Genau wie beim nicht völlig ernst gemeintem Western Texas Cowboys arbeiteten der schräge Comickünstler Lewis Trondheim (A.L.I.E.E.N., Donjon) und der eher straighte realistische Zeichner Matthieu Bonhomme (Der Marquis von Anaon, Der Mann, der Lucky Luke erschoss) auch bei Omni-Visibilis zusammen. Sie erzählen wie die ganz normale Alltagswelt des kleinen Pariser Angestellten Hervé plötzlich zum weltweiten Allgemeingut wird.
Eines Tages muss Hervé feststellen, dass die gesamte Menschheit die Welt auch durch seine Augen sieht und alle seine Erlebnisse mit ihm teilt. Dies hat höchst seltsame Folgen. Seine Freundin Chloé nutzt einen gemeinsamen Restaurantbesuch mit Hervé als weltweiten Casting-Termin um potentielle Produzenten auf ihr schauspielerisches Talent aufmerksam zu machen. Auch der Besitzer des Bistros betreibt während des Servieren Schleichwerbung in eigener Sache und preist seine “besten Croques von Paris“ an. Die Situation eskaliert als Polizei, Kriminelle und fremde Mächte ins Spiel kommen…
Omni-Visibilis besticht durch den lockeren Zeichenstil von Bonhomme, dessen mit der Schmuckfarbe Blau kolorierten Bilder geschickt Karikatur und Realismus vereinen. Trondheims Geschichte ist am Rande auch eine bissige Satire auf unser immer mehr am Computer als miteinander stattfindendes Leben. Stärker noch zeigen sich er und Bonhomme jedoch sich an seltsamen Situationen und skurrilen Ideen interessiert.
Die Western-Parodie Lucky Luke des als Morris bekannten Belgiers Maurice de Bevere (1923-2001) wirkt auch nach 70 Jahren dank ihrer gekonnt karikierten Typen sehr frisch. Neben der aktuell von Hervé Darmenton alias Achdé im klassischen Look werkgetreu weitergeführten Serie versucht sich jetzt auch Matthieu Bonhomme an Lucky Luke.
Sein eher realistischer Zeichenstil scheint auf den ersten Blick nicht zur stark karikierenden Darstellung des Wilden Westen zu passen, die ihren Höhepunkt feierte, als der große René Goscinny neben Asterixauch noch Lucky Luke textete. Bonhomme zeigte zuvor schon in der von Lewis Trondheim geschriebenen Serien Texas Cowboys und Omni-Visibilis dass realistische Zeichnungen und skurriler Humor kein Widerspruch sein müssen. Außerdem wurde bereits innerhalb der ebenfalls in Belgien entstandenen Traditions-Serie Spirou bewiesen, dass es eine gute Idee ist, neben der regulären Reihe auch einmal Experimente mit weiteren Zeichnern und Autoren zu wagen.
Auch wenn Der Mann, der Lucky Luke erschoss nicht wie einst bei Morris & Gosinny alle paar Panels einen Schenkelklopfer serviert, kann das Experiment, vor allem dank des interessanten Zeichenstils von Bonhomme, als gelungen betrachtet werden. Dessen Geschichte um das von drei undurchsichtigen Brüdern kontrollierte Städtchen Froggy Town hat leider nicht so viel schrägen Humor wie die Texas Cowboys und ist eher spannend als lustig. Doch ganz nebenbei wird eine recht plausible Erklärung geliefert, warum Lucky Luke ab 1982 in den Comics aufgehört hat zu rauchen und fortan zum Strohhalm statt zur Zigarette griff.
Zeitgleich entstand mit Jolly Jumper antwortet nicht, eine weitere Neuinterpretation von Lucky Luke, die Guillaume Bouzard sehr reduziert zu Papier gebracht hat.
Mit Wantedgelang Matthieu Bonhomme eine zweite sehr viel bessere Lucky-Luke-Hommage, die sich nicht hinter dem Original verstecken muss.