2005 veröffentlichten die Bild-Zeitung und die Frankfurter Allgemeine Zeitung zeitgleich die 12-bändige Bild-Comic-Bibliothek und die 20-bändigen Reihe Klassiker der Comic-Literatur – Ausgewählt vom F. A. Z. – Feuilleton. Obwohl hier populäre Titel wie Asterix, Donald Duck, Lucky Luke oder Superman vertreten waren, blieb ein nachhaltiger Erfolg aus.
Die sechs Jahre später erschienene zehnbändige Süddeutsche Zeitung Bibliothek – Graphic Novels hingegen verkaufte sich so gut, dass sie bereits ein Jahr fortgeführt wurde. Nachdem Anfang 2012 als Edition II zehn weitere sehr gut zusammengestellte Bände erschienen waren, folgten ein Jahr später acht thematisch zusammenhängende Comics, die sich mit dem Thema “Verbrechen“ beschäftigten. Leiden waren nicht alle Ausgaben der dritten Edition herausragende Werke der Comic-Literatur.
Zum Auftakt der Reihe gibt es jedoch mit From Hell einen echter (600-seitigen!) Klassiker, der sich mit Jack the Ripper und seinen fünf Dirnenmorden beschäftigt. Obwohl es sich hierbei eigentlich um einen recht beliebten Mythos handelt, ist der Comic alles andere als leicht zugänglich. Daher brauchten Alan Moore (Watchmen) und der schottische Zeichner Eddie Campbell auch zehn Jahre bis endlich eine Gesamtausgabe erscheinen konnte.
Hauptproblem des Comics ist, dass sich die Geschichte Lesern, die kaum mit den Tatsachen rund um die 1888 im Londoner Stadtteil Whitechapel begangenen Morden vertraut sind, nur sehr schwer erschließt. Daher verfügt From Hell dankenswerterweise auch über einen sehr umfassenden Anhang, der zu fast jeder Seite umfangreiche Zusatzinformationen liefert und am besten gleichzeitig mit der Comic-Erzählung gelesen werden sollte.
Der zweite Bandi st der wohl am schwersten zugänglichste der Reihe. Vallat spielt 1916 in Zürich. Während im übrigen Europa der Erste Weltkrieg wird der Polizeibeamte Charles Vallat bei Emittlungen in ein tödliches Komplott verwickelt. Das vom Schweizer Trio Massimo Milano (Zeichner), Reto Gloor (Texter) und Bruno Moser (Kunstmaler und Initiator) zu Papier gebrachte Werk verzichtet fast ganz auf einzelne Panels und die Sequenzen werden unterschiedlich layouteten Bild-Collagen zusammengefügt. Das sieht nicht uninteressant aus, macht die Geschichte aber nicht unbedingt lesbarer.
Stadt aus Glas ist der erste Band von Paul Austers New-York-Trilogie und erzählt teilweise im Stil eines Krimis von einem Autoren, der sich zunehmend mit seiner literarischen Schöpfung identifiziert. David Mazzucchelli (Batman: Year One) setzte Austers Roman in klare und schlichte Zeichnungen um. Dabei wird teilweise recht interessant. doch auf die Dauer etwas ermüdend, mit den Stilmitteln des Mediums Comic gespielt wird. Das Resultat überzeugt stärker in einzelnen Momenten als im großen Ganzen, doch immerhin war Paul Auster mit der Comicadaption seiner Geschichte vollauf zufrieden.
Tod eines Mörders ist ein farbiger Film Noir über einen todkranken Killer, der noch ein paar Rechnungen offen hat. Die Geschichte spielt in den 50er-Jahre in Paris und Avignon. Der Autor Philippe Paringaux geht sparsam mit Dialogen um und setzt stärker auf längere erläuternde Prosa-Passagen. Doch obwohl seine Geschichte spannend und gelegentlich sogar überraschend ist sind es die Bilder von Jacques de Loustal, die den Comic zu etwas Besonderen machen, denn sein Umgang mit Farbe ist einzigartig. Tod eines Mörders erscheint innerhalb der SZ-Bibliothek leider etwas kleinformatiger und mit einem hässlichen, weil schwarzweißen Titelbild.
Isabel Kreitz beschäftigt sich in Die Sache mit Sorge auf über 200 Seiten mit der schillernden Persönlichkeit des im Auftrag von Stalin in Tokio spionierenden Richard Sorge. Dass durch seine Spionage-Tätigkeiten zweifelsohne früher eingetretene Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte der 1944 in Tokio wegen Verrats gehängte Sorge nicht mehr. Durch einen stark auf Grautöne setzenden sehr detaillierten Zeichenstil vermittelt Isabel Kreitz glaubhaft den Seelenzustand von Menschen, die in der Fremde festhängen und niemanden trauen.
Bereits die Regisseure Howard Hawks und Brian De Palma adaptierten Armitage Trails Roman Scarface. Die Version von Christian De Metter, der auch einen Comic zum von Martin Scorsese verfilmten Roman Shutter Island zeichnete, hat leider nicht das Zeug zum Klassiker. De Metter setzt nahezu das komplette Klischee-Arsenal des US-Gangsterfilms der 30er-Jahre ein. Auch formal kann sein Comic kaum punkten, denn die zumeist in blassen grüngelben Farben kolorierten Bilder wirken wie unbeholfen eingefärbte Fotos.
Der Titel Die Packard Gang und der rasant in Szene gesetzte Auftakt verheißen einen Auto-Action-Trip vor der dekorativen Kulisse der USA in den 50er-Jahren inklusive Retro-Klamotten und allem Pipapo. Marc Malès bietet genau dies und dank seiner verschachtelten Erzählstruktur sowie knapper und intelligentern Dialogen entsteht beträchtliche Spannung. Die Packard Gang wurde von Malès in exzellenter Schwarzweißgraphik in Szene setzt. Zweifelsohne ein guter Comic zur rasanten Lektüre, dennoch gehört er nicht zu den 28 Graphic Novels, die ich mit auf eine Insel nehmen würde…
Der Comickünstler Jon J. Muth stellte 1990 die Handlung von Fritz Langs Klassiker M – Eine Stadt sucht einen Mörder mit “Freunden, Familienmitgliedern und Fremden“ nach. Anschließend verfremdete er die dabei entstandenen Fotos zeichnerisch und montierte die sie zu einer Comic-Miniserie, die durchaus ihre Bewunderer fand. Doch es stellt sich auch die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, eine perfekt visualisierte Vorlage als Comic zu adaptieren. Muth reicherte das Drehbuch zwar um einige neue Aspekte an, dennoch spielt der Comic in seinem Genre nicht in derselben Liga wie Fritz Langs Meisterwerk im Kanon der Filmklassiker.
Die dritte Edition dieser Reihe ist durchwachsener ausgefallen als die vorherigen Veröffentlichungen. Mit From Hell, Stadt aus Glas und Die Sache mit Sorge sind lediglich drei wirklich gute Graphic Novels und mit Vallat und Scarface zwei sehr schwache Comics enthalten. Dass mit „Verbrechen“ also „Crime“ ein gemeinsames Thema gewählt wurde, war keine gute Idee, denn gute Graphic Novels lassen sich nur selten einem Genre zuordnen. Wie dem auch sein, bis heute wurde die Süddeutsche Zeitung Bibliothek – Graphic Novels leider nicht fortgeführt.
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