Seit ich seinen verstörenden Roman Evil gelesen habe, folge ich Jack Ketchum überall hin und wurde nie enttäuscht. Den Schriftsteller als Horror-Autor zu klassifizieren greift viel zu kurz. Vielmehr beschäftigt sich Ketchum in seinen schnörkellos zu Papier gebrachten Geschichten mit menschlichen Abgründen. Was in unseren Köpfen lauert, ist sehr viel erschreckender, als jeder Vampir, Werwolf oder Zombie.
Unter dem Label Heyne Hardcore wurden nach und nach eine ganze Reihe von teilweise schon etwas älteren, aber niemals betagt wirkenden, Romane von Ketchum wie Lebendig veröffentlicht. Scar heißt im Original The Secret Life of Soul und ist das neuste (2016 erschienene) Buch von Ketchum. Genau wie schon bei Beuterausch fungierte auch hier der Regisseur Lucky McKee (May – Die Schneiderin des Todes) als Co-Autor.
Das Resultat ist kein Hardcore, sondern eher ein Mainstream-kompatibler Grusel-Thriller im Stile von Stephen King, der Scar auf dem Backcover als einen “verdammt guten Roman“ klassifiziert. Die “herzergreifende Geschichte über ein Mädchen und ihren Hund“ (King) hat in der Tat ihre Stärken. Im Zentrum steht die kleine Delia Cross, die von ihrer ehrgeizigen Mutter Pat zu einem TV-Star aufgebaut wurde. Doch kurz vor dem großen Durchbruch kommt es zur Katastrophe. Das Gesicht der einst wunderhübschen Delia wird durch Brandwunden völlig entstellt. Pat lässt sich dadurch jedoch nicht stoppen, sondern vermarktet ihre Tochter rücksichtslos weiter…
Scar ist in seinen medienkritischen, fast schon satirischen, Momenten wirklich sehr gut gelungen. Weniger gut kommen die kursiv gesetzten Einschübe, die die auch geistige Verbundenheit zwischen Delia und ihrem Hund Caity verdeutlichen sollen. Das eine eher konventionelle Geschichte, über eine nur scheinbar heile Familie recht konventionell erzählende Buch wird zum Ende hin doch noch – man möchte fast schon sagen “Ketchum-mäßig“ – böse. Das ist alles nicht schlecht, aber demnächst hätte ich es gerne wieder etwas heftiger, nicht nur, damit das Label Hardcore auch passt.