Im Halbjahrestakt wächst die optimal aufgemachte neue Gesamtausgabe von Lucky Luke. Das wirkt manchmal wie Schneckentempo, doch für das Zeichnen der im vierten Band enthaltenen Comics benötigte Morris von Februar 1956 bis September 1957 deutlich länger als sechs Monate.
Auch dieser Band widmet sich wieder entscheidenden Abschnitten in der Geschichte der Westernserie. Mit Der falsche Mexikaner zeichnete der aus New York nach Belgien zurückgekehrte Morris das letzte Album, das auch von ihm getextet wurde.
In Alerte aux Pieds-Bleus (Blaufuß-Alarm), so der Originaltitel, wird sich ungeniert und alles andere als vorurteilsfrei über Indianer und Mexikaner lustig gemacht. Das ist nicht schön, doch noch schlimmer fände ich es, wenn diese Kapitel der Comichistorie einfach ignoriert oder bereinigt werden.
Das wie immer hochinteressante Vorwort widmet sich mit Texten wie “Achtung, Klischee!“ ausführlich dieser Problematik. Enthalten ist ein interessantes Zitat von René Goscinny, der von den Zeiten schwärmt als im klassischen Western die Indianer noch “richtig böse“ waren: “Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich finde es entsetzlich, dass die Rothäute abgeschlachtet wurden. Ich habe den Film Stagecoach fünfzehn- oder sechszehnmal, und trotzdem hat mich das nicht zu einem erbitterten Gegner der Rothäute gemacht…“
Nach Der falsche Indianer übernahm Goscinny bei den Comics mit Lucky Luke das Texten. Der Autor mit jüdischen Wurzeln überzeugte Morris davon, häufiger Indianer in die Handlung einzubauen und machte sich auch ansonsten, genau wie in Asterix, über die Eigenarten von allerlei Volksgruppen lustig.
Goscinnys zweites Album nach Die Eisenbahn durch die Prärie war Lucky Luke gegen Joss Jamon. Seinerzeit war es noch nicht üblich, dass die Autoren von Comics namentlich genannt wurden. Zudem stand Gosinny bei den Verlegern auf einer schwarzen Liste, nachdem er sich für die Rechte von Autoren einsetzte und zusammen mit Kollegen wie Jean-Michel Charlier (Blueberry) versucht hatte, eine Gewerkschaft zu gründen.
Morris schmuggelt Goscinny jedoch immerhin durch die Hintertür in den von ihm geschriebenen Comic ein, indem er ihn als Banditen Wechsel-Pete karikierte. Bemerkenswert an Lucky Luke gegen Joss Jamon ist auch, dass durch einen Gastauftritt bereits in dieser Geschichte angekündigt wurde, dass die Daltons zur Serie zurückkehren werden. Morris hatte das wie Orgelpfeifen auftretenden Ganoven-Quintett Bob, Grat, Bill und Emmett Dalton 1952 im Album Die Gesetzlosen unvorsichtigerweise sterben lassen.
Doch Goscinny hatte die geniale Idee fortan Joe, Jack, William und Averell, die völlig unfähigen Cousins der Daltons in Lucky Luke auftreten zu lassen. Dies trägt bereits herrliche Früchte in der Geschichte Vetternwirtschaft. Die Brüder sind auch auf dem Cover dieses Bandes der Gesamtausgabe zu sehen und waren möglicherweise jene entscheidende Komponente, die Lucky Luke zum Klassiker werden ließ.
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