Rolf Hochhuth liefert 1963 mit seinem viel gespielten Theaterstück „Der Stellvertreter“ eine schier unerschöpfliche Materialsammlung. Faktenreich prangerte er das Verhalten der katholischen Kirche und ganz besonders des Papstes Pius XII während des Dritten Reiches an. Der Papst konnte sich seinerzeit nicht dazu durchringen einen öffentlichen Protest gegen die Judenvernichtung der Nazis auszusprechen. Er äußerte sich auch nicht dazu, als quasi vor seinen Augen in Rom italienische Juden deportiert wurden. „Der Stellvertreter“ wurde zu einem handfesten Skandal. Der nachfolgende Papst Johannes XXIII meinte, als er gefragt wurde, wie man die Aufführung des Stückes verhindern könne: „Man kann nichts gegen die Wahrheit tun.“
Birgit Lahann schrieb unter dem Titel “Hochhuth – Der Störenfried“ eine sehr interessante Biographie des auch in hohen Alter noch sehr streitbaren Autors. Hochhuths weiteren Theaterstücke, Bücher und Gedichte standen immer im Schatten des Erstlingswerks „Der Stellvertreter“. In ihrer Biographie beschreibt die Autorin sehr lebendig, wie Rolf Hochhuth sein Erstlingswerk vor Ort in Rom schrieb und den umstrittenen Inhalt durch allgemein zugängliche Quellen belegte.
Doch auch mit seinem zweiten Theaterstück “Soldaten, Nekrolog auf Genf“ gelang Hochhuth 1967 ein solider Aufreger. Hier versuchte er zu belegen, dass Winston Churchill während des Zweiten Weltkriegs Schuld an der Ermordung des polnischen Exil-Präsidenten Sikorski sowie an der grundlos heftigen Bombardierung deutscher Städte auf sich geladen hatte. Hochhuths Roman “Eine Liebe in Deutschland“ bewirkte 1978 sogar, dass Hans Filbinger als Ministerpräsident von Baden-Württemberg zurücktreten musste. Der CDU-Hoffnungsträger verschwieg hartnäckig, dass er als Marine-Richter Todesurteile gegen deutsche Soldaten wegen “Wehrkraftzersetzung“ ausgesprochen hatte und dies teilweise noch kurz vor Endes des Zweiten Weltkriegs.
Der Biographie ist anzumerken, dass die Autorin Rolf Hochhuth schon sehr lange kennt und menschlich sehr schätzt. Sie hat ausführliche Gespräche mit ihm geführt, auch über sehr persönliche Angelegenheiten, und war bei Ereignissen wie Theater-Premieren vor Ort. Doch Birgit Lahann liefert keine beschönigende Darstellung von Hochhuth, sondern sie hinterfragt immer wieder dessen manchmal etwas unüberlegte und vorschnelle Behauptungen. Dabei bringt sie auch ihre oft recht heftigen Diskussionen mit Hochhuth zu Papier, was das Buch zu einer sehr lebendigen Biographie macht.