Nicht zu Unrecht beklagte Alan Moore, dass “allen anderen Betätigungen – selbst so exotischen wie denen des Detektivs, Astronauten oder Cowboys – ganze Genres gewidmet werden. Die einzige Form aber, in der Sex zur Sprache kommt, ist ein anrüchiges, schmuddeliges Unter-dem-Ladentisch-Genre ohne auch nur den geringsten künstlerischen Anspruch.“
Der einflussreichste Comicautor der Welt (V wie Vendetta, From Hell) beschloss dies zu ändern und manche Kritiker attestieren seinem 2006 veröffentlichten Werk Lost Girls, dass es für die erotische Literatur ebenso bedeutsam sei, wie einst sein Klassiker Watchmen für das Superhelden-Genre.
Ursprünglich wollte sich Moore in seinem pornographischen Epos lediglich mit den unterschwelligen sexuellen Komponenten von J. M. Barries Kinderbuchklassiker Peter Pan beschäftigen und mit einem männlichen Zeichner zusammenarbeiten. Doch dadurch, dass er die aus dem US-Underground kommende Melinda Gebbie nicht nur als Zeichnerin, sondern auch als Co-Autorin gewann, wurde das Werk vielschichtiger und Lost Girls dürfte nicht nur männlichen Lesern Freude bereiten.
Die Geschichte handelt nicht nur von Wendy aus Peter Pan, sondern es kommen auch noch Dorothy aus Frank L. Baums Der Zauberer von Oz und Lewis Carrolls Alice im Wunderland (hinzu). Diese drei literarischen Figuren treffen sich kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs in einem Hotel in den österreichischen Alpen. Die nicht mehr ganz junge Alice lebt dort ihre lesbischen Neigungen aus, während Wendy mit ihrem langweiligen Ehemann (der wie eine Mischung aus Sigmund Freud und Sean Connery aussieht) anreist und Dorothy sich mit einem feschen österreichischen Offizier einlässt. Die drei Damen lernen sich sehr schnell kennen und lieben.
In 30 Kapiteln entfesseln Moore und Gebbie einen erotischen Reigen. Dabei treiben es nahezu alle auftretenden Figuren miteinander und die Zeichnerin zeigt sämtliche Details. Sie bringt die sexuellen Eskapaden jedoch in einem farbenfrohen („Ich habe die Farbenlehre der Kabbala studiert“) und oft auch naiv anmutenden Stil zu Papier, wodurch ein sehr sinnlicher und nie schmuddeliger Gesamteindruck entsteht. Wer mag wird bei der Lektüre auch so manche Anspielung auf Maler wie Egon Schiele oder Autoren wie Oscar Wilde entdecken.
Während der Arbeit von Lost Girls fanden Moore und Gebbie zueinander. Die Zeichnerin heißt mittlerweile Melinda Gebbie-Moore, was den Autor nicht weiter verwundert, denn: “Allen, die eine stabile Beziehung kreieren wollen, kann ich nur empfehlen, sechzehn Jahre gemeinsam an einem pornographischen Werk zu arbeiten.“
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