Unterteilt in mittlerweile siebzehn Kapitel (dazu später mehr) versucht sich dieses Album an einer Comic-Biographie desTim und Struppi-Schöpfers Georges Rémi alias Hergé.
Die Autoren José-Louis Bocquet (Kiki de Montparnasse, Franquin – Meister des Humors) und Jean-Luc Fromental rütteln dabei gemeinsam mit dem Zeichner Stanislas (= Stanislas Barthélémy) nicht allzu sehr an der Legende des ehemaligen Pfadfinders. Dazu sind sie ganz offensichtlich viel zu sehr beeinflusst und beeindruckt von den klassischen Abenteuern des pfiffigen Reporters und von den zahlreichen farbigen Charakteren, wie Käpt´n Haddock oder Professor Bienlein. Bei uns erscheint dieser Comic – im Gegensatz zu Frankreich und Belgien – sogar bei Hergés Hausverlag Carlsen.
Bei aller Mäßigung werden aber auch ein paar düstere Punkte in Hergés Vergangenheit angesprochen. Sehr dezent wird mit seinen Frauengeschichten umgegangen und recht amüsant ist Hergés Neid über den großen Erfolg der Asterix-Comics. Etwas weniger harmlos ist die Tatsache, dass Hergé nach dem Zweiten Weltkrieg als Kollaborateur verhaftet wurde, weil er während der Besetzungszeit in Belgien für von Deutschen kontrollierte Zeitungen zeichnete.
Er wurde zwar angeklagt, kam dank seiner großen Popularität jedoch recht schnell wieder frei, ganz im Gegensatz zu anderen Kollaborateuren – wie etwa im Comic Hergés Zellengenosse – , die für ähnliche Delikte standrechtlich erschossen wurden.
Cover der ersten Carlsen Ausgabe
Mittlerweile liegt bei Carlsen bereits eine dritte überarbeitete Neuausgabe vor, die im Hardcover-Format erschienen ist. Nachdem die erste Neuauflage um zwei sehr interessante Kapitel (die in den Jahren 1928 und 1953 angesiedelt sind) ergänzt wurde, gab es in der zweiten Auflage zwei zusätzliche Seiten, die sich mit dem Verhandlungen zwischen Hergé und Steven Spielberg um die Verfilmung beschäftigen.
Bei Carlsen erschien bereits – in immer neuen erweiterten Auflagen – die Comic-Biographie Die Abenteuer von Hergé von Jose-Louis Bocquet, Jean-Luc Fromental und Stanislas. Obwohl es sich dabei um alles andere als eine unkritische Bejubelung des Schöpfers von Tim und Struppi handelt, verlegte sie dessen deutscher Hausverlag. Eine gar nicht so kleine Rolle in dieser Comic-Biographie spielte – genau wie auch im Leben von Hergé – ein gewisser Edgar Pierre Jacobs, dessen Serie Blake und Mortimerebenfalls von Carlsen herausgebracht wird.
Auch daher liegt dort jetzt eine gezeichnete Biographie von E. P. Jacobs vor, in der natürlich auch Hergé auftritt. Dieser setzte den vielseitig begabten Jacobs in den 40er-Jahren gerne als Mitarbeiten bei Tim und Struppi ein, verweigerte ihm jedoch die eigentlich berechtigte Nennung als Co-Autor. Daraufhin widmete sich Jakobs ausschließlich eigenen Projekten und feierte große Erfolge mit seiner Serie Blake und Mortimer, die – im Gegensatz zu Tim und Struppi – auch nach dem Tode ihres Schöpfes noch heute von wechselnden Teams fortgeführt wird.
Dennoch erscheint “Ein Leben für den Comic“ als Untertitel eines Buches über jemanden der nicht nur als Zeichner sondern auch als Opernsänger Beachtliches geleistet hat als nicht ganz passend gewählt. Auf dem Cover der französischen Originalausgabe heißt es “Une vie en Bande Dessinée“, was vielleicht treffender mit “Ein Leben im Comic“ übersetzt worden wäre.
Noch stärker als Stanislas in Die Abenteuer von Hergé orientiert sich Louis Alloing (In der Sekte: Mein Leben in Scientology) bei seiner Bebilderung an dem Stil des porträtierten Zeichners. In seinen oft sehr großen Panels trifft Alloing recht gut Jacobs‘ Mischung aus Ligne Claire und detailfreudigen Realismus. Der Autor Rodolphe (Kenya) hingegen folgt in seinem Erzählstil (zum Glück) nur bedingt den Vorgaben von Jacobs, denn er fülllt die Sprechblasen nicht bis zum Bersten mit Texten. Abgerundet wird diese gelungene Comic-Biographie noch durch ein Gespräch mit Rodolphe und Skizzen von Louis Alloing.
Mit Edgar P. Jacobs: Träume und Apokalypsen gelang François Rivière und Philippe Wurm eine weitere sehr lesenswerte Biografie über den Schöpfer von Blake und Mortimer.