Ein irrsinnig aufwendiger Film über den 1941 erfolgten japanischen Angriff auf einen amerikanischen Marinestützpunkt erscheint ähnlich hirnrissig wie ein irrsinnig aufwendiger Film über den Untergang der Titanic. Doch ganz so erfolgreich wie James Camerons Schiffsunglück wurde Pearl Harbor 2001 dann doch nicht, auch wenn diesmal viel mehr Schiffe versenkt wurden.
Genau wie der Angriff auf Pearl Harbor für die zuvor nur sehr zögerlich am Zweiten Weltkrieg beteiligten USA ein Wendepunkt war, so ist auch das ungefähr in der Mitte des Films erfolgende Bombardement ein Wendepunkt in der Geschichte zweier Marineflieger. Rafe (Ben Affleck) verliebt sich in die Krankenschwester Evelyn (Kate Beckinsale) und kämpft freiwillig für eine englische Fliegerstaffel. Nachdem Rafe als verunglückt gemeldet wird, überbringt sein bester Kumpel, der schüchterne Danny (Josh Hartnett), diese traurige Nachricht und verliebt sich in Evelyn. Beide verbringen eine Liebesnacht zwischen Falschschirmen und prompt wird Evelyn schwanger.
Natürlich kehrt Rafe unverletzt aus Europa zurück und inmitten dieser dramatischen Verwicklungen greifen auch noch die Japaner an. Rafe und Danny gelingt es mit zwei Flugzeugen zu starten und sieben japanische Maschinen abzuschießen. Dies qualifiziert sie für ein (tatsächlich erfolgtes) Rache-Himmelfahrtskommando, bei dem B-25 Mitchell-Bomber von einem Flugzeugträger aus starten und Tokyo bombardieren sollen. Dieser Einsatz könnte Evelyn die Entscheidung zwischen Rafe und Danny abnehmen.
Der Film lässt sich für eine Jerry Bruckheimer-Produktion erstaunlich viel Zeit, seine Figuren vorzustellen und ist daher vor allem im wirklich dramatischen Finale auch durchaus mitreißend. Der teilweise im pseudodokumentarischen Stil von Der Soldat Ryan in Szene gesetzte Mittelteil mit dem Angriff auf Pearl Harbor hingegen wurde in gewohnter Bruckheimer-Manier hektisch zusammengeschnitten. Dieser Teil des Filmes ist nicht wirklich spannend, auch wenn, wie gesagt, mehr Schiffe als in Titanic untergehen.
Allen Unkenrufen zum Trotz trägt eher die Dreiecks-Liebesgeschichte als die bombastischen Schlachtengemälde. Während Michael Bay bei seiner sonstigen Spezialität, den aufwendigen Action-Szenen irgendwo zwischen Titanic-Dramatik und Private-Ryan-Realismus stecken bleibt, überrascht er als versierter Schmalz-Regisseur.
Knapp ein halbes Jahr nachdem Pearl Harbor erstmals auf DVD erschienen war, legte Michael Bay einen Director´s Cut nach. Hierfür hatte er 60 Szenen verändert. Der Film ist dadurch nicht mehr ab 12 sondern ab 16 Jahren freigegeben, doch insgesamt nur eine Minute länger. Im Wesentlichen geht es beim Angriff auf Pearl Harbor etwas heftiger zu (einmal wird ein Soldat von den Bomben enthauptet) und zum Ende hin ist eine überflüssige Lagerfeuer-Szene zwischen unseren Fliegerfreunden weggefallen und stattdessen unterhalten sie sich auf dem Flugzeugträger. Insgesamt hat der Film dadurch etwas gewonnen.
Extras der DVD-Box mit dem Director´s Cut: Drei Audiokommentare: 1. Ein sehr informatives Gespräch zwischen Regisseur Michael Bay und der Filmhistorikerin Jeannine Basinger, 2. Produzent Jerry Bruckheimer mit den Darstellern Ben Affleck, Josh Hartnett und Alec Baldwin, 3. Komponist Hans Zimmer gemeinsam mit Kameramann, Kostümbildner und Art Director, wie fast alle Extras wahlweise mit deutschen Untertiteln.; Detailliertes Produktionstagebuch zu den Dreharbeiten (64:21 min); Umfangreiche geschichtliche Dokumentation zu den japanisch-amerikanischen Beziehungen mit deutsch eingesprochenen Texten (68:53 min); Filmmaterial als Super-8-Montage (4:39 min); Zeitzeugenbericht einer auf Pearl Harbor stationierten Krankenschwester (5:43 min); Musikvideo: “There you´ll be“ von Faith Hill (3:47 min, 1:2,35, nicht anamorph, Stereo 5.1); Die wahre Geschichte über den Bombenangriff auf Tokyo unter der Leitung von Pilot J. Doolittle, ein sehr interessanter Bericht des “History Channel“ (45:53 min); Multi-Angle-Demonstration (Film, Set, Storyboard) und Multi-Audio-Demonstration (sieben verschiedene Tonspuren der wichtigsten Action-Sequenzen (27:45 min);
Die hohe Kunst der Effekte: Regisseur Michael Bay und ILM-Spezialist Eric Brevig unterhalten sich über die Special Effects (21:26 min); Die Vision vor dem Drehbuch und das ausschlaggebende ANIMATIC, mit dem alles begann (5:46 min) mit Kommentar von Michael Bay, jedoch ohne Untertitel; Boot Camp Special: Zwei Berichte über die Vorbereitungen der Hauptdarsteller im US-Army-Trainingslager (15:55 min und 5:46 min); Galerie mit über 500 Storyboard-Zeichnungen, Postern und Fotos vom Dreh; Easter-Egg: Wenn im Menü “Visuell Effects“ vom “Hauptmenü“-Feld nach rechts gegangen wird, erscheint ein roter Stern. Wenn dieser angeklickt wird, ist noch ein 22-minütiger Bericht über die Spezialeffekte zu sehen; Hinter den Kulissen: “Vom geschichtlichen Ereignis zum Film-Epos“, ein recht ausführliches Making Of (47:29 min, 16:9, nicht anamorph); Japanisches Statement zum Film (1:51 min), Mako der Darsteller des japanischen Admirals Yamamoto erklärt, dass im Film die Japaner geschichtlich fair behandelt wurden; Kinotrailer (2:27 min, 1:2,35, nicht anamorph, Stereo 2.0)
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