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Markus Feldenkirchen: Die Schulz Story

Kurz nachdem Martin Schulz zum SPD-Kanzlerkandidaten gekürt wurde, fragte der Spiegel-Reporter Markus Feldenkirchen bei ihm an, ob er ihn während des Wahlkampfs begleiten und nach der Bundestagswahl 2017 darüber berichten dürfe. Zur Überraschung von Feldenkirchen und zum Entsetzen seiner Berater ließ sich Schulz nach einiger Bedenkzeit auf das Experiment ein. Dabei hatter er sicher im Hinterkopf, dass daraus eine hautnahe Dokumentation über seinen Weg zum Erfolg werden könnte.

Markus Feldenkirchen: Die Schulz Story

Jetzt ist zwar das genaue Gegenteil der Fall, doch es spricht für Martin Schulz, dass er sich auf die Sache einließ. Nachdem im Oktober 2017 im Spiegel # 40 (diese Ausgabe wird mittlerweile hoch gehandelt) unter der Überschrift „Mannomannomann“ die 17-seitige Reportage von Feldenkirchen erschien, machte sich kurz darauf die BILD-Zeitung auf dieser Grundlage über Schulz lustig, und auch vielen Partei-“Freunden“ gefiel der Text nicht. Doch Schulz hielt den Artikel für einen “treffenden Text, der einfange, was er wegstecken musste und wie er wirklich ist.“

Markus Feldenkirchen: Die Schulz Story

Laut Feldenkirchen meinten manche Leser sogar, dass sie “Schulz, wenn sie den Text vor der Wahl gelesen hätten, wohl gewählt hätten.“ Das dürfte aber eher eine Minderheit sein, denn die Reportage und das auf Feldenkirchens Beobachtungen basierende Buch zeigt einen immer etwas aufgedreht auftretenden Europa-Politiker, der sich in die Bundespolitik verirrt hatte. Weil er scheinbar unkonventionell war, wurde er zum Hoffnungsträger, ja sogar zur Lichtgestalt und mit 100% der Stimmen zum SPD-Vorsitzenden gewählt. Nach einem Wahlkampf voller Pannen, stand die SPD mit 20,5% der Stimmen ziemlich genau dort, wo sie sich bereits vor der Inthronisation von Schulz befunden hatte. Der Mann hat also nichts falsch, aber auch nichts richtig gemacht.

Markus Feldenkirchen: Die Schulz Story

Interessanter als die Psychoanalyse des ohnehin ständig zur Nabelschau neigenden Spitzenkandidaten ist bei Die Schulz Story die Beschreibung des erschreckend dilettantisch durchgeführten Wahlkamps. Immer mehr Berater kommen an Bord, es gibt mehrere große Reden am Tag, das anwesende Publikum ist begeistert vom ach so menschlichen Schulz, dessen Potential als Europa-nsider völlig verschenkt wurde. Die Hochrechnungen werden immer schlechter und nach der Wahlpleite und einer heftigen Absage an die CDU wundert sich Schulz, dass er nicht Außenminister in einer großen Koalition werden darf. Markus Feldenkirchen ist es gelungen seinem Trip mit Schulz nicht nur eine beeindruckende Titelstory abzutrotzen, sondern auch noch ein Buch, das nachdenklich über den Zustand unserer Demokratie macht.

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Joe Sacco: Palästina

Im Winter 1991/92 verbrachte der in Malta geborene US-Amerikaner Joe Sacco zwei Monate in den besetzten Gebieten Palästinas. Seine Eindrücke hat er in einem kräftigen an Underground-Meister Robert Crumb erinnernden Zeichenstil zu Papier gebracht. Erzähltechnisch betrat Sacco mit Palästina und dem Vorgänger Bosnien jedoch absolutes Comic-Neuland und er selbst bezeichnet sich als Comicjournalist. Die zahlreichen Gespräche, die Sacco mit sehr vielen Palästinensern und einigen Israelis führte, setzte er ohne erhobenen Zeigefinger und so direkt in Szene, dass bei der Lektüre der Eindruck entsteht dabei gewesen zu sein.

Im hochinteressanten Vorwort zur ersten Auflage schrieb der 2003 verstorbene, aus einem „arabisch-protestantischen“ Umfeld stammende Literaturtheoretiker Edward Said, dass die „Flut von Saccos Comicbildern und -texten in ihrer kompromisslosen Schärfe und – wo es die extreme Situation, die darin zum Ausdruck kommen soll, erfordert – ihrer manchmal grotesken Überzeichnung“ einen Gegenpol bildet zu „salbungsvollen Berichten über israelische Siege und demokratische Errungenschaften.“

Joe Sacco: Palästina

Saccos zunächst in Form von neun Comicheften erschienenen Berichte streifen scheinbar ziellos umher, vermitteln aber gerade dadurch den Eindruck, dass der Autor nicht belehren, sondern seine selbst vor Ort gewonnenen Erkenntnisse über die Leiden der Palästinenser unter der brutalen Willkür der israelischen Siedler und Soldaten möglichst ungefiltert vermitteln möchte.

Joe Sacco: Palästina

Im Schlusskapitel erzählt Sacco von drei israelischen Soldaten, die einen palästinensischen Jungen verhören und dabei dem starken Regenguss aussetzen, während sie selbst trocken unter einem Vordach stehen. Mit dieser selbst vor Ort erlebten, leider alltäglichen Geschichte gelingt Sacco ein eindringliches Gleichnis zur verfahrenen Situation in Palästina. Sacco schlussfolgert, dass der Junge bestimmt nicht denken wird: „Eines Tages werden wir eine bessere Welt haben, und diese Soldaten und ich, wir werden uns als Nachbarn grüßen.“

Süddeutsche Zeitung Bibliothek - Graphic Novels I

Nachdem bei uns Palästina 2011 auch in der Reihe Süddeutsche Zeitung Bibliothek – Graphic Novels erschienen war, bringt die Edition Moderne eine Neuausgabe heraus, die zusätzlich noch ein Nachwort von Amira Hass und ein zweites Vorwort von Sacco enthält. Beide Texte stammen von 2024 und Sacco schreibt: „Für beide Völker steht viel auf dem Spiel. Man kann nur beten, dass gute Menschen auf beiden Seiten zueinander finden, vom Abgrund weggehen und einen gerechten Weg suchen.“

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