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Hugo Pratt: Warten auf Corto

Wärmstens zu empfehlen ist der aktuelle Band Warten auf Corto, der – nach Das Logbuch des Robinson Crusoe und Das war Schwermetall  – als dritter Band der Reihe Texte zur graphischen Literatur der Edition Alfons erschienen ist.

Hugo Pratt: Warten auf Corto

Es ist die erstmals auf Deutsch übertragene Niederschrift von Tonbändern, die 1970 während einer Autofahrt nach Marokko von Hugo Pratt besprochen wurden. Ohne große Erzählstruktur berichtet er auf 160 Seiten aus seinem prall gefüllten Leben und lässt neben erworbenen Meriten auch eigene Schandtaten nicht aus. So stellt er sich in einigen derben Anekdoten keineswegs als großer Verführer hin – er schildert sogar eindeutige Vergewaltigungen.

Hugo Pratt: Warten auf Corto

Aus einer faschistischen Familie stammend, aber mit multikulturellem Background englisch-französisch-italienischer Vorfahren gesegnet, begleitet der zehnjährige Venezianer Hugo seine Eltern nach Äthiopien. Hier erlebt er die letzten Jahre des europäischen Kolonialismus hautnah mit und trägt mit 14 Jahren bereits die Uniform der Kolonialpolizei.

Hugo Pratt: Warten auf Corto

Einige Jahre später, am Ende des 2. Weltkriegs, hat er die Seiten gewechselt und zieht, nach Verwechslungsspielen auch unter deutschem Kommando, als kanadischer Soldat in Venedig ein. Ende der Vierzigerjahre übersiedelt Pratt aufgrund eines Arbeitsangebots nach Argentinien, das zu der Zeit ein Schmelztiegel vorwiegend europäischer Einwanderer war.

Hugo Pratt: Warten auf Corto

Inwieweit das Leben des Corto-Maltese-Autors von seiner kenntnisreichen Fabulierkunst zu trennen ist, mag dahingestellt sein, spannend zu lesen ist der Band ganz sicher. Unterbrochen ist der Text von Skizzen des Künstlers und einige private Fotos ergänzen und dokumentieren die ausschweifenden Schilderungen.

Hugo Pratt: Warten auf Corto

Eine anhängende penible Bibliografie, reichhaltig bebildert, listet alle Comic-Werke des außergewöhnlichen Zeichners auf. Der Band ist kein literarisches, aber ein seltenes Juwel, das vorwiegend Comic-Liebhaber ansprechen wird. Dabei vermittelt er ebenso an der Zeitgeschichte Interessierten einen individuellen und fast schon zeitlosen Blick.

Rainer Schneider

 

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Das war Schwermetall

Zweieinhalb Jahre nachdem die Edition Alfonz ihre Reihe “Texte zur graphischen Literatur“ mit dem von Detlef Lorenz verfassten Logbuch des Robinson Crusoe startete, folgt doch noch ein zweiter Band. Ursprünglich war ein von Peter Osteried verfasstes Buch über Das Phänomen Watchmen vorgesehen. Stattdessen präsentiert Achim Schnurrer Das war Schwermetall.

Achim Schnurrer: Das war Schwermetall

Schnurrer, der 1985 die Herausgabe des fünf Jahre zuvor vom schillernden Hippie Raymond Martin gestarteten Comic-Magazin Schwermetall übernommen hatte, bietet einen sehr persönlichen Einblick in die wechselhafte Geschichte der Publikation. Genau wie beim 1977 in den USA gestarteten Heavy Metal waren auch im deutschen Schwermetall die Comics aus dem 1974 u. a. von den französischen Zeichnern Jean Giraud alias Moebius und Philippe Druillet ins Leben gerufenen Magazin Métal Hurlant die Grundlage der Veröffentlichung.

Achim Schnurrer: Das war Schwermetall

Comic-Meilensteine aus dem Bereich Science-Fiction und Fantasy wie Der Incal, Richard Corbens Den oder die phantastischen Bilderwelten von Bilal und Caza konnten hier erstmals in Deutschland bestaunt werden. Nach und nach hielten aber auch deutschsprachige Zeichner wie Chris Scheuer, Matthias Schultheiss, Rainer Laws oder Riccardo Rinaldi Einzug in das Comic-Magazin.

Achim Schnurrer: Das war Schwermetall

Das reich illustrierte Buch enthält die Titelbilder der Schwermetall Ausgaben 1 bis 99, sowie eine Übersicht aller darin zum Abdruck gekommenen Comic-Geschichten. Die Texte von Schnurrer gehen manchmal auf die einzelnen Hefte ein, beschreiben aber auch immer wieder ausführlich seine eigenen Erlebnisse und Beobachtungen. Geboten wird ein ebenso spannender wie erfrischend subjektiver Rückblick auf eine Zeit, als sich in Westdeutschland langsam aber sicher eine Comic-Szene formierte.

Achim Schnurrer: Das war Schwermetall

Abgerundet wird das Buch durch ein Vorwort von Raymond Martin, kompakte Jahresrückblicke, sowie ausgewählte Biografien von Comic-Künstlern, die Schwermetall entscheidend prägten.

Achim Schnurrer: Das war Schwermetall

2020 erscheint ein zweiter Band. Hierin beschäftigt sich Schnurrer mit der Zeit von 1990 bis 1999, als Schwermetall mit der Doppelnummer 219/220 leider eingestellt wurde.

Noch bis zum 16. Juni wird im Künstlerhaus Nürnberg die von Achim Schnurrer kuratierte Ausstellung DAS WAR SCHWERMETALL gezeigt

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Detlef Lorenz: Das Logbuch des Robinson

Mit diesem Band eröffnet die Edition Alfonz (Reddition, Alfonz der Comicreporter) ihre Reihe “Texte zur graphischen Literatur“. Die Themenwahl für den Startschuss ist recht mutig. Im Zentrum des Buches steht die von 1953 bis 1964 in Deutschland erschienene Comic-Serie Robinson. die zunächst ziemlich stark, doch dann immer weniger auf dem Romanklassiker Robinson Crusoe von Daniel Defoe basierte.

Das Logbuch des Robinson

Die Serie wurde zwar zunächst von Willi Kohlhoff gezeichnet, ist aber hauptsächlich bemerkenswert durch die 83 Hefte, die aus der Feder von Helmut Nickel (Don Pedro, Winnetou, Peters seltsame Reise) stammen. Dieser war ganz sicher der bemerkenswerteste deutsche Comic-Zeichner seiner Zeit. In Sachen Output konnte Nickel zwar nicht einmal ansatzweise bei seinem Kollegen Hansrudi Wäscher (Sigurd, Tibur, Nick) mithalten, doch sein Zeichenstil war sehr viel ausgereifter.

Das Logbuch des Robinson

Als Nickel 1958 sein Studium in Kunstgeschichte und Ethnologie abschloss, trat er den Posten des Kurators für die Abteilung Arms and Armored (Waffen und Rüstungen) im New Yorker Metropolitan Museum of Art an. Zeitgleich arbeitete er weiterhin als Zeichner für den deutschen Comic-Markt. Als jedoch Gagen und Belegexemplare aus Deutschland ausblieben, hörte Helmut Nickel 1965 mit dem Comic-Zeichnen auf. 2011 erhielt Helmut Nickel auf dem Comicfestival München den PENG!-Preis für sein Lebenswerk.

Das Logbuch des Robinson

Das Buch Das Logbuch des Robinson stammt aus der Feder des Nickel-Experten Detlef Lorenz, der als begeisterter Leser dabei war, als die Comics an die Kioske kamen. Viele seiner Texte erschienen zunächst im Magazin Die Sprechblase oder online bei Lorenz‘ Comic-Welt. Lorenz liefert zu jedem Robinson-Heft eine (oftmals etwas arg ausführliche) Inhaltsangabe. Außerdem weist er auf Besonderheiten hin und – dass ist für mich der interessanteste Teil des Buchs – geht auch auf das Zeitgeschehen ein. So beschreibt Lorenz persönliche Erlebnisse und berichtet etwa über Filme, die er zeitgleich mit der Lektüre des jeweiligen Robinson-Hefts im Kino sah. Wir erfahren aber auch, dass Lorenz 1958 ein erstaunliches Talent am gerade schwer angesagten Hula-Hoop-Reifen war: “Mir gelang es immerhin, den Reifen durch die Zentrifugalkräfte der Schleuderbewegungen von der Hüfte zu den Knien, wieder zurück und bis zum Hals und dann erneut abwärts rotieren zu lassen.“

Das Logbuch des Robinson

Ursprünglich war als Band 2 der Texte zur graphischen Literatur ein von Peter Osteried verfasstes Buch über Das Phänomen Watchmen vorgesehen. Stattdessen präsentiert Achim Schnurrer Das war Schwermetall.

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