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Vertraue keinem Fremden

Kurz nachdem Hammer mit den ersten farbenfrohen und blutigen Versionen der Horror-Klassiker Frankenstein mit Peter Cushing und Dracula mit Christopher Lee große Erfolge feierte, drehte das britische Studio einen “Film mit Botschaft“, der auch heute noch stärker schockiert als die Kinoauftritte von Mumien, Monstern oder Mutanten.

Vertraue keinem Fremden erzählt von der Familie des Lehrers Peter Carter (Patrick Allen), der in einem kanadischen Städtchen eine Anstellung gefunden hat. Doch die Freude über den neuen Arbeitsplatz hält nicht lange an. Als Peter und seine Frau Sally (Gwen Watford) erfahren, dass ein alter Mann ihre Tochter Jean (Janina Faye) und ein weiteres kleines Mädchen durch in Aussicht gestellte Süßigkeiten dazu brachte, nackt für ihn zu tanzen.

Als Peter daraufhin Anzeige erstattet, muss er erfahren, dass es sich bei dem Lustmolch um Clarence Olderberry Sr (Felix Aylmer) handelt, dessen Familie ein Sägewerk betreibt und dadurch der Ortschaft Wohlstand beschert hat. Obwohl die Veranlagung des Mannes allgemein bekannt ist, scheitern die Carters vor Gericht. Da die Familie nicht will, dass ihre Tochter in unmittelbarer Nähe eines frei herumlaufenden Triebtäters aufwächst, packen die Carters ihre Koffer. Doch da ist es schon zu spät…

Mediabook Cover A

Als Vorlage zu Vertraue keinem Fremden diente das auf eigenen Erfahrungen basierende Theaterstücks The Pony Cart des US-Autors Roger Garis. Auch die Verfilmung steht eindeutig auf der Seite der Opfer. Regisseur Cyril Frankel (The Witches) vermeidet es aber trotzdem, aus dem Täter ein Monster zu machen. Felix Aylmer spricht als Olderberry Sr kein einziges Wort und sein Mimenspiel vermittelt ebenso glaubhaft wie bedrohlich, dass der alte Mann seine inneren Dämonen nicht im Griff hat.

Den Film wollte 1960 kaum jemand sehen. Freunde des ansonsten von Hammer bedienten Sensationskinos bekamen nicht das was sie erwarteten und die reißerische Werbung verschreckte das Arthouse- Publikum. Hammer war nach diesem Misserfolg nur noch in Genres wie Horror oder Thriller tätig.  

Mediabook Cover B

Das ist sehr schade, denn Vertraue keinem Fremden geht genauso behutsam mit seinem brisanten Thema Kindesmissbrauch um, wie zuvor die in ebenso sorgsam komponierten schwarzweißen Bildern erzählten Klassiker M – Eine Stadt sucht einen Mörder und Es geschah am helllichten Tag.

Zum Glück erscheint der Film jetzt endlich erstmals als Heimkino-Edition und das auch noch in vorbildlicher Aufmachung. Das Bonusmaterial auf der Blu-ray von Anolis Entertainment ist sehr viel umfangreicher als auf dem Backcover oder der Seite des Anbieters angekündigt wird. So gibt es zwei deutschsprachige Audiokommentaren von Rolf Giesen, sowie von Uwe Sommerlad & Volker Kronz, ein Essay von Matthew Holness zum Film (11:51 min, wie alle Extras wahlweise mit deutschen Untertiteln), einen Bericht von Laura Mayne über die Darstellerin Gwen Watson (7:59 min) und die Darstellerin Janin Faye erinnert sich an die Dreharbeiten (14:23 min).

Enthalten ist auch die “Vintage-Fassung“ der von der DEFA synchronisierten und in der DDR unter dem Titel „Nimm nichts Süsses von Fremden“ gezeigten 80-minütigen Films. Hinzu kommen noch der DDR-Kinotrailer des “amerikanischen Films“, der US- Kinotrailer (2:28 min), „Trailers From Hell“ mit dem britischen Filmemacher Brian Trenchard-Smith (3:21 min), sowie eine Bildergalerie, der deutscher Werberatschlag, ein Presseheft, sowie die Filmprogramme aus BRD und DDR.

Mediabook Cover C

Den Film erscheint auch in Form von drei limitierten Mediabook-Editionen mit verschiedenen Covern und einem 28-seitigem von Rolf Giesen geschriebenen Booklet.

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Warum ich Pater Pierre getötet habe

Der kleine Oliver ist hin und her gerissen zwischen seinen herzensguten aber strenggläubigen Großeltern, die jeden Morgen um 7 Uhr 30 in die Frühmesse gehen, und seinen atheistischen Eltern, die sich auch innerhalb ihrer Ehe alle Freiheiten lassen. Als er neun ist, tritt Pater Pierre in Olivers Leben. Dieser ist ein linker Priester und wird daher von Eltern und Großeltern akzeptiert.

Warum ich Pater Pierre getötet habe

Der lebensfrohe und unorthodoxe Pierre organisiert alljährlich ein Ferienlager für Jugendliche auf dem Lande. Die ersten Jahre fährt Oliver auch sehr gerne mit. Doch als er 12 ist, kommt ihm Pierre während einer Nacht bedrohlich nahe. Am nächsten Morgen fragt Pierre den verwirrten Jungen wie er darüber denkt. Oliver sagt: “Du bist erwachsen, ich bin ein Kind. Das kann nicht gehen.“ Pierre scheint sich darüber zu freuen und bittet Oliver nicht “darüber“ zu reden.

Warum ich Pater Pierre getötet habe

Damit scheint alles gut zu sein und Oliver fährt noch einige Jahre in Pierres Lager und versucht nicht an jene Nacht zu denken. Doch er schleppt diese Last mit sich herum und leidet schwer darunter. Mit 35 schreibt Oliver Ka sein Erlebnis schließlich nieder und sein Freund, der Zeichner Lionel Papagalli alias Alfred (Maltempo, Senso, Come Primo) machte 2006 eine Comicgeschichte daraus. Zur Recherche reisen Oliver und Alfred zum Ort des Geschehens und treffen dort überraschenderweise auf den stark gealterten Pierre…

Warum ich Pater Pierre getötet habe

Oft entsteht der Eindruck, die besten und vor allem persönlichsten Comics entstehen, wenn Autor und Zeichner identisch sind. Doch die autobiografische Geschichte “Warum ich Pater Pierre getötet habe“ profitiert davon, dass die Zeichnungen von Alfred und nicht von Oliver Ka stammen. Das gemeinsame Arbeiten am Comic glich sicher auch oft einer Therapiesitzung. Oliver musste nicht nur Alfred, sondern auch sich selbst klar machen, was damals genau passiert war und verdrängte Erinnerungen wieder hervorholen.

Warum ich Pater Pierre getötet habe

Alfred findet zur Visualisierung der Geschichte hochinteressante teilweise auch sehr verspielte Bildfolgen. Er wechselt gelegentlich den Zeichenstil und setzt auch schon einmal Fotos ein. Diese Experimente sind jedoch nie Selbstzweck, sondern vermitteln Gemütszustände ungewöhnlich klar und nachvollziehbar. Das Resultat ist nicht nur ein äußerst sensibler Comic über die Folgen von Kindesmissbrauch, sondern zeigt auch wie wichtig es ist offen darüber zu reden.

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