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Garth Ennis: Punisher Collection 3

Der dritte Band dieser Collection startet mit sechs Storylines, die Garth Ennis zwischen 2006 und 2008 geschrieben hat. In jeweils sechs oder sieben Heften wurden diese beim Marvel-Erwachsenenlabel MAX veröffentlicht. Die Geschichten sind in sich abgeschlossen, bauen aber aufeinander auf. Das Tüpfelchen auf dem i sind auch diesmal Tim Bradstreets detailverliebte, oft recht waffenfetischistische Cover, die stark an Filmposter erinnern.

Die schlechte Nachricht gleich zuerst: Die zweite Story Mann aus Stein ist ziemlicher Müll. Garth Ennis ließ hier seiner Miniserie Mütterchen Russland eine ziemlich einfallslose Fortsetzung folgen. Noch schlimmer sind die unbeholfen wirkenden Zeichnungen von Leonardo Fernandez, der – ganz im Gegensatz zu seiner guten Graphik bei Ennis‘ meisterlicher Miniserie Die Sklavenhändler – diesmal sehr detailarm arbeitete und Frank Castle nur sehr selten gut erkennbar zu Papier bringt.

Sehr viel besser funktioniert die nächste Geschichte, die davon erzählt, wie der Punisher beim Kampf gegen skrupellose Wirtschaftskriminelle auf den völlig durchgeknallten Auftragskiller Barracuda trifft. Dieser ständig fluchende Koloss von einem Kerl, den Ennis hier in das Marvel-Universum einführt, steht in der Tradition von nahezu unzerstörbaren Punisher-Gegnern wie Ma Gnucci oder dem Russen. Auch die blutrünstige Geschichte lässt an Ennis’ Fun-Splatter-Anfänge als Punisher-Autor denken. Passend dazu erinnern die sehr realistischen, aber gelegentlich auch leicht karikierenden Zeichnungen von Goran Parlov an Steve Dillons schnörkellosen Stil.

Die nächste Geschichte wurde von Lan Medina ebenfalls sehr souverän zu Papier gebracht. Witwenmacher hat einen sehr viel bitteren Unterton. Hier wollen sich fünf Frauen, deren Mobster-Ehemänner von Frank Castle umgebracht wurden, am Punisher rächen und stellen sich dabei gar nicht so ungeschickt an.

Zentrale Figur ist jedoch Jennifer, die Schwester einer der Witwen. Sie ist dem Punisher dankbar dafür ist, dass dieser ihren sadistischen Mafia-Ehemann ermordet hat und (Vorsicht, Spoiler!) schlüpft sogar in dessen Kostüm mit dem Totenkopf. Die teilweise sehr sensibel erzählte Geschichte mündet in ein ebenso blutiges wie tragisches Finale.

Danach hat sich Garth Ennis wieder dem nicht tot zu kriegenden Barracuda gewidmet, doch der Punisher taucht gar nicht auf. Am Ende einer satirisch angehauchten, in karibischer Umgebung spielenden Geschichte wird jedoch klar, dass Barracuda noch ein Hühnchen mit dem Punisher zu rupfen hat. Zuvor gibt es viel blutrotem Slapstick und Goran Parlovs Zeichnungen sind am Rande der Karikatur angesiedelt. So trägt etwa ein Gangsterboss unverkennbar die Gesichtszüge von Christopher Walken, während dessen seltsam deformierter Sohn, so wirkt als wäre aus einem Looney-Tunes-Cartoon entsprungen.

Ein deutlich ernsthafterer Grundton herrscht danach in der ebenfalls von Ennis und Parlov stammenden Storyline Die lange, kalte Nacht, obwohl hier wieder Barracuda eine zentrale Rolle spielt. Gleich das erste Kapitel endet mit einem als Schlusspointe daherkommenden Cliffhanger, der wirklich völlig überrascht und hier nicht verraten werden soll. Einmal mehr gilt: Völlig krankes Zeug, das schwer zu Herzen geht.

Mit der ebenfalls von Parlov gezeichneten Geschichte Valley Forge, Valley Forge verabschiedet sich Ennis erst einmal vom Punisher. Einmal mehr erzählt er hier eine War Story. Es geht um acht in kriminelle Angelegenheiten verwickelte US-Generäle, die nicht zu Unrecht vermuten, dass der ansonsten nicht eben zimperliche Punisher Probleme damit haben wird, US-Soldaten zu töten.

Mit schmutzigen Tricks gelingt es den Offizieren eine Delta-Force-Spezialeinheit nach New York zu schicken, wo sie Castle zur Strecke bringen sollen. Doch ganz so einfach ist das natürlich nicht, und der an Morgan Freeman erinnernde Colonel Howe ist als Chef der Spezialeinheit auch nicht so einfach zu steuern wie erwartet. Valley Force, Valley Force überrascht auch dadurch, dass Ennis in die Handlung scheinbar wahllos Auszüge eines fiktiven biografischen Vietnam-Berichts, sowie von Goran Parlov sehr stimmig gezeichnete “Fotodokumente“, einfließen lässt. Dies verleiht der Geschichte zusätzliche Tiefe.

Zum Abschluss präsentiert dieser Band drei kürzere Stories, die vor Valley Force, Valley Force entstanden sind. Etwas ganz Besonderes ist die 2006 entstandene Geschichte Tiger, Tiger von 2006. Der in den 50er-Jahren für MAD und die EC-Comics tätige John Serverin setzte den 49-seitigen Comic in einem nostalgische Gefühle weckenden Retro-Stil in Szene. Dies passt sehr gut, da Ennis eine 1960 spielende Episode erzählt. Lange bevor er die Hölle des Vietnamkriegs kennenlernte, erlebte der zehnjährige Frank Castle bereits schreckliche Dinge.

Das Viertel in Brooklyn, in dem der sich stark für Poesie interessierende Junge aufwächst, wird von einem Mafiaclan terrorisiert. Besonders schlimm treibt es Vincent Rosa, der jüngste Sohn des Paten, der etlichen minderjährigen Mädchen den Kopf verdreht und sich rücksichtslos an ihnen vergeht. Dies führt zu Schwangerschaften und Selbstmorden. Auch Lauren, ein Mädchen, das Frank sehr viel bedeutet, bringt sich um. Eines Abends, als seine Eltern schon schlafen, greift Frank heimlich zur gut versteckten Dienstpistole, die sein Vater aus den Weltkrieg mitbrachte, und macht sich auf den Weg…

Kunstvoll eingebettet in interessante Pro- und Epiloge Ennis gelang hier einmal mehr eine ungewöhnliche Geschichte. Dabei beschäftigt er sich auch mit einem Gedicht von William Blake, weckt Emotionen und präsentiert ein ganz schön blutiges, aber auch sehr konsequentes Ende.

Mit Die Zelle folgt eine weitere Kurzgeschichte, die auf 48 Seiten davon erzählt, wie sich Frank Castle der Polizei stellt. Dadurch wird er in jenes Gefängnis gesperrt, das von einigen Häftlingen beherrscht wird, die von ihrer komfortabel ausgestatteten Zelle aus weiterhin ihre kriminellen Geschäfte steuern. Bei diesen Insassen handelt es sich um jene Männer, die die Verantwortung dafür tragen, dass Franks Frau und Kinder gestorben sind. Diese solide Punisher-Story von 2005 setzte Lewis LaRosa in gut dazu passender düsterer Optik in Szene.

Zum Abschluss gibt es noch ein weiteres Highlight. The End entstand 2004 und spielt in einer gar nicht so weit entfernten Zukunft. Hier bekommt der Direktor eines Hochsicherheits-Gefängnisses die Anweisung alle Gefangenen umzubringen. Doch dank eines Stromausfalls gelingt es Frank Castle zu entkommen. Die plötzliche Freiheit ist jedoch nicht wirklich ein Fortschritt, denn der Himmel brennt und die USA ist durch einen Atomkrieg völlig zerstört. Auch für die Elite, die sich in unterirdischen Bunkern verkrochen hat, gibt es keine Rettung, denn dafür sorgt schon der Punisher…


Am Zeichenbrett saß diesmal die Zeichner-Legende Richard Corben, dessen zur Abwechslung nicht plastisch, sondern meist flächig kolorierten Zeichnungen sorgen für die nötige apokalyptische Atmosphäre. The End ist der perfekte Schlusspunkt für diese Edition, die zum Glück noch mit einem vierten Band beendet wird.

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