Das Thema Holocaust im Comic wird durch Art Spiegelmans Werk Maus dominiert. Jeder weiterer Beitrag muss sich mit diesem Meilenstein der Comic-Geschichte messen und kann dabei nur verlieren … und kann trotzdem ein weiterer wichtiger Puzzlestein zum Verständnis unvorstellbarer Zeitgeschichte sein.
Dieser Tage hat der Carlsen Verlag die selbstgezeichneten autobiographischen Erlebnisse von Miriam Katin auf Deutsch herausgebracht.
Budapest 1944: Während ihr Mann an der Front kämpft, kommt die junge Esther mit ihrer Tochter Miriam ins Räderwerk der Judenverfolgung. Laut Anordnung hat sie sich von allem Hab und Gut zu trennen und soll sich in einem anderen Stadtteil einfinden. Kurz, von einem Moment zum anderen muss sie ihr bisheriges Leben aufgeben. Aus Angst vor Deportation und Tod, mit falschen Papieren ausgestattet, wagt sie mit ihrer Kleinen die Flucht aufs Land. Es beginnt ein Martyrium. Hunger, Vergewaltigung, Kälte, Demütigung, Elend und Not werden ihre Begleiter. Zwar findet der tägliche Kampf ums Überleben ein Happyend – nach dem Krieg kommt die Familie wieder zusammen – doch diese extremen Erfahrungen zeichnen einen Menschen für sein ganzes Leben.
So überstürzt die Flucht, immer getrieben von Angst, so hastig die Striche von Miriam Katin. Die oft skizzenhaft wirkenden Schwarzweiß-Zeichnungen voller erdrückendem Grau sorgen für Unruhe. Und viel zu schnell eilt die Geschichte von einem Vorfall zum nächsten, als das die Menschen darin einen Charakter, eine Persönlichkeit entwickeln könnten.
So wie für „Maus“ der Vater dem Sohn den Überlebenskampf schilderte, so konnte hier die Zeichnerin auf die Erinnerungen der Mutter und auf Briefe von damals zurückgreifen. Farbseiten mit Szenen aus den 60er und 70er Jahren brechen vereinzelt die Erzählung und versuchen den Bogen zur Jetztzeit zu schlagen, wo die Tochter selbst zur Mutter geworden ist. Sie hat auf der Flucht ihren Glauben an einen Gott verloren und nie wiedergefunden. Ein Auslöser war der Anblick, wie die Mutter die Familienbibel verbrannte. Doch leider sind diese wenigen Einschnitte nicht prägnant genug, um als wirkliche Bereicherung einen eindringlichen Lerneffekt zu erzielen. Dies ist schade, denn es ist wichtig zu erkennen, dass sich das Leid von Generation zu Generation weitervererbt und deshalb immer aktuell bleibt und als Mahnung im Raum steht.
Trotz seiner Schwächen vermittelt der Comic ein Gefühl für die Not der Verfolgten. Als ein wichtiges Zeugnis erlebter Geschichte kann dieser Comic Kinder und Jugendliche sicherlich besser für die Bedeutung des Holocausts sensibilisieren als Zahlen in Geschichtsbüchern und Actionszenen in Kinofilmen.
Ralf Palandt
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