Paco Rocas (Die Heimatlosen, La Casa) preisgekrönter und bereits als Zeichentrick verfilmter Comic Arrugas (Kopf in den Wolken) über die Freundschaft zweier Bewohner eines Altersheims im Schatten einer Alzheimer-Erkrankung, kam bei uns erst sehr viel später heraus. Daher verwundert es, dass es sich bei der ersten deutschen Veröffentlichung des spanischen Comickünstlers, die Reprodukt 2012 veröffentlichte, um ein sehr stark regional geprägtes Werk handelt.
Basierend auf tatsächlichen Ereignissen erzählt Der Winter des Zeichners von fünf spanischen Lohn-Zeichnern, die im unfreien Franco-Spanien des Jahres 1957 den Schritt in die Freiheit wagten. Beim auf junge Leser spezialisierten Verlagshaus Bruguera hatten sie zwar ein gesichertes Einkommen, aber keinerlei Rechte an den von ihnen gezeichneten und getexteten Comics.
Auch künstlerische Freiheit galt dort nichts, denn es herrschte Angst vor der Zensur. Daher gründete das Quintett ein eigenes Comicmagazin namens Tio Vivo, das sich an ein erwachsenes Publikum richtete. Das Projekt scheiterte, weil Brugera seine Beziehungen spielen ließ und Vertriebswege blockierte.
Die Zeichner kehrten wieder an ihre ungeliebten Arbeitsplätze zurück oder veröffentlichten nur noch im Ausland. Eine kleine Rolle innerhalb der Geschichte spielt der junge Newcomer Francisco Ibáñez, dessen Serie Mortadelo y Filemón in Deutschland als Clever & Smart ein großer Erfolg wurde.
Paco Rocas Bilder der Straßen und Bars von Barcelona sowie der Verlagsräumlichkeiten sind ebenso akkurat wie atmosphärisch ausgeführt. Die Figuren, die diese Szenerien bevölkern, wirken hingegen etwas steif und emotionslos. Doch diese Schwäche gleicht Roca durch einen originellen Einfall aus: Um zu verdeutlichen wie zwischen den ineinander verschachtelten Zeitebenen seiner Geschichte die Jahreszeiten wechseln, verwendet er verschiedenfarbiges Papier.
Der hoffnungsvolle Frühling des Aufbruchs schimmert rötlich, der Winter, in dem die Zeichner zurück in die Verlags-Knechtschaft kehren, ist mit einem kalten Blau unterlegt, während die Erlebnisse im Sommer und Herbst auf gelben bzw. brauen Papier gedruckt wurden.
Der Winter des Zeichners richtet sich nicht nur an eingefleischte Comicfans. Die mit vielen Zwischentönen versehene Geschichte zeichnet gut nachvollziehbar das Bild eines Nachkriegs-Spaniens, in dem relativer Wohlstand und das beständige Aufsuchen von Bars nicht wirklich helfen, damit klarzukommen in einer Diktatur zu leben. Zugleich erzählt Paco Roca wie wichtig es ist, eine Sache gewagt zu haben, selbst wenn sie am Ende scheitert.
Zum 30. Verlagsjubiläum veröffentlicht Reprodukt 2021 schöne und preiswerte Hardcover-Ausgaben von Daniel Clowes’ Ghost World, Anke Feuchtenbergers Die Spaziergängerin, Camille Jourdys Rosalie Blum, sowie von Der Winter des Zeichners.
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