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Sabrina Schmatz: München 1945 # 4: Geständnisse

Ging es im ersten Band von München 1945 weniger um den vergangenen Krieg und die moralische Aufarbeitung, so werden ernste Themen und fürchterliche Taten und deren Bewertung und Folgen seit dem zweiten Band immer unvermeidlicher. Der historische Kontext scheint immer mehr an Eigendynamik und Präsenz zu gewinnen. Gleichzeitig intensiviert sich auch die Beziehung zwischen Konstanze “Stanzi“ Hofer und dem amerikanischen Sanitätssoldaten Daniel „Dan“ Stevens – romantische Szenen an der Isar inklusive. Sicherlich ist beides für die Geschichte ein großer Gewinn.

Sabrina Schmatz: München 1945 # 4: Geständnisse

Einen nicht ganz einfachen Kontext hat sich da die junge Autorin und Künstlerin Sabrina Schmatz ausgesucht, als sie ihre Liebesgeschichte genau an das Ende des Zweiten Weltkriegs gelegt hat. Krieg bedeutet, dass man auch Stellung beziehen muss zu politischen und moralischen Grundsatzfragen des menschlichen Daseins. Das Dritte Reich ist eben kein Thema, das man leicht behandeln kann.

Sabrina Schmatz: München 1945 # 4: Geständnisse

Liebevoll und prägnant charakterisiert Schmatz die handelnden Personen. Ihre poetischen Bleistift-Zeichnungen wirken skizzenhaft, passen einfach zu Zeit und Stimmung, geben Dynamik und Lebendigkeit. Mit Photoshop bearbeitet Schmatz ihre Bilder noch ein wenig nach. Das verleiht Tiefe.

Sabrina Schmatz: München 1945 # 4: Geständnisse

Schmatz hat 2017 den ICOM Independent Comic Preis in der Kategorie „Herausragendes Artwork“ für ihre Serie erhalten. Zu Recht. Der extreme Kontrast – auf der einen Seite ein verheerender Krieg mit all seinen Grausamkeiten – und auf der anderen Seite die beginnende Liebesgeschichte zweier Menschen – ist ein sehr geschicktes (wenn auch nicht einfaches) Setting.

Sabrina Schmatz: München 1945 # 4: Geständnisse

Der fünfte Band soll zum Comicfestival 2019 in München erscheinen. Ganz schön lange Zeit, wenn man den düsteren und Unheil andeutenden Cliffhanger bedenkt

Norbert Elbers

Sabrina Schmatz: München 1945 – Gesamtausgabe

Mittlerweile liegen alle sechs Bände von München 1945.vor. Der Carlsen Verlag hat – mit dem Untertitel Eine Liebesgeschichte am Ende des Krieges – eine zweibändige gebundene Gesamtausgabe gestartet.

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Kriegszeiten

Nach Arne Jyshs Wave and Smile legte der Carlsen Verlag eine weitere Eigenproduktion vor, die sich mit dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan beschäftigt. Diesmal handelt es sich jedoch um keine Geschichte, die zwar “von realen Ereignissen inspiriert“ aber “frei erfunden“ wurde. Der Journalist David Schraven (Weisse Wölfe) war vor Ort in Afghanistan. Er führte Gespräche mit aktiven und ehemaligen Soldaten über ihre Einsatz-Erlebnisse, die er in seine Texte zum Comic Kriegszeiten einarbeitete.

Kriegszeiten

Auf der letzten Seite des Comics spricht Schraven Klartext: “Wir haben über die gefälschte Doktorarbeit von Minister von und zu Guttenberg geredet, über die Affären des Expräsidenten Christian Wulff, aber darüber, dass deutsche Soldaten weltweit eingesetzt werden um deutsche Interessen zu sichern, darüber haben wir zu wenig geredet.“ Der definitive Comic darüber, wie es “ohne Massendemos“ und “ohne politischen Grundsatzstreit“ zum größten “Wandel in der bundesdeutschen Wehrgeschichte kam“, ist Kriegszeiten leider nicht geworden.

Kriegszeiten
Schraven erinnert am Anfang des Buches noch einmal an die Ereignisse des 11. Septembers 2001, die er selbst vor Ort in New York miterlebt hat. Danach versucht er die wenig ruhmreiche Geschichte des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr zu schildern. Dabei wechselt er zwischen der bundespolitischen Ebene und den ihm geschilderten Erlebnissen von Soldaten vor Ort, was sich nicht so recht zusammenfügen will (vielleicht aber auch nicht soll).

Kriegszeiten
Wenn Schraven erzählt, dass Bundeswehrsoldaten an den Örtlichkeiten von denen aus deutsche Militäranlagen mit Granaten beschossen wurden “nicht nur einmal amerikanische Wasserflaschen, Zigaretten und Süßigkeiten gefunden“ haben, so erschließt sich die Schlussfolgerung “Damals sah es so aus als werde Krieg gespielt“ nicht wirklich. Doch Schraven gelingen auch viele großartige Momentaufnahmen eines für die Soldaten vor Ort sehr frustrierenden Kriegseinsatzes, für den sich in ihrer Heimat kaum jemand interessiert.

Kriegszeiten

Die groben nur in ocker oder braun kolorierten oft etwas leeren Bilder des Aligator Farmers Vincent Burmeister passen gut zum dokumentarischen Stil des Werkes, das in der Tradition der Comicreportagen von Joe Sacco (Palästina) steht.

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Cartoons ziehen in den Krieg

Nachdem die USA 1941 in den Zweiten Weltkrieg zogen, machte auch Hollywood mobil. Besonders gut geeignet um die Bevölkerung in Kriegsstimmung zu versetzen waren Cartoons. Für zahlreiche von der Regierung finanzierte kurze Zeichentrickfilme waren Hitler, Mussolini und der japanische Kaiser jetzt dankbare Spottobjekte.

Cartoons ziehen in den Krieg

Die interessantesten Filme entstanden bei Disney. Dort wurde unter dem Titel Victory through Airpower sogar ein abendfüllender Trickfilm produziert, der Werbung für die Bombardierung Deutschlands machte. Der schreiend komische Cartoon Der Fuehrer’s Face mit Donald Duck gewann sogar einen Oscar. Education for Death hingegen schildert sehr subtil, wie in Nazi-Deutschland junge Menschen von Propaganda verführt werden und ist einer der besten Zeichentrickfilme des Studios. Diese Disney-Cartoons sind in den USA unter dem Titel On the Front Lines gesammelt auf DVD erschienen.

Cartoons ziehen in den Krieg

Cartoons ziehen in den Krieg enthält eine hochinteressante 45-minütige TV-Dokumentation in der Trickfilmzeichner wie Chuck Jones zu Wort kommen. Garniert mit zahlreichen Ausschnitten wird ein aufschlussreicher Einblick in eine ungewöhnliche Art der psychologischen Kriegsführung geboten.

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Die Extras der DVD umfassen sieben passend dazu ausgewählte Cartoons: „Jungle Drums“ (Superman), „Scrap Happy Daffy“ (Daffy Duck), „Secret Agent“ (Superman),“The Ducktators“ (Daffy Duck), „Confusions of a Nutzy Spy“ (Porky Pig), „Daffy the Commando“ (Daffy Duck) und „The Sprit of 43“ (Donald Duck), insgesamt 51:22 min, wahlweise mit deutschen Untertiteln.

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Matt Baker: Good Girl Art

Der Name Matt Baker dürfte selbst eingefleischten Comic-Freunden auf Anhieb wenig sagen. Dem 1921 geborenen Zeichner gelang es als einem der wenigen Afro-Amerikanischer sich in der Comicbranche der vierziger und fünfziger Jahre zu behaupten. Seine Spezialität waren weibliche Figuren, die er atemberaubend schön zu Papier brachte.

Matt Baker: Good Girl Art

Dadurch kam Matt Baker 1954 zu der zweifelhaften Ehre in Frederick Werthams gegen die Comics hetzenden Buch Seduction of the Innocent mit einer Abbildung vertreten zu sein. Bakers Cover zu Phantom Lady # 17 wurde von dem in Nürnberg geborenen Psychiater Wertham als sadistische “Fesselphantasie“ angeprangert.

Matt Baker: Good Girl Art
Durch den von Wertham ausgelösten Comics Code, einer mehr oder weniger freiwilligen Selbstkontrolle, ging es danach in den US-Comics züchtiger zu. Matt Baker konnte jedoch die Leser noch eine Weile mit seiner “Good Girl Art“ erfreuen, bevor der lebenslang an einer Herzschwäche leidende Künstler 1959 starb.  Fünfzig Jahre später wurde Matt Baker auf dem San Diego Comic Con in die Will Eisner Hall of Fame aufgenommen,  noch vor prominenteren Zeichnern wie Burne Hogarth (Tarzan), Gilbert Shelton (Freak Brothers) oder Frank Miller (The Dark Knight Returns)!

Matt Baker: Good Girl Art

Einen guten Überblick über das Werk von Matt Baker bietet ein liebevoll aufgemachtes Buch der Berliner Interessengemeinschaft Comic Strip (INCOS). Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht “seltene Comicschätze zu heben“ und „in Form exklusiver Publikationen zugänglich zu machen“. Zwölf ausgewählte Comics von Baker wurden hierfür nicht nur deutsch übersetzt, sondern auch noch neu koloriert.

Matt Baker: Good Girl ArtDie Zusammenstellung ist sehr abwechslungsreich und zeigt, dass Baker in allen Genres wie Western, Krimi, Science Fiction, Kriegs-Comic oder Alltagsromanze (“Was mein Ehemann nicht wusste“) daheim war. Ob im Dschungel, in der Zukunft oder an vorderster Front, überall wimmelt es von schönen Frauen. Als Bonus enthält der Hardcoverband neben Hintergrundinfos noch einige sehr plakative Cover von Baker, die wie Steilvorlagen für Roy Lichtensteins Pop Art wirken. Das Buch ist für 35,- Euro hier über den INCOS zu beziehen.

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Jacques Tardi: Ich, René Tardi, Kriegsgefangener im Stalag IIB

Unglaublich mit welcher Hartnäckigkeit, Akribie und Kunstfertigkeit Jacques Tardi (120, Rue de la Gare) die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte aufarbeitet.

Jacques Tardi: Ich, René Tardi, Kriegsgefangener im Stalag IIB

Nach Comics über die Pariser Kommune von 1871 (Die Macht des Volkes) und vor allem über den ersten Weltkrieg – am beeindruckendsten wohl das Mammutwerk Elender Krieg 1914-1919 – widmet er sich der Geschichte seines Vaters René, der den Großteil des Zweiten Weltkriegs in einem deutschen Gefangenenlager in Pommern verbrachte.

Jacques Tardi: Ich, René Tardi, Kriegsgefangener im Stalag IIB

Grundlage des  Comics sind drei Schulhefte, die der 1986 verstorbene René Tardi seinem Sohn hinterließ. Jacques Tardi bricht in seiner Erzählung zu einer Reise auf. Als kleiner Junge begleitet er seinen Vater bei seinen Erlebnissen, die er in seinen wenigen Tagen als aktiver Soldat der französischen Armee und danach fast fünf Jahre als Kriegsgefangener hatte. Obwohl der 1946 geborene Jacques Tardi während des geschilderten Zeitraums noch gar nicht auf der Welt war, funktioniert der erzählerische Kunstgriff mit dem kleinen Jacques, der seinem Vater naive Fragen stellt oder freche Kommentare abgibt, sehr gut.

Jacques Tardi: Ich, René Tardi, Kriegsgefangener im Stalag IIB

Tardi gestaltete seine schwarzweißen Comicseiten, in denen er gelegentlich als Effekt rote Farbflächen einsetzt, genau wie in Elender Krieg in Form von drei sehr breiten untereinander angeordneten detailreich ausgeführten Einzelpanels.

Jacques Tardi: Ich, René Tardi, Kriegsgefangener im Stalag IIB

Das triste Grauen, das Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg erlitten haben, wurde in manchem Film allzu harmlos komisch dargestellt und steht zwangsläufig natürlich im Schatten des Grauens der Konzentrationslager. Auch daher war es dringend nötig, dass Tardi äußerst akkurat aufzeigt, wie grausam bei seinem Vater die verlorenen Jahre der Kriegsgefangenschaft verlaufen sind und wie viel Elend etliche Generationen im letzten Jahrhundert durch die zwei Weltkriege erleiden mussten.

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Ein schöner kleiner Krieg

Marcelino Truong ist der Sohn einer Französin und eines (süd-) vietnamesischen Diplomaten. Einen Teil seiner Kindheit verbrachte er in den USA in “einem Mittelklasse-Vorort“ von Washington, der “einer Norman-Rockwell-Werbung würdig“ war. Anschließend reiste der vierjährige Marcelino mit seiner Familie nach Saigon und erlebt dort von 1961 bis 1962 wie das Land langsam aber sicher zum Kriegsgebiet wurde.

Ein schöner kleiner Krieg

Ein schöner kleiner Krieg ist ein Comic, der sich etwas viel vornimmt. Zum einen erzählt Truong sehr sensibel von seinen Jugenderlebnissen als Asiate in den USA sowie als westlich geprägter Junge im fremdartigen Vietnam. Diese Ebene der Erzählung funktioniert sehr gut und steht ähnlich ausgerichteten autobiographischen Comics wie Majane Satrapis Persepolis oder Riad Sattoufs Der Araber von morgen in nichts nach.

Ein schöner kleiner Krieg

Nicht minder interessant sind die ausführlichen Einschübe, die historische Hintergründe vermitteln und zeigen wie gut sich das Medium Comic hierzu eignet. Truong hat hierfür ausgiebig recherchiert und als mittlerweile in Frankreich lebender erwachsener Mann auch viele Gespräche mit seinen Vater geführt. Zwar steht Truong der Einflussnahme der USA in Vietnam recht kritisch gegenüber, doch seine Antipathien gegenüber dem kommunistischen Norden des Landes kommen sehr viel stärker zum Ausdruck. Manchmal entsteht der Eindruck Marcelino Truong möchte seine Leser nicht nur informieren sondern auch ein wenig indoktrinieren. Zudem bilden die sensibel erzählten Erlebnisse des vier- bis sechsjährigen Marcelino und die in die Handlung einfließenden historischen Erläuterungen nicht immer eine Einheit.

Ein schöner kleiner Krieg

Auf alle Fälle ist Ein schöner kleiner Krieg ein hochinteressantes Stück Zeitgeschichte, das von Marcelino Truong sehr stilsicher mit gefälligen Zeichnungen und interessanter Farbgebung (wobei die Einleitungen der Kapitel fallen immer deutlich bunter aus als die dann folgenden Comicseiten) zu Papier gebracht wurde.

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