Glas“ ist eher ein Experiment als ein gelungenes Experiment, aber immerhin war Paul Auster mit der Comicadaption vollauf zufrieden.

Stadt aus Glas

Nach einer Erstausgabe bei Rowohlt liegt der Comic jetzt bei Reprodukt vor. Stadt aus Glas erschien 2013 auch als gebundene Ausgabe in der Reihe Süddeutsche Zeitung Bibliothek – Graphic Novels.

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Süddeutsche Zeitung Bibliothek – Graphic Novels I

Sechs Jahre nach dem Erscheinen der 12-bändigen Bild-Comic-Bibliothek und der 20-bändigen Reihe Klassiker der Comic-Literatur – Ausgewählt vom F. A. Z. – Feuilleton versuchte sich 2011 eine weitere Zeitung am Verlegen einer Comic Edition. Die Süddeutsche Zeitung meidet jedoch das vermeintlich infantil belegte Wort “Comic“ und verlegt unter dem Motto “Literatur trifft Illustration“ zehn “Graphic Novels ausgezeichneter Autoren“.

Will Eisner: Ein Vertrag mit Gott - Miethausgeschichten

Die Hardcoverbände haben ein einheitliches Format von 17 x 25 cm und sind mit Lesebändchen und fundierten Vorworten sehr ansprechend aufgemacht. Auch die Auswahl der Titel ist – abgesehen von einem ganz schön peinlichen Ausreißer (siehe unten) – recht gelungen.

Will Eisner: Ein Vertrag mit Gott - MiethausgeschichtenZwar konnte Art Spiegelman nicht davon überzeugt werden, sein mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnetes Meisterwerk Maus für die Reihe zur Verfügung zu stellen. Doch mit Ein Vertrag mit Gott von Will Eisner wurde dennoch der optimale Titel gefunden, um die Reihe zu eröffnen. Dieser Comic gilt als die erste Graphic Novel, doch eigentlich handelt es sich nicht um einen “gezeichneten Roman“, sondern um eine lose durch die Örtlichkeit – ein Mietshaus in New York – zusammenhängende Sammlung von vier Kurzgeschichten.

Will Eisner: Ein Vertrag mit Gott

Die Titelstory handelt von einem frommen Mann, der nach dem Tode seiner Tochter seinen Glauben verliert und zum rücksichtslosen Geschäftsmann wird. Außerdem geht es um einen talentierten Straßensänger, der kurz vor dem großen Durchbruch viel (nicht ganz unverdientes) Pech hat und von einem unangenehmen Hausmeister, dem so übel mitgespielt wird, dass er dem Leser am Ende leid tut. Krönender Abschluss ist die Schilderung der Landpartie einiger New Yorker. Mit großem Ensemble erzählt Eisner äußerst souverän und sehr freizügig vom Streben nach Glück und Liebe.

Persepolis - Eine Kindheit im Iran

Mit Persepolis gelang Marjane Satrapi sowohl ein Comic über die persische Geschichte als auch die nachfühlbare Schilderung einer Kindheit und Jugend in einer instabilen und bedrohlichen Umwelt.  Satrapi schildert sie und ihre Verwandten vor, während und nach der Revolution unter den wechselnden Regimen zu leiden hatten.

Persepolis - Eine Kindheit im Iran

Satrapis Familie und Freundeskreis wirken dabei nicht wie Gestalten aus Tausendundeine Nacht, sondern sehr vertraut. Persepolis ist ein in einfachen und klaren Illustrationen erzählter Comic, der unter der Leitung von Satrapi verfilmt wurde und dazu beiträgt, Vorurteile abzubauen.

Mit Gift startete 2010 die beachtliche Karriere der Zeichnerin und Autorin Barbara Yelin (Irmina). Der Comic entstand nach einem Szenario von Peer Meter (Haarmann) und handelt  von Gesche Gottfried. Diese hat 831 gestanden, fünfzehn Menschen (darunter ihre Eltern, Kinder und Ehemänner) mit “Mäusebutter“ (einem Gemisch aus Schmalz und Arsen) vergiftet zu haben. Gottfried wurde 1831 in Bremen öffentlich hingerichtet.

Süddeutsche Zeitung Bibliothek - Graphic Novels I

In der gesichtslosen chinesischen Metropole Shenzhen überwachte Guy Delisle eine Trickfilmproduktion. Abgesehen von Arbeit und langweiligen Nächten im Hotel hat Delisle eigentlich eher weniger erlebt. Die ihm unterstellten chinesischen Animatoren lernt er kaum näher kennen und die Stadt schildert er als trostlos. Delisles Comic-Reportage Shenzhen ist eine Art Ouvertüre zu seinem deutlich vielschichtigeren und sehr viel souveräner zu Papier gebrachten Comic Pjöngjang, in dem er seine skurrilen Erlebnisse in der nordkoreanischen Hauptstadt schildert.

Süddeutsche Zeitung Bibliothek - Graphic Novels I

Mit Palästina enthält auch der fünfte Band der SZ-Reihe eine Comic-Reportage. Im Winter 1991 war Joe Sacco für zwei Monate in den besetzten Gebieten Palästinas. Seine Eindrücke brachte er in einem kräftigen an Underground-Comics erinnernden Zeichenstil zu Papier.

Joe Sacco: Palästina

Im Schlusskapitel erzählt Sacco von drei israelischen Soldaten, die einen palästinensischen Jungen verhören und dabei im Regen stehen lassen, während sie trocken unter einem Vordach stehen. Mit dieser Schilderung dieser selbst vor Ort erlebten leider alltäglichen Situation gelingt Sacco ein eindringliches Gleichnis auf die immer noch verfahrene Situation in Palästina. Sacco schlussfolgert, dass der Junge bestimmt nicht denken wird: „Eines Tages werden wir eine bessere Welt haben, und diese Soldaten und ich, wir werden uns als Nachbarn grüßen.“

Alison Bechdel: Fun Home - Eine Familie von Gezeichneten

Wie sehr viele Graphic Novels ist auch Alison Bechdels Fun Home: Eine Familie von Gezeichneten eine autobiographische Erzählung. In ihrem preisgekrönten Comic erzählt Bechdel sehr sensibel von einem doppelten Coming Out mit tragischen Konsequenzen. Kurz nachdem sich sie ihren Eltern gegenüber als lesbisch outete, stahl ihr Vater ihr die Show. Er gestand homosexuell zu sein und starb kurz darauf unter Umständen, die auf Selbstmord schließen lassen…

Vertraute Fremde

Ein Comic von Jiro Taniguchi darf in dieser Edition nicht fehlen. Sein Manga Vertraute Fremde wurde als erster japanischer Comic 2003 auf dem Festival in Angoulême prämiert und auch verfilmt. Der Comic erzählt vom Architekt Hiroshi Nakahara, der nach langer Zeit wieder das Grab seiner Mutter besucht und dort er in Ohnmacht fällt. Als er erwacht, ist er plötzlich 14 Jahre alt und befindet sich im Jahre 1963. Diesen science-fiction-artigen Aufhänger verarbeitet Taniguchi in detailfreudigen Bildern zu einer sensiblen Familiengeschichte vor dem Hintergrund des langsam zu Wohlstand kommenden Nachkriegsjapans.

Jacques Tardi: Blei in den Knochen

Bei Blei in den Knochen handelt es um den dritten von fünf Comics, in denen Jacques Tardi Geschichten mit dem von Léo Mallet erfundenen Privatdetektiv Nestor Burma erzählt. Doch während es sich bei den übrigen Werken –  wie etwa 120, Rue de la Gare – um Adaptionen von Mallets Romanen handelt, stammt bei Blei in den Knochen auch die Geschichte von Tardi. Diese spielt 1957 in Paris und konfrontiert Nestor Burma mit dem Tod einer Frau und einem düsteren Kapitel aus dem besetzten Frankreich des Zweiten Weltkriegs. Die Graphic-Novel-Etikettierung passt  nur bedingt zu diesem Comicalbum , doch Tardis hier sogar farbigen, lässigen und äußerst atmosphärischen Zeichnungen kommen auch in der etwas kleinformatigeren SZ-Ausgabe sehr gut zur Geltung.

Cash – I see a Darkness

Cash – I see a Darkness ist der beeindruckende Auftakt von Reinhart Kleists Reihe mit Comic-Biografien über Musiker, die er mit Werken zu Elvis, Nick Cave und David Bowie fortsetzte. Dabei erzählt Kleist nicht nur markante Situationen aus dem daran nicht eben armen Leben von Johnny Cash, sondern setzt auch einige Songs wie I shot a Man in Reno just to watch him die oder A Boy named Sue sehr stimmungsvoll als Shortstories um. Dieser Band ist übrigens der einzige dieser SZ-Edition, der ein komplett anderes Cover als die reguläre Ausgabe des Comics hat.

Waltz with Bashir

Der zehnte Band der SZ-Reihe ist ein Ausrutscher, denn es handelt sich nicht um eine von engagierten Künstlern geschaffene Graphic Novel, sondern lediglich um einen aus Filmbildern montierten Fotocomic zu Ari Folmans eher formal als inhaltlich überzeugenden Trickfilm Waltz with Bashir.

Süddeutsche Zeitung Bibliothek – Graphic Novels II

Ganz im Gegensatz zu den Comic-Editionen von BILD und FAZ verkaufte sich die SZ-Comic-Bibliothek so gut, dass sie bereits ein Jahr fortgeführt wurde. Als 2012 die Süddeutsche Zeitung Bibliothek – Graphic Novels II  erschien, wurden nicht alle zehn Bände gleichzeitig angeboten. Zunächst wurden fünf Titel veröffentlicht, die mit 17 x 25 cm das selbe Format wie die Comics der ersten Edition hatten und die restlichen Graphic Novel wurden einen Monat später im größeren Format von 22 x 30 cm veröffentlicht.

Süddeutsche Zeitung Bibliothek – Graphic Novels 3

Auch die Verkaufszahlungen der zweite Comic-Edition der SZ  waren wieder so erfreulich, dass ein Jahr später die Süddeutsche Zeitung Bibliothek – Graphic Novels III folgte, diesmal aber nur aus acht Bänden bestand. Die Auswahl war durchwachsener als bei den vorherigen Editionen. Es waren mit From Hell, Stadt aus Glas und Die Sache mit Sorge lediglich drei wirklich gute Graphic Novels und mit  Vallat und Scarface zwei sehr schwache Comics enthalten. Dass mit „Verbrechen“ also „Crime“ ein gemeinsames Thema gewählt wurde, war keine gute Idee, denn gute Graphic Novels lassen sich nur selten einem Genre zuordnen. Wie dem auch sein, bis heute wurde die Süddeutsche Zeitung Bibliothek – Graphic Novels leider nicht fortgeführt.

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Carl Barks – Calgary Eye Opener

“Am meisten öffnet einem die Augen – wenn einem nicht das Blut gefriert – wie beiläufig der Sexismus und Rassismus dieser Cartoons ist. (…) Barks‘ hakennasige Juden, unbeholfene Ministrel-Schwarze, tuntige Schwule und dümmliche Flittchen bieten einem das ganze Spektrum an Stereotypen, die einst die Popkultur beherrschten.“ Dies schrieb Art Spiegelman (Maus) als Vorwort zur Cartoon-Anthologie The unexpurgated Carl Barks, die 1997 auch noch diesen Hinweis enthielt: “Carl Barks gibt bekannt, dass er an der Konzeption dieses Buches nicht beteiligt war, und dessen Erscheinen nicht unterstützt oder befürwortet.“ Umso erstaunlich ist, dass der deutsche Disney-Verlag Egmont zu Barks‘ 20. Todestag eine gebundene Edition mit den Herrenwitzen des Duckman aus dem Calgary Eye-Opener herausbringt.

Calgary Eye-Opener
Das Buch mit Schutzumschlag

Herausgeber ist Geoffrey Blum, der auch die 2005 bei Egmont erschienene 30-bändige Carl Barks Collection betreute. In seiner Einleitung “Aber ist es Kunst?“ sucht Blum nach einer Erklärung, warum es sinnvoll ist, das nicht wirklich schmeichelhafte Frühwerk der Disney-Legende zu präsentieren, denn: “Die Witze sind größtenteils kindisch, die Wortspiele abgedroschen.“ Blums plausibelste Begründung für die Veröffentlichung des Buchs ist: “Jeder Barks-Fan ist im Herzen ein Sammler, es ist auf eine Weise zwanghaft.“ Daher wurde sich bei der Aufmachung an der Carl Barks Collection orientiert, damit der Band einen guten Eindruck im sorgfältig sortierten Sammler-Regal macht. Wenn der ziemlich hässliche pink-orangefarbene Schutzumschlag entfernt wird, passt Carl Barks: Calgary Eye-Opener, genau wie der 2012 auch mit blauem Buchrücken erschienene Band mit den Ölgemälden des Disney-Zeichners, perfekt zu den ebenfalls mit Fadenheftung, Leinenrücken und Goldprägung veröffentlichten Büchern der Barks Collection.

Carl Barks - Calgary Eye Opener
Das Buch ohne Schutzumschlag

Inhaltlich schaut das Buch allerdings nicht ganz so gut aus. Es ist sicher nicht optimal, dass für die deutsche Ausgabe nur Blums Begleittexte übersetzt wurden. Alles andere – auch viele sehr umfangreichere Texte aus dem Eye-Opener – wurden im englischen Original belassen, weil sich bei Egmont niemand in der Lage sah, “den Witz der Entstehungszeit (…) auf dem Weg einer wortgetreuen Übersetzung“ einzufangen. Da kein Übersetzer vom Kaliber einer Erika Fuchs oder Gudrun Penndorf zur Verfügung stand, muss eine halbe Seite mit Erklärungen zu Slang-Ausdrücken genügen, um die flauen Witze zu kapieren. Das ist angesichts eines Verkaufspreises von 90,- Euro für ein 230-seitiges Buch etwas ungenügend.

Carl Barks - Calgary Eye Opener

Carl Barks bedarf wahrscheinlich keiner großen Vorstellung. 1942 kündigte der Zeichner bei Walt Disney, weil seine Stirnhöhlen die Klimaanlage in der Animationsabteilung in Burbank nicht vertragen haben. Er hatte im Studio zunächst als Zwischenphasen-Zeichner gearbeitet und anschließend schrieb er Gags für die Zeichentrickfilme. Dabei entwickelte er eine Vorliebe für Donald Duck. Carls Barks`Zeit als Disney-Animator wäre übrigens auch ein hervorragendes Thema für einen opulenten Bildband, der sich gut im Regal machen könnte. Als der 41-jährige Barks die Disney-Studios verlassen hatte, zog er auf eine 100 km östlich von Los Angeles gelegene Farm. Dort versuchte er sich als Hühnerzüchter und als selbständiger Zeichner. Der Held seiner ersten noch in Teamwork entstandenen Comic-Geschichte war Pluto. Comic-Geschichte schrieb er danach mit seinen im Alleingang realisierten Stories über Donald und Onkel Dagobert, die aktuell von Egmont als Lustiges Taschenbuch Classic! in einer preiswerten chronologischen Ausgabe veröffentlich werden.

Eye-Opener

Obwohl auch das Frühwerk von Barks interessant ist, wurde es in Biografien über ihn meist nur am Rande erwähnt. Dabei hat Barks seine Anstellung bei Disney der Routine zu verdanken, die sich der Autodidakt sieben Jahre lang durch seine Cartoons und Illustrationen für den Carlgary Eye-Opener erarbeitet hatte. Seiner Bewerbung an Disney legte er 1935 sogar einige seiner Arbeiten für das Witzblatt bei. Bevor Barks für den Eye-Opener zeichnete, lebte er von harter körperlicher Arbeit, etwa im Sägewerk seines damaligen Schwiegervaters oder in einer Reparaturwerkstatt für Eisenbahnwagen. In seiner Freizeit zeichnete er und schickte seine Arbeiten an Zeitschriften oder Witzblätter. Durch Hartnäckigkeit erreichte er, dass seine Werke regelmäßig im Carlgary Eye-Opener veröffentlicht wurden.

Eye-Opener
Alle Abbildungen © Egmont Serieforlaget AS

Wie der Titel vermuten lässt, erschien das 1902 vom Schotten Robert Chambers Edwards gegründet Witzblatt zunächst in Kanada. Benannt wurde der Eye-Opener nach dem morgendlichen Whiskey, den Edwards trank, um auf Touren zu kommen und sich lustig gemeinte Lügengeschichten für seine Monatsblatt auszudenken. Nachdem Edwards 1922 verstarb, verkaufte seine Witwe die Rechte an den US-amerikanischen Verleger Harvey Fawcett. Dieser leitete das Blatt von Minneapolis aus und brachte eine identische kanadische Ausgabe heraus. Im Juni 1928 erschien die erste von Carl Barks signierte Zeichnung im Eye-Opener. Zu sehen ist eine sich bei der Morgengymnastik bückende Dame im Bikini.

Carl Barks - Calgary Eye Opener

Als Henry Meyer nach Fawcetts Tod 1931 neuer Besitzer des Eye-Openers wurde, stellte dieser sehr schnell fest, dass Barks sein bester Mitarbeiter war. Daher bot er ihm an, nach Minneapolis zu ziehen und Redaktionsmitglied zu werden. Die feste Bezahlung war zwar sehr erfreulich, doch Barks tat sich schwer im Umgang mit seinen Kollegen, die – ganz in der Tradition von Robert Chambers Edwards – bereits am frühen Morgen zechten. Diese Erfahrung und anschließend die straff organisierte Arbeit bei Disney, die jeden Kreativen zu einem kleinen Rädchen im Getriebe machte, führten dazu, das Barks es schließlich leid war “für ein Gehalt zu arbeiten“. Daher fasste er 1942 den “waghalsigen Beschluss, mein Überleben selbstständig zu sichern.“

Carl Barks - Calgary Eye Opener

Neben Cartoons zeichnete Barks für den Eye-Opener auch Illustrationen zu frivolen Gedichten, die nur selten von ihm stammten. Er karikierte Prominenten wie Mahatma Gandhi und gelegentlich sich selbst. Auch Enten zeichnete er schon damals gerne. Etliche Titelbilder stammten ebenfalls von Barks. Das Buch enthält ein besonders interessant gestaltetes Exemplar vom April 1935, auf dem ein paar anscheinend sexuell erregte Herren auf ein Fenster starren. Um zu verstehen, was die Spanner betrachten, muss das Cover ans Licht gehalten werden, damit eine nicht wirklich attraktive, ältere Dame und der Text “April Fool“ (also “April, April!“) zum Vorschein kommen. Doch in der Regel dienten die von Barks gezeichneten Frauen dazu den männlichen Leser zu erfreuen.

Carl Barks - Calgary Eye Opener

Auch später in seinen Disney-Comics ließ Barks manchmal neben den Enten attraktive junge Frauen auftreten, man denke nur an die Spionin Madame Triple-X oder die schöne Panchita, aus den 1951 entstandenen Geschichten Dangerous Disguise (Gefährliches Spiel) und In Old Caifornia (Im alten Kalifornien). Für Geoffrey Blum sind viele der im Eye-Opener abgebildeten Damen “typische Barks-Girls“. Diese haben zwar “volle Lippen, üppige Brüste und viel Bein“, sind zugleich aber auch “moderne Frauen des Jazz-Zeitalters“, die sich von “Männern nicht dumm ansprechen lassen“. Das ist sicherlich zu idealisierend, denn die Cartoons zeigen oft männliche Anbaggerei und nur sehr selten weiblichen Widerstand. Das Frauenbild des Eye-Openers entspricht den Klischees von platten Herrenwitzen, wie sie auch bei uns vor noch gar nicht so langer Zeit veröffentlicht wurden. Bemerkenswert sind viele der Illustrationen von Barks jedoch dadurch, dass er nicht nur auf Anzüglichkeiten setzt, sondern bereits damals ganz der “Der gute Zeichner“ war, der sich auch viel Mühe mit stilvollen Hintergründen, Schraffuren und Jugendstil-Elementen gab. In seinen besten Momenten reicht er dabei an den eleganten Strich heran, der die Figuren und Dekors in George McManus‘ Strip Bringing Up Father so elegant aussehen lässt.

Carl Barks - Calgary Eye Opener

Nachdem zuvor noch ein Kapitel des Buchs glaubhaft belegt, dass sich Barks, genau wie später in seinen Comics, bereits im Eye-Opener über Obrigkeiten und Würdenträger lustig machte, öffnet Geoffrey Blum auf den letzten Seiten des Buchs die Tür zum Giftschrank noch etwas weiter. Unter den Überschriften “Mieses mit Minderheiten“ und “Fiese Furien“ kommen Beispiele von heute unangenehm wirkenden “Späßen“ über Schwarze, Juden Schwule und “alte Jungfern“ zum Abdruck. Das letzte Wort dazu, ob eine Neuveröffentlichung dieser Cartoons ihre Berechtigung hat, soll wieder Art Spiegelman haben. Angesichts der aktuell grassierten Cancel Culture – so entfernte HBO jüngst für eine Weile den Filmklassiker Vom Winde verweht wegen rassistischer Tendenzen aus seinem Streaming-Angebot – schrieb Spiegelman in seinem eingangs zitierten Vorwort vor über 20 Jahren erstaunlich visionär: “Wir leben immer noch mit den toxischen Nachwirkungen, aber so war es nun mal und es zu verleugnen hieße, Geschichte auszulöschen, die wir verstehen müssen.“

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E. C. Segar: Popeye

Obwohl Popeye bei uns nicht gerade unbekannt ist, sind wir höchst selten in den Genuss der Original-Comicgeschichten gekommen, die der begnadete Elzie Crisler Segar ab 1929 bis zu seinem frühen Tode im Jahre 1938 für die amerikanischen Zeitungen zeichnete. Noch vor kurzem erschien im Rahmen der aufwändig beworbenen Bild Comic Bibliothek ein Popeye-Band, der ausschließlich Material enthielt, das ein gewisser Hy Eisman vor einigen Jahren zeichnete.

E. C. Segar: Popeye

Ein großes Problem bei einer deutschen Popeye-Ausgabe ist natürlich jenes Kauderwelsch das die Figur im Original spricht. Der Übersetzer Ebi Naumann meint hierzu, ein direktes Eindeutschen würde lediglich “irgendwie widerspiegeln, dass es im Original gerade lustig zugeht.“ Daher hat er für Popeye eine eigene Kunstsprache erfunden irgendwo zwischen Hans Albers, Werner und Kuttel Daddeldu. Popeyes Lieblingsausspruch “Blow me down!“ heißt daher bei Naumann jetzt auch nicht im geringsten wortgetreu aber völlig passend “Lot mi an Land“.

E. C. Segar: Popeye

Dank Naumanns kreativer Freiheit macht es richtig Spaß jene Geschichte aus Segars Reihe Thimble Theater zu lesen, in der ein unschwer als Matrose zu erkennender Popeye (Pfeife, Tätowierung, Kapitänsmütze usw.) erst nach etlichen Seiten (am 17. Januar 1929) als Nebenfigur auftaucht und auf Castor Öls Frage “He Du Da! Bist Du´n Seemann“ sofort die passende (und mittlerweile legendäre) Antwort (bzw. Frage) parat hat: “Seh ich etwa aus wie ‘n Cowboy?“ Im Verlaufe der weiteren Erzählung zieht Popeye recht rasch ein neues dunkles Hemd an und wird immer mehr zur Hauptfigur der großteils auf See spielenden Erzählung.

E. C. Segar: Popeye

Nachdem der Marebuchverlag bereits mit Band 25 seiner Bibliothek zu maritimen Themen einen wuchtigen Sammelband mit “tollkühnen Abenteuer der Ducks auf hoher See“ aus der Feder von Carl Barks veröffentlichte, ist es nicht weiter verwunderlich, dass die erste wirklich gelungene deutschsprachige Popeye-Ausgabe ebenfalls in diesem Umfeld erscheint. Der dicke querformatige Sammelband enthält sieben oft epische Popeye-Abenteuer, die alle ebenfalls großteils auf hoher See angesiedelt sind.

E. C. Segar: Popeye

Chronologisch geordnet ist hier mitzuerleben, wie der begnadete Erzähler Segar seine Hauptfigur zeichnerisch immer besser in den Griff bekam, ihn mit markanten Nebenfiguren wie Wimpy (“Ich lade Dich zum Entenessen ein. Vergess nicht die Ente.“) oder dem Fabelwesen Jeep (der dem Army-Fahrzeug als Namenspate diente) umgab und aus dem eher unscheinbar-bürgerlichen Ensemble des Thimble Theater nur Popeyes Herzblatt Olivia Öl (mit den Maßen: 48 / 48 / 48) übernahm. Die Geschichten sind oft schrullig versponnen und die aus den Popeye-Trickfilmen und späteren Comics bekannten Schlägereien mit Popeye als spinatfressender Superheld finden bei Segar eher selten statt.

Bild-Comic-Bibliothek

Art Spiegelman (Maus) weist im Vorwort des Buches noch einmal auf die Einmaligkeit von Segars Popeye hin: “Die filmischen Popeyes sind Mordskerle, aber der echte Popeye (…) ist einer der bedeutendsten Beiträge zur Literatur des 20. Jahrhunderts – oder vielleicht eher zur bildenden Kunst oder wäre zum Theater richtiger.“ Der Mare Verlag wollte den einmaligen Matrosen zusätzlich auch noch mit “Sonderedelausgabe in einem Schuber aus leeren Spinatdosen“ feiern, fand jedoch bedauerlicherweise keinen geeigneten Lieferanten.

Popeye - Bibliothek der Comic-Klassiker

Carlsens Bibliothek der Comic-Klassiker wurde 2022 um einen Band über Popeye ergänzt. Das Buch enthält farbige Sonntagsseiten, die zwischen 1933 und 1938 entstanden sind. Es  ist eine gute Ergänzung zur Mare-Edition, denn lediglich die Geschichte Plünder Eiland ist in beiden Ausgaben enthalten.

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Scott McCloud: Comics richtig lesen

1993 erschien Scott McClouds Werk Comics richtig lesen. Obwohl es sich hierbei um ein Sachbuch handelte, wurde es vom Maus-Schöpfer Art Spiegelman zum „intelligentesten Comic seit langem!“ erklärt. McCloud stellt sich selbst in diesem Buch als stark vereinfachte Comicfigur dar. Besondere Kennzeichen sind ein kariertes Jackett und ein Flash-T-Shirt. McCloud versucht die spezielle Sprache der Comics zu erklären. Die wertvollste Erkenntnis des Buches ist ganz sicher die Tatsache, dass im Comic die Dinge sind am wichtigsten, die zwischen den Bildern (bzw. Panels) geschehen.

Scott McCloud: Comics richtig lesen

In der Fortsetzung Comics neu erfinden sah McCloud 2000 zunächst einmal ziemlich schwarz. Seit Anfang der neunziger Jahre steckte der US-Comic in einer Krise. Comic-Hefte wurden vielfach nur noch für Sammler produziert und kaum noch im Zeitschriftenhandel, sondern fast nur noch über den Fachhandel vertrieben. Dort interessierte der Comic als Lektüre kaum noch und die Geschäfte wurden eher mit Trading-Cards und Rollenspiel-Zubehör gemacht. Einige Jahre später machte der kurzfristig durch US-Superheldenhefte boomende deutschsprachige Comicmarkt eine ähnliche Entwicklung durch.

Scott McCloud: Comics richtig lesen

McCloud versuchte Wege aus der Krise zu finden. Ihm ging es um die Anerkennung des Medium Comics als Kunstform. Dies bedeutet natürlich auch, dass nicht nur von unbezwingbaren Superhelden erzählt werden darf, sondern Geschichten aus allen Genres im Comic Berücksichtigung finden. Den größten Teil seines Buches widmete McCloud jedoch den neuen Medien. Hierbei ging es nicht nur um den Computer als mittlerweile unverzichtbares Hilfsmittel jedes Comic-Schaffenden. Viel interessanter fand McCloud die Möglichkeiten der Veröffentlichung von Comics im Internet. Dort kann jeder ganz demokratisch seine Geschichten veröffentlichen (und möglicherweise sogar irgendwann einmal Geld dafür bekommen).

Scott McCloud: Comics richtig lesen

McCloud sieht im Internet eine „unendliche Leinwand“ und hierdurch ist es dem Comic möglich dem alles diktierenden Joch der jeweils zu gestaltenden Seite zu entrinnen. Im Internet können die einzelnen Panels in beliebiger Folge ohne Rücksicht auf ein starres Seitenlayout angeordnet werden und dadurch sogar zusätzlich noch insgesamt ein sinnvolles Ganzes bilden. Daher meint McCloud in seinem wiederum vor Ideen und Fakten nur so berstenden Comics neu erfinden, dass der Comic demnächst seine Fesseln sprengen und in alle Richtungen explodieren wird.

Scott McCloud: Comics richtig lesen

Dies blieb zwar bisher aus, könnte aber noch was werden, wenn möglichst viele Comicschaffende McClouds nächstes Buch Comics machen (2006) lesen und verinnerlichen. Um ein Medium neu erfinden zu können, muss es zunächst einmal beherrscht werden. Daher vermittelt McCloud jedem Interessierten das Rüstzeug um Geschichten erzählen zu können (oder auch um gestalterische Finessen bei Großmeistern des Mediums zu erkennen). Während sich die meisten Lehrbücher darauf beschränken Zeichenunterricht zu geben, setzt McCloud ein gewisses Maß an graphischem Talent – bzw. die Bereitschaft sich dies anzueignen – einfach voraus und vermittelt die Dinge auf die es wirklich ankommt.

Scott McCloud: Comics richtig lesen
In der Tat gibt es eine Unmenge von optisch ansprechenden Comics, doch wirklich erinnerungswürdige Geschichten erzählen diese Werke eher selten. Unter dem Motto “Lerne von jedem, folge niemandem“ (und dem etwas bedenklichen Zusatz “arbeite wie besessen“) vermittelt McCloud auf seine schöne klare Art wie mit (bzw. zwischen) Bildern nachvollziehbar (und möglicherweise sogar nachfühlbar) erzählt wird. Witziges Detail am Rande: McCloud stellt sich selbst auch in diesem Buch als stark vereinfachter Comic-Moderator dar. Er trägt immer noch sein kariertes Jackett und das Flash-T-Shirt. Sein Gesicht ist jedoch runder geworden und in den schwarzen Haaren sind graue Strähnen zu erkennen.

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Keiji Nakazawa: Barfuss durch Hiroshima

Keiji Nakazawa war am 6. August 1945 sechs Jahre alt und hat damals den Abwurf der Atombombe über Hiroshima er- und überlebt. Als zwanzig Jahre später seine Mutter an den Folgen der radioaktiven Verstrahlung starb, beschloss der mittlerweile als Comiczeichner tätige Nakazawa seine Erlebnisse vor und nach dem Bombenabwurf zu Papier zu bringen.

Keiji Nakazawa: Barfuss durch Hiroshima

Nach einigen kürzeren Geschichten zu diesem Thema schrieb und zeichnete er den 900-seitigen autobiographischen Manga Barfuss durch Hiroshima. Die Geschichte erschien ab 1972 in 16-seitigen Episoden in unterschiedlichen Publikationen u. a. im auflagenstärksten japanischen Manga-Magazin Shonen Jump zu einer einer Zeit als japanische Schulbücher sich überhaupt nicht mit der Atombombe beschäftigten.

Keiji Nakazawa: Barfuss durch Hiroshima

Nakazawas Geschichte beginnt vier Monate vor dem Atombombenabwurf. Hauptfigur ist der sechsjährige Junge Gen (japanisch für „Wurzel“ oder „Quelle“), dessen fünfköpfige Familie starken Repressalien ausgesetzt ist, weil sein Vater ein Gegner der aggressiven japanischen Kriegspolitik ist. Die Nachbarschaft und Umgebung von Gens Familie wird als fanatisiert geschildert und die Kriegstreiberei als selbstmörderisch. Einzige positive Figur in Gens Umfeld ist ein deportierter Koreaner, was auch noch aus heutiger Sicht sehr progressiv für japanische Verhältnisse anmutet. Der Abwurf der Atombombe erscheint in diesem Umfeld als unvermeidliche (ja beinahe schon angemessenes) Resultat einer kriegslüsternen Gesellschaft.

Keiji Nakazawa: Barfuss durch Hiroshima

Die Tatsache, dass Nakazawa „die Schuld an der Bombardierung allein dem militaristischen Nationalismus seiner Landsleute und nicht der Realpolitik des westlichen Rassismus“ gibt, ist laut dem lesenswerten Vorwort von Art Spiegelman (Maus), dann auch der einzige Makel an Barfuss durch Hiroshima.

Keiji Nakazawa: Barfuss durch Hiroshima

Das simple gezeichnete aber nicht simpel gestrickte Werk macht die Katastrophe nachfühlbar und wurde mehrmals verfilmt. Es erschien bereits 1982, also lange vor dem Manga-Boom beim Rowohlt Verlag. Doch damals wurde unter dem Untertitel „Eine Bildergeschichte gegen den Krieg“ nur der erste Band veröffentlicht, der eher die Vorgeschichte und weniger die drastischen Folgen des Atombomben-Abwurfs schildert.

Keiji Nakazawa: Barfuss durch Hiroshima

Carlsen veröffentlichte 2004 in deutlich besserer Druckqualität und ebenfalls in „westlicher Leserichtung“, aber diesmal mit meist gekonterten Einzelpanels, endlich eine vierbändige Gesamtausgabe dieses Meilensteins der Comicgeschichte.

Süddeutsche Zeitung Bibliothek – Graphic Novels II

Barfuss durch Hiroshima erschien 2012 auch als Hardcoverband in der Reihe Süddeutsche Zeitung Bibliothek – Graphic Novels.


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Art Spiegelman: Küsse aus New York

Das Titelbild dieses Buches ziert ein eher naives Gemälde auf dem ein orthodoxer Jude ein junges schwarzes Mädchen küsst. Kaum zu glauben, dass dieses Bild, als es am 15. Februar 1992 (!) zum Valentinstag auf der Titelseite des Magazins The New Yorker veröffentlicht wurde, gewaltige Proteste bei der schwarzen und jüdischen US-Bevölkerung nach sich zog. Der für seinen Comic Maus mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Art Spiegelman (Breakdowns) wählte das eher herzige Motiv jedoch nicht ohne Grund, denn im New Yorker Stadtteil Crown Heights gab es damals reichlich Zoff zwischen jüdischen und schwarzen Einwohnern und das ganze gipfelte im Lynchen eines Juden.

Art Spiegelman: Küsse aus New York

Obwohl der eher snobistische New Yorker zuvor nicht gerade durch sonderlich provokante Themen aufgefallen war, versuchte Spiegelman auch danach weiterhin, im ständigen Clinch mit der Chefredakteurin Tina Brown, mit seinen Zeichnungen aufzurütteln. Doch dies gelang ihm erst so richtig wieder am 8. März 1999 mit einer Zeichnung von einem Polizisten, der in einer Jahrmarktsschießbude auf die Silhouetten von harmlosen Passanten schießt.

Art Spiegelman: Küsse aus New York

Zuvor töteten vier New Yorker Polizisten einen Einwanderer aus Westafrika mit 41 Schüssen. Doch Spiegelmans Satire ging in diesem Falle nach hinten los. Sein Titelbild diente als „Beweis“ für die Befangenheit der New Yorker Öffentlichkeit, der Prozess gegen die vier Polizisten fand daher im deutlich konservativeren Albany statt und endete mit einem Freispruch.

Art Spiegelman: Küsse aus New York

Das vorliegende Buch enthält alle Titelbilder die Spiegelman von 1992 bis 2002 (danach arbeitete er u. a. für die Zeit, siehe Im Schatten keiner Türme) für den „New Yorker“ schuf, darunter auch das nur aus zwei unterschiedlichen Schwarztönen bestehende Motiv zum 11. September. Dazu gibt es auch noch Entwürfe, abgelehnte Motive und Erläuterungen Spiegelmans.

Art Spiegelman: Küsse aus New York

Ebenfalls enthalten sind einige sehr beeindruckende Comics, die ebenfalls für den „New Yorker“ entstanden. Hierin beschäftigt Spiegelman sich mit Comickünstlern wie Charles M. Schulz (“Peanuts“) oder dem MAD-Schöpfer Harvey Kurtzman und gestaltet die Seiten in deren höchst unterschiedlichen Zeichenstilen, die Spiegelman täuschend ähnlich nachahmt obwohl er nicht viel von seinen Fähigkeiten als Zeichner hält.

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Art Spiegelman: Im Schatten keiner Türme

Lange hat es gedauert bis dieses Buch endlich auch in Deutschland erschienen ist. Dies ist besonders verwunderlich, da es doch die Wochenzeitung Die Zeit war, die Art Spiegelmans Comic-Serie Im Schatten keiner Türme weltweit zuerst veröffentlichte. Der Autor und Zeichner der einflussreichen und Pulitzer-Preis-gekrönten Comics Maus lebt mitten in New York City und musste am 11. September um seine Tochter bangen, deren Schule sich in der Nähe der Twin Towers befand.

Art Spiegelman: Im Schatten keiner Türme

Mit den patriotischen Gefühlen, die nach dem Anschlag auf das World Trade Center auch bei kritischen Geistern plötzlich aufkamen, konnte Spiegelman genauso wenig anfangen wie mit dem kurz zuvor nur eine zweifelhafte Wahl ins Amt gekommenen Präsidenten George W. Bush. Er fragte sich: “Warum mussten aus der Asche von Ground Zero diese provinziellen US-Flaggen hervorsprießen? Warum nicht ein Globus?“

Art Spiegelman: Im Schatten keiner Türme

Etwas Trost fand Spiegelman in den Tagen nach 9/11 in den alten Comic-Sonntagseiten von ebenso bunten wilden Serien wie George Herrimans Krazy Cat, Winsor McCays Little Nemo oder Bringing Up Father von George McManus. Er beschloss im Stile dieser farbenprächtigen großformatigen Comicseiten seine Eindrücke vom 11. September in unregelmäßigen Abständen zu Papier zu bringen. Diese verarbeitete Spiegelman auf zehn großformatigen prächtig illustrierten Seiten sehr vielschichtig und manchmal auch etwas pathetisch (wenn er z. B. seine Hassliebe zu New York vergleicht mit den Heimatgefühlen von Juden, die es während des Dritten Reiches lange nicht fertigbrachten Deutschland zu verlassen).

Art Spiegelman: Im Schatten keiner Türme

In Buchform wurden diese 10 Seiten geringfügig kleiner als in der Zeit hochkant auf Doppelseiten veröffentlicht. Um das Werk noch etwas anzudicken wurden kurze Texte von Spiegelman sowie ausgewählte Klassiker des Zeitungscomics beigefügt und außerdem besonders dicke Pappe verwendet. Das Cover des Buches ziert Spiegelmans aus zwei unterschiedlichen Schwarztönen bestehendes Motiv mit den Twin Towers, das schon als Cover des New Yorker für Aufsehen sorgte.

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Art Spiegelman: Breakdowns: Portrait des Künstlers als %@*!

1978 erschien erstmals Art Spiegelmans Breakdowns. Die Veröffentlichung des großformatigen Bandes, der Comics enthielt, die zuvor bereits im kurzlebigen Underground-Magazin Arcade veröffentlicht wurden, entstand unter großen Schwierigkeiten. Wie Spiegelman im Nachwort zu diesem Band erzählt sprang als Finanzier in letzter Minute ein “Verleger von erlesenen Bondage- und Pornobüchern“ ein und die Hälfte der 5000er-Auflage kamen unbrauchbar aus der Druckerpresse.

Art Spiegelman: Breakdowns: Portrait des Künstlers als %@*!

Der Band enthielt mindestens zwei Stories, die heute Klassikerstatus haben: Die 1972 entstandene dreiseitige noch sehr viel weniger reduziert gezeichnete erste Version von Spiegelmans Meisterwerk Maus und die beklemmende holzschnittartig gestaltete Story Gefangener auf dem Höllenplaneten. In dieser Geschichte, die auch in Maus enthalten ist, versucht Spiegelmann den Selbstmord seiner Mutter zu verarbeiten und stellte sich selbst als einsamer Sträfling dar, der nicht weiß warum er allein gelassen wurde. Auch die restlichen Beiträge aus Breakdowns, u. a. Reflektionen über das Wesen des Witzes oder Farbspiele mit Rasterfolien, sind hochinteressante Experimentalcomics.

Art Spiegelman: Breakdowns: Portrait des Künstlers als %@*!

Dennoch war das Buch kein Erfolg (erschien aber bereits 1980 in einer deutschen Übersetzung), stachelte Spiegelman jedoch dazu an es in Maus zur Abwechslung einmal mit einer epischen und nachvollziehbaren Erzählstruktur zu versuchen. Die Neuauflage von Breakdowns enthält nicht nur einen kompletten Reprint des Buchs von 1978, sondern auch noch die aktuelle Geschichte Portrait des Künstlers als %@*!. Hier ist Spiegelman (auto)biographisch wie in Maus aber zugleich auch experimentell wie in seiner wilden Phase. Er erzählt von Tod, Selbstmord und Holocaust, zugleich aber auch sehr humorvoll von seiner seit frühster Jugend andauernden Liebe zu den Comics.

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