Ich habe nie aufgehört Comics zu lesen, doch manchmal scheint die Begeisterungsfähigkeit ein wenig nachzulassen. Dann jedoch gibt es immer wieder Augenblicke, in denen mir klar wird, warum ich Comics so sehr liebe. Einer dieser Momente fand statt, als ich 2008 die Ausgabe 24 des Münchner Gratis-Magazins Comicaze in Händen hielt.
Hierin waren die ersten 10 Seiten von Robert Platzgummers Serie MingaMangazu sehen. Bereits die ausgereiften irgendwie “frankobelgisch“ wirkenden – aber dennoch sehr eigenen – Zeichnungen von Münchner Örtlichkeiten und die sympathischen Figuren erregten meine Aufmerksamkeit. Doch der positive Gesamteindruck wurde noch gesteigert, durch die Geschichte, die schreiend komisch aber dennoch absolut wirklichkeitsnah war.
Robert Platzgummer beherrschte die Kunst alle drei Panels einen wirklich komischen Gag zu platzieren, zugleich aber auch noch eine interessante Story zu erzählen. Während der Türkenjunge Staffie alias Mustafa Süzer stark darunter leidet, dass sein Nachname “Süßer“ ausgesprochen wird, hält die Lehrerin den kleinen Bini alias Korbinian Panikowski, aufgrund seines starken bayrischen Dialekts und seiner langen Haare, für ein Mädchen aus Polen. Wie sich die beiden Buben kennen und hassen lernen – bevor sie dann doch noch dicke Freunde werden – davon handelt MingaManga.
Robert schaffte es mit seiner Serie ins Comic-Magazin ZACK und dort im Oktober 2010 sogar aufs Titelbild. Ein Jahr später erschien im MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag ein gebundenes 48-seitiges Comic-Album im Querformat. Das hätte was ganz Großes werden können, ja müssen, doch mit den MingaMangas ging es danach leider nicht weiter. Robert arbeitete jedoch auch als Grafiker in seinem unverkennbaren Comic-Stil. Der manische Zeichner füllte weiterhin seine Sketch-Bücher mit beeindruckenden Bildern und Ideen. Als ich Robert auf einer Fete fragte, warum er in der Küche sitze und zeichne, anstatt zu feiern, blickte er nur kurz auf, meinte “Wieso, ich feiere doch!“ und skizzierte unermüdlich weiter.
Schon seit einigen Jahren war bekannt, dass Robert an Magenkrebs litt. Doch er zeichnete weiter, erschien fast immer zum monatlichen Comicaze-Stammtisch im Klenze 17, besuchte aber auch die beiden allerletzten Motörhead-Konzerte. Robert Platzgummer verstarb am 30. Dezember 2016 im Alter von nur 41 Jahren. Zu seiner Beerdigung erschien mit Gabriel Nemeth, Rolf Boyke, Uli Oesterle, Franz Gerg, Jan Reiser, Gerhard Schlegel und vielen anderen nahezu die komplette süddeutsche Comic-Szene.
Robert Platzgummers unberechenbarer Humor und sein akribischer Zeichenstil waren einzigartig!
Hauptfigur dieses amüsanten Piratencomics ist ein kleiner Junge, der durch Zufall zum Schiffsjungen von Hackepeter wird, dem Schrecken der sieben Meere. Auf Kaperfahrt mit dem Piratenschiff „Knurrhahn“ erlebt Pittje zusammen mit dem Kater Nelson, dem Maat Kuddel Priembeiss, dem Wikinger Staif Olafson, dem chinesischen Koch Sham-Puh und dem Schiffsarzt Doc Gallenstein die tollsten Abenteuer.
Die ersten Geschichten der Serie Brammetje Brams erschienen 1970 in den Niederlanden in Sjors, dem Vorgänger des Comicmagazins Eppo, und stammen aus der Feder von Frans Buissink. Doch im Laufe der Jahre verfasste neben weiteren Autoren auch der legendäre Spirou-Herausgeber Yvan Delporte Geschichten mit der Piratenbande. Der Zeichner der Serie, der Belgier Eddy Ryssack, bewegte sich ebenfalls im Spirou-Umfeld und inszenierte die ersten zehn Schlumpf-Cartoons, die Anfang der Sechziger noch als Legetrick realisiert wurden.
Bei uns debütierte der Schiffsjunge 1974 als Pittje Pitt in Zack und es entstanden auch eigens für die deutsche Veröffentlichung konzipierte Geschichten. Nachdem Koralle (z. B. mit Pittje Pit und die Bayern) und sehr viel später auch der Epsilon Verlag einige Alben der Serie veröffentlicht hatte, wagt sich jetzt der Riedl Verlag an eine gebundene Gesamtausgabe.
Das raue Papier der Veröffentlichung mag Geschmackssache sein, der Inhalt lässt jedoch keine Wünsche offen. Neben den ersten drei Comicgeschichten Hackepeter, der Schrecken der 7 Meere, Der Schatz der grünen Monster und Der König des Dschungels gibt es auch noch reichlich Bonusmaterial.
Enthalten sind interessante Texte, sowie Abbildungen von Titelbildern oder Werbeseiten, auf denen Brammetje Brams zusammen mit André Franquins Gaston oder anderen Charakteren aus Spirou zu sehen ist. Bis 1983 entstanden mit dem Schiffsjungen über fünfzig Comicgeschichten von unterschiedlicher Länge. Es gibt also viel zu tun für den Riedl Verlag, doch ein Anfang ist gemacht!
2005 startete beim französischen Verlag Delcourt die Serie Le Falcon de Desert des Schweizers Franz Zumstein, die nach fünf Alben abgeschlossen war.
Der Comic verwundert durch seinen seltsamen Umgang mit der Historie. Als Der Wüstenfalke 2009 als Fortsetzung im Magazin Zack veröffentlicht wurde, vermeldete Spiegel Online sogar einen “Absturz mit Nazi-Flieger“.
Tatsächlich werden im ersten Band Martuba Airfield sowohl der deutsche Kampfflieger Hans-Joachim Marseille alias “Der Stern von Afrika“ als auch Generalfeldmarschall Erwin Rommel sehr positiv dargestellt. Eine Gesamtausgabe aller fünf Alben zeigt, dass Zumstein zwar einen etwas naiven Umgang mit der Historie pflegt, aber kein rechtsradikales Gedankengut transportiert.
Titelheld von Der Wüstenfalke ist der in Libyen aufgewachsene Ali, der deutsch-italienische Eltern hat und sich für Flugzeuge begeistert.Daher sucht er 1942 die Nähe des Afrikakorps und erhebt sich schon recht bald mit einer erbeuteten britischen Hawker Hurricane in die Lüfte. Der junge Mann sammelte zuvor bereits “Flugerfahrung“ an einem Simulator, den der Vater seiner Freundin Aisha aus Schrottteilen zusammengebastelt hatte.
Auch Aisha ist durch Übungen an der mit Horizont bemalten Rüttel-Tonne problemlos in der Lage ein Flugzeug zu starten und zu landen. Hans-Joachim Marseille und später dessen Mechaniker Schulze versorgen das junge Paar mit erstaunlich treffsicheren Prophezeiungen zum Auffinden von Alis Eltern und verlorenen Schätzen…
Die eine Odyssee quer durch Europa erzählende Serie ist ein nicht gerade vor Logik strotzender abenteuerlicher Vorwand für Franz Zumstein, um Kampfflugzeuge des Zweiten Weltkriegs aber auch Erotikszenen zu zeichnen. An der Darstellung der Schrecken des Krieges und der Untaten des Nationalsozialismus zeigt Zumstein hingegen wenig Interesse, auch wenn kurz das Konzentrationslager Dachau zu sehen ist.
Nachdem alle fünf Alben von Der Wüstenfalke bei Comicplus+ veröffentlicht wurden, erscheint beim Stefan Riedl Verlag eine gebundene Gesamtausgabe, von der bei info@film-boerse.info auch eine limitierte Special Edition mit signiertem Druck, Schutzumschlag, anderem Cover und zusätzlichen redaktionellen Seiten für 100,- Euro bestellt werden kann.
Der All Verlag hat mit liebevoll editierten Neuausgaben von Serien wie Bruno Braziloder Luc Orient echte Klassiker im Angebot, die ZACK-Leser in bester Erinnerung haben dürften. Yalek hingegen war seinerzeit im deutschen Comic-Magazin sehr viel weniger präsent. Y wie Yalek, das jetzt ebenfalls beim All Verlag erscheinende erste Album der Serie wurde 1975 im Taschenbuch ZACK-Parade unter dem Titel Brennpunkt Khertan verkleinert und gekürzt veröffentlicht.
Die Serie hat ihre Wurzeln im Umfeld von Rick Master. André-Paul Duchâteau, der Autor der erfolgreichen Detektiv-Serie, schrieb die Geschichten, während die ersten Entwürfe der Hauptfigur vom Rick-Master-Zeichner Tibet alias Gilbert Gascard stammen. Da Yalek über indianische Wurzeln verfügt, verpasste Tibet dem jungen Mann einen Irokesenschnitt. Christian Denayer, der bereits mit 17 Jahren Jean Graton bei Michel Vaillant assistierte, gab der Hauptfigur eine modische Frisur mit Stirnband.
Thematisch passend hatte der Journalisten Yalek Curtis seinen ersten Auftritt 1969 in der belgischen Tageszeitung Le Soir. In der zugehörigen Jugendbeilage Le Soir Jeunesse wurden während des Zweiten Weltkriegs auch einige Geschichten von Tim und Struppierstveröffentlicht, was dessen Schöpfer Hergé später sehr übelgenommen wurde, da die Zeitung den deutschen Besatzern zuarbeitete.
Ab 1972 erschien auch insgesamt 17 Yalek-Alben. Zehn Jahre später wurden bei uns innerhalb der Ehapa-Reihe Detektive, Gauner und Agenten der Fall einige “Spätwerke“ von Denayers Nachfolger Jacques Géron veröffentlicht.
Dank des All Verlags ist es jetzt erstmals möglich Yalek in der korrekten Reihenfolge zu lesen. In Y wie Yalek trifft Yalek erstmals auf seinen »Pocket« genannter Begleiter Donald Brook und setzt ziemlich unerwartet einen Bumerang als Waffe ein.
Bevor die Story in Richtung James Bond abdriftet, ist sie gar nicht so fernab von unserer Wirklichkeit angesiedelt: In einem am Bosporus gelegenen Land mit dem Tarnnamen Benziram. bekämpfen sich die im Tal und in den Bergen leben Volksstämme und ist die Presse ist als Berichterstatter unerwünscht.
Der sechste Band von Egmonts Collector’s Edition enthält gleich vier Alben der Western-Serie Blueberry. In Vogelfrei und Angel Face wird erzählt, wie es dem im Militärgefängnis einsitzenden Ex-Leutnant Mike Blueberry gelingt wieder freizukommen. Doch als es fast schon zu spät ist, merkt er, dass er Teil einer Verschwörung ist, und Sündenbock bei einem Attentat auf Präsident Grant sein soll…
Mit Vogelfrei geht eine Ära zu Ende, denn es ist das letzte Album der Serie, das in Pilote erstveröffentlicht wurde. Die Veröffentlichung erfolgte als Fortsetzung in 21 Ausgaben des Magazins und Blueberry schaffte es kein einziges Mal aufs Cover. Jean-Michel Charlier fremdelte schon lange mit der dem Zeitgeist hinterherhechelnden Ausrichtung der von ihm 1959 mitgegründeten Comic-Zeitschrift. Bereits 1972 trat er als Chefredakteur zurück.
In Pilote kamen im Wochentakt jemeils meist zwei Seiten von Blueberry zum Abdruck, diese allerdings in einer Größe von circa 24 x 32 cm. Charlier und Jean Giraud konzipierten die Serie zukünftig stärker im Hinblick auf die Album-Veröffentlichung. Doch die Zeit bei Pilote war die produktivste Phase des Erfolgsteam. Denn von 1963 bis 1973 erschienen dort 16 albumlange Geschichten der Westernserie, während in den darauffolgenden 34 Jahren nur noch 12 von Giraud gezeichnete Blueberry-Alben veröffentlicht wurden.
Charlier erzählt in Vogelfrei eine manchmal fast schon zu umständlich verzahnte Geschichte voller Intrigen. Das nächste Album Angel Face bietet Spannung bis zum Abwinken und schildert im atemlose Tempo die turbulenten Ereignisse eines einzigen Tages. Giraud sprang hier zeitweise auch als Autor ein und garnierte die spannende Geschichte mit etwas mehr Humor (Stichwort: Blaubeer-Kuchen) als sonst bei Blueberry üblich.
Das Ende von Angel Face scheint Blueberry nicht überlebt zu haben. Da Charlier und Giraud unzufrieden mit ihrem Verleger Dargaud waren, ließen sie sich Zeit mit der Fortsetzung und erschufen mit Jim Cutlass einen neuen Westernhelden. Das nächste Blueberry-Abenteuer Gebrochene Nase erlebte dann überraschenderweise im Dezember 1978 seine Premiere unter dem Titel Die Kopfgeldjäger von Arizona im deutschen Comicmagazin ZACK und startete erst einige Wochen später in Frankreich bei Super-As.
Charlier hatte sich wieder eine sich auf mehreren Ebenen abspielende, wild auswuchernde Geschichte ausgedacht. Blueberry versuchte bei einem befreundete Indianer-Stamm zur Ruhe zu kommen und hat ein Auge auf Chini, die Tochter des Häuptlings Cochise geworfen. Dadurch macht er sich den Apachen-Krieger Vittorio zum Feind und zudem droht einmal mehr ein Krieg der Indianer mit der US-Kavallerie…
Nachdem Charlier bei Gebrochene Nase noch mit einem recht strengen meist aus vier Panel-Reihen bestehenden Seitenlayout arbeitete, kam es beim nächsten Album zum Stilbruch. Bereits bei Angel Face hatte er seine Zeichnungen nicht mehr als Halbseiten sondern jeweils komplett auf einem Bogen angefertigt. Bei Der lange Marsch wurde sein Layout noch lockerer.
Jean Giraud brachte die Erfahrungen, die er bei seinen unter dem Pseudonym Moebius veröffentlichten Comics gewonnenen hatte, auch bei Blueberry ein. Seine Zeichnungen wurden einfacher und klarer, die meist in drei Reihen angeordneten Panels größer. Charlier ließ seinen Zeichnern große Freiheiten und nahm in Kauf, dass Giraud bei der wilden Eisenbahn-Action am Ende von Gebrochene Nase wieder kleinteiliger arbeitete, um die Geschichte auf den zur Verfügung stehenden 46 Seiten zu beenden.
Bemerkenswert ist, dass Charlier in Der lange Marsch mit Chini und der wieder zurückgekehrten Chihuahua Pearl gleich zwei weibliche Hauptfiguren auftreten ließ, was 1980 noch keine Selbstverständlichkeit war.
Auch dieser Band der Collector’s Edition überzeugt weniger durch die Wahl des matten Papiers, sondern durch das Bonusmaterial. So setzt Volker Hamann (Reddition) seine Reihe “Blueberry in Deutschland“ fort und beschäftigt sich mit der Veröffentlichung der Serie innerhalb der Ehapa-Reihe Die großen Edel-Western.
Interessant ist auch ein Artikel von Patrice Pellerin über die Arbeitsweise van Charlier. Pellerin ist Insider, denn er zeichnete zwei Alben der von Charlier geschriebenen Serie Der rote Kosar. Der Zeichner erzählt auch davon, dass der Fleischliebhaber Charlier glaubte, dass Giraud das Rauhbein Blueberry verweichlichter aussehen ließ, seit er Vegetarier geworden ist. Charlier belehrte Giraud angeblich wie folgt: “Vergiss nicht, dass diese Menschen rotes Fleisch gegessen haben. Die waren blutlüsternd, gewalttätig! Klar, Du mit Deinem Gemüse…“
Dem familiären Team des Rennfahrer-Ass Michel Vaillant (Sagamore Stévenin) wird die Teilnahme am 24-Stunden-Rennen von Le Mans nicht gerade leicht gemacht. Erst hat Michels Mutter prophetische Albträume und dann stirbt ein Team-Mitglied. Zu allem Überfluss startet auch noch das skrupellose Leader-Team, deren neue Chefin Ruth Wong auch vor Mord, Totschlag sowie Entführung (von Michels Vater) und Verführung (von Michels Teamkollegen Steve Warson) nicht zurückschreckt.
Seit 1957 erscheinen in Frankreich und Belgien Jean Gratons Rennfahrer-Comics mit den Geschichten von Michel Vaillant. Graton verwendete dabei sehr viel mehr Mühe auf die Darstellung von Rennwagen, als auf das Abbilden von halbwegs individuellen Figuren.
Die immer etwas steril wirkende Hauptfigur hieß bei uns ab 1973 zunächst Michael Voss, bevor sie unter dem Originaltitel einer der beliebtesten Helden des Comic-Magazins ZACK wurde. Michel Vaillant war bereits der Held einer TV-Serie und 1988 gab es eine grottig animierte Zeichentrickserie, die bei uns auf Super RTL lief.
2003 folgte ein Realfilm, der hierzulande allerdings seine Premiere als Michel Vaillant – Jeder Sieg hat seinen Preis auf DVD erlebte. Produziert und mit am Drehbuch geschrieben hat Luc Besson (Valerian – Die Stadt der tausend Planeten, Anna), der bereits mit seinen Reihen Taxi-Reihe und Transporter ein Gespür für rasante Geschichten bewies. Doch im Gegensatz zu Bessons sonstigen Produktionen wird in Michel Vaillant kaum authentische Atmosphäre vermittelt, obwohl das Filmteam tatsächlich am 24-Stunden-Rennen von Le Mans teilnahm.
Die Darsteller der Hauptrollen sehen so steril aus, als hätte sie Jean Graton gezeichnet. Doch etwas Entschädigung bietet die zweite Reihe mit Lisa Barbuscia als hinreißender Schurkin und Frankreichs Altstar Jean-Pierre Cassel (Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten) als Vaillant Senior. Als die aus einer eigenen Comic-Serie bekannte Julie Wood ist – noch vor ihrem Hollywood-Durchbruch in Troja, Das Vermächtnis der Tempelritter und Inglourious Basterds – Diane Kruger zu sehen.
Band 3 der Collector’s Edition von Blueberry enthielt die drei Alben Das eiserne Pferd, Steelfingers und Die Fährte der Sioux. Den vierten Sammelband mit den von Jean-Michel Charlier und Jean Giraud geschaffenen Western-Comics eröffnet General Gelbhaar, der vierte und letzte Teil einer durchgehend erzählten Geschichte.
“General Gelbhaar“ wird der skrupellose Militär-Karrierist General Allister genannt, der unbedingt einen Krieg mit den Indianern anzetteln will. Leutnant Mike S. Blueberry setzt alles dran, um unnötiges Blutvergießen zu verhindern. Als Vorlage für Allister diente General George Armstrong Custer, den die Indianer aufgrund seiner Frisur “Langhaar“ nannten. Charlier war sich jedoch bewusst, dass er im politisch bewegten Jahr 1968 viel Spott ernten würde, wenn er im Comic-Magazin Pilote eine Geschichte mit dem Titel General Langhaar veröffentlichen würde.
Den Abschluss von Band 4 bildet eine auf die Alben Die vergessene Goldmine und Das Gespenst mit den goldenen Kugeln verteilte, fast 100-seitige Geschichte, die auch als Superstition Mountains (Les Monts de la Superstition) bekannt ist. Viele – dazu gehören auch Charlier und Giraud – halten diese Story für den besten Blueberry-Comic.
In der Geschichte werden Blueberry und sein trinkfester Sidekick Jimmy Mc Clure mit einem mysteriösen Mann mit deutschen Wurzeln konfrontiert. Der Mann nennt sich Baron Werner Amadeus von Luckner und hört auf den Spitznamen “Prosit“. Der angebliche Adelige behauptet den Standort einer gewaltigen Goldmine zu kennen. Er spielt die Bewohner des Goldgräber-Städtchens Palomito, in dem Blueberry gerade als Sheriff tätig ist, gegeneinander aus. Prosit landet zwar im Knast, kann jedoch durch seine Intrigen entkommen, und eine blutige Jagd nach dem auf Indianer-Land gelegenen Gold beginnt…
Doch nicht nur die spannende Story spricht für die “Gold-Dilogie“, sondern auch Jean Girauds bildgewaltige Inszenierung des sich großteils in beeindruckenden Naturkulissen abspielenden Abenteuers kann begeistern. Der möglicherweise genialste Künstler, der je Comics gezeichnet hat, brachte Ende der 60er-Jahre bei Blueberry jene Lockerheit ein, die er sich zuvor unter seinem Pseudonym Moebius in esoterisch-phantastischen Geschichten erarbeitet hatte.
Die Kolorierung orientiert sich an der ersten Veröffentlichung von Blueberry in Pilote. Die Farbgebung ist identisch mit den Kolorierungen in Band 6 der Blueberry-Chroniken und dem 2004 zur verunglückten Verfilmung Blueberry und der Fluch der Dämonen unter dem Titel Superstition Mountains erschienenen Sammelband. Die leuchtenderen Farbe mögen für die alten Hochglanz-Editionen und gegen das matte Papier der etwas größer reproduzierten Collector’s Editon sprechen.
Doch das Bonusmaterial überzeugt wieder. Abgerundet wird auch diese Ausgabe der Collector’s Edition durch ein interessantes und reich bebildertes Vorwort, sowie den Anhang “Blueberry in Deutschland“. Hierin erzählt Volker Hamann (Reddition), wie es engagierten Mitarbeitern des deutschen Comic-Magazins ZACK gelang, Charlier und vor allem den in der Südsee abgetauchten Giraud, davon zu überzeugen weitere Blueberry-Abenteuer in Szene zu setzen.
Im Gegensatz zu den meisten Serien, die ab 1972 wöchentlich im Comic-Magazin ZACK erschienen sind, stammt Die Gentlemen GmbH nicht aus Frankreich oder Belgien. Die stets gutgekleidete britische Bande erlebte ihre Premiere 1973 unter dem Titel Gli Aristocratici im italienischen Comicmagazin Corriere dei ragazzi und hatte bereits im selben Jahr ihren ersten Auftritt in ZACK.
Der adlige Sir Charles Cornwallis alias “Der Graf“ ist der Anführer einer fünfköpfigen Gruppe, die in ausgeklügelten Aktionen die Beute von besonders rücksichtslosen Ganoven zurückraubt. Das Diebesgut erhalten die eigentlichen Besitzer zurückerstattet oder es wird an wohltätige Organisationen gespendet. 10% der Beute behält die Gentlemen GmbH für ihre Bemühung ein.
Nachdem die Serie in Italien eingestellt wurde, setzten Autor Alfredo Castelli und Zeichner Ferdinando Tacconi Die Gentlemen GmbH exklusiv für ZACK fort. Die oft in Form von Kurzgeschichten erzählten Gaunereien des Grafen, seiner Nichte Jean, sowie der Spezialisten Moose, Kurt und Pedro, wurden bei uns auch in den Taschenbüchern Zack Parade oder in Albumform veröffentlicht.
Nach dem Ende von ZACK war noch lange nicht Schluss mit den Gentlemen. In Italien veröffentlichte das Comic-Magazin Il Giornalino ab 1997 neu gestaltete Versionen der alten Geschichten. Ferdinando Tacconi überarbeitete die Comics teilweise komplett und zeichnete in einem noch lockereren Stil, der bei der dezenteren neuen Farbgebung bestens zur Geltung kommt.
Auch Alfredo Castelli schraubte weiter an den Geschichten herum. Da die Herausgeber von Il Giornalino strenge Katholiken waren, lieferte Castelli eine moralische Legitimation für die Raubzüge der Gentlemen nach. Der Graf ist ein sehr guter Bekannte von Königin Elisabeth II und hat von ihr die streng geheim gehaltene Lizenz zum Rauben “bei Bedarf“ erhalten.
Der rührige Finix Verlag ermöglicht eine Wiederbegegnung mit den Gentlemen in Form einer siebenbändigen Gesamtausgabe. Diese enthält allerdings nicht das alte ZACK-Material, sondern die Neubearbeitungen von Tacconi und Castelli, wobei der Autor auch ein sehr interessantes Vorwort zu Band 1 beisteuerte.
Wer etwas bedauert, dass nicht die alte Version zum Abdruck kommt, dem dürfte ein direkter Vergleich überzeugen. Band 1 der Gesamtausgabe enthält die erste Geschichte Im Auftrag ihrer Majestät in der 12-seitigen ZACK-Version von 1973 und der doppelt so langen neuen Fassung mit Gastauftritt von Elisabeth II. Die Gegenüberstellung zeigt, dass Finix den richtigen Weg geht.
Hergé der Gründungsvater des Journal de Tintin war keinesfalls begeistert, als Greg alias Michel Regnier 1965 Chefredakteur “seines“ Magazins wurde. Doch der emsige Zeichner (Albert Enzian) und Texter (Comanche) wäre sonst wohl zum Konkurrenz-Magazin Spirou übergelaufen.
Greg setzte in Tintin verstärkt auf Abenteuer-Serien, die er großteils auch selber schrieb. Es begann mit Andy Morgan und richtig los ging es 1967 in Heft 3. Hierin startete nicht nur die Agenten-Serie Bruno Brazil, die Greg unter dem Pseudonym Louis Albert verfasste, damit nicht der Eindruck entstand, dass er die Comics des Magazins im Alleingang textet.
Zeitgleich erlebte auch die Science-Fiction-Serie Luc Orient ihre Premiere. Die drei von Greg geschaffenen Hauptfiguren wecken Erinnerungen an Alex Raymonds ähnlich konzipiertes Raumfahrer-Trio in Flash Gordon. Doch während Flash, Dale Arden und Professor Zarkov bereits auf der zweiten Comicseite den fremden Planeten Mongo betreten, beginnt Luc Orient relativ “unutopisch“ als irdisches Dschungel-Abenteuer der Mitarbeiter der paneuropäischen Wissenschaftsbehörde Eurokristall.
Erst am Ende der ersten albumlangen Geschichte Die Feuerdrachen tauchen fremde Wesen auf, und in bester – und durchaus an Flash Gordon erinnernder – Cliffhanger-Manier wird neugierig auf die Fortsetzung Die gefrorenen Sonnen gemacht. Dem Titelhelden Luc Orient stellte Greg den vielseitig begabten Professor Hugo Kala, sowie dessen Assistentin Lora, zur Seite. Gezeichnet (und gelegentlich auch getextet) wurden die 18 Alben der Serie Luc Orient vom Belgier Édouard „Eddy“ Paape, der in seinem nüchternen realistischen Stil glaubhafte Fantasy-Welten zu Papier brachte.
In Deutschland hat die Serie recht häufig den Verlag gewechselt. Nach einem Kurzauftritt in MV-Comix, lief Luc Orient erfolgreich als Fortsetzung im Magazin ZACK und es folgten Albumausgaben bei Koralle, Carlsen, Bastei, Hethke undSalleck. Dem Trend in Frankreich zu “Integrales“ folgend, veröffentlicht Ehapa die Serie ab 2011 in einer fünfbändigen, schon lange vergriffenen Hardcover-Ausgabe mit spärlichen Hintergrundinfos.
Bei seiner Neuveröffentlichung des Klassikers setzt der All Verlag – genau wie auch bei der Gesamtausgabe von Bruno Brazil – wieder auf einzelne Hardcover-Alben mit umfangreichen von Volker Hamann (Reddition) verfassten Begleittexte, die die Comic-Lektüre intensivieren.
In der dritten Ausgabe der Collector’s Edition von Blueberry startet nach dem Epos um Fort Navajo, das sich durch fünf Alben zog, und der kürzeren Geschichte um den “Mann mit dem Silberstern“ eine neue Storyline, die im November 1966 im französischen Magazin Pilote startete. Hierbei geht es um den Bau der Eisenbahn quer durch den US-Kontinent, der im vorletzten Jahrhunderts ohne Rücksicht auf die indianische Ur-Bevölkerung durchgezogen wurde.
Der gerade wieder in der Arrestzelle von Fort Navajo einsitzende Leutnant Mike Steve Blueberry wird zur Freude seines Vorgesetzten zu einem Himmelfahrts-Kommando abkommandiert. Im Auftrag von General Dodge, der den Bau der durch Sioux-Gebiet führenden Eisenbahn-Linie der Union Pacific leitete, soll er helfen zu verhindern, dass es zu einem Krieg mit den Indianern kommt.
In einer die vier Alben Das eiserne Pferd, Steelfingers, Die Fährte der Sioux und General Gelbhaar umfassenden durchgehenden Geschichte erzählt Jean-Michel Charlier davon, wie Blueberry es immer wieder schafft das Schlimmste zu verhindern, aber gerade dadurch wieder im nächsten Schlamassel landet. Hier wirkt er fast so wie ein Vorgänger des von Kiefer Sutherland verkörperten Spezial-Agenten Jack Bauer aus dem Serien-Dauerbrenner 24.
Doch richtig zur Geltung kommt Charliers sich sowohl an Kino-Western, wie John Fords Kavallerie-Trilogie, als auch an der US-Historie – General Grenville M. Dodge trieb tatsächlich den Bau der Eisenbahn voran – orientierende Geschichte erst durch die Zeichnungen von Jean Giraud. Dessen detailreichen immer lässiger werdenden Bilder scheinen zu leben und lassen den Leser tief eintauchen in die Abenteuer von Mike S. Blueberry.
Dieser ist zwar alles andere als makellos, bemüht sich aber stets darum das Richtige zu tun, auch wenn seine Gegner übermächtig erscheinen. Schlimmer noch als Jethro Steelfingers, der Mann mit der stählernen Hand, ist der skrupellose Militär-Karrierist General Allister, der unbedingt einen Krieg mit den Indianern anzetteln will. General Gelbhaar, der letzte Teil dieses Abenteuers wird zusammen mit dem Zweiteiler Die vergessene Goldmine und Das Gespenst mit den goldenen Kugeln im vierten Band der Collector’s Edition nachgeliefert.
Band 4 der Blueberry-Chroniken, der alten Ausgabe des Western-Klassikers, enthielt alle vier Alben der durchgehenden Geschichte. In beiden Editionen ist die Kolorierung, die sich an dem ersten Erscheinen von Blueberry in Pilote orientiert, identisch. Die leuchtenderen Farbe mögen für die alte Edition und gegen das matte Papier der etwas größer reproduzierten Collector’s Editon sprechen.
Doch in Sachen Bonusmaterial, in Form von reich bebilderten Hintergrundinfos zu den Erstveröffentlichungen in Frankreich und bei uns in ZACK, hat die Neuausgabe eindeutig die Nase vorn!