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Modesty Blaise

Der Brite Peter O’Donnell wurde zwei Tage vor Beginn des Zweiten Weltkriegs eingezogen und blieb bis 1946 Soldat. Er war stationiert in Italien, in Ägypten, auf Zypern und dem damaligen Persien. Dort traf er mit einigen Kameraden ein barfüßiges Flüchtlingsmädchen, das “sehr selbstsicher wirkte, anscheinend gewohnt war, allein unterwegs zu sein“, dabei “vorsichtig aber nicht ängstlich war, ohne Hilfe von jemanden zu erwarten.“

O’Donnell überließ dem Mädchen einige Konserven und einen Dosenöffner, bevor sie weiterzog. Der nach dem Krieg als Autor tätige O’Donnell musste an das Flüchtlingskind denken, als er 1962 den Auftrag erhielt, einen Comicstrip für den Daily Express zu schreiben. Mit seinen Texten bediente er damals zwei verschiedene Genres: “Einerseits starke Machohelden, andererseits romantisches Liebesgeläut, wobei ich meine `Frauensachen´ immer mit etwas Abenteuer würzte“.

Der Autor hatte immer wieder darüber nachgedacht, beide Thematiken zu vereinen, also zu erzählen, von einer “Frau voller Weiblichkeit, aber im Kampf so gut wie jeder Mann, wenn nicht besser.“ Der Auftrag für den Daily Express spornte ihn an, sich des Themas anzunehmen. Er erinnert an seine Begegnung mit dem Flüchtlingsmädchen und wurde dadurch zu Modesty Blaise inspiriert, einer Frau, die durch ihre tragische Vergangenheit selbstbewusst geworden war und ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt.

Cover von Matthias Schultheiss zur Carlsen-Ausgabe von Modesty Blaise

Modestys Leben in der Wildnis und auf der Straße führte sie in die Kriminalität. Als junge Frau leitete sie eine Organisation namens The Network, die alle Schandtaten außer Prostitution und Drogenhandel im Angebot hatte. Als frischgebackene Millionärin gelang ihr der Absprung und sie ließ sich in England nieder. Sir Gerald Tarrant vom britische Geheimdienst fragte höflich nach, ob sie gelegentlich Spezialaufträge übernehmen würde. Da sie sich langweilte, ließ sie sich gerne zu gefährlichen Missionen überreden.

Während Peter O’Donnell sehr lange über den Charakter seiner Hauptfigur nachgedacht hatte, war ihm – nachdem er wusste wie Modesty tickte – sofort klar, wie ihr Kumpel Willie Garvin beschaffen sein musst. Äußerlich ist er ein blonder Sonnyboy, der nahezu alles kann. Doch auch er hat eine tragische Vergangenheit und es war Modesty, die ihn aus einem Gefängnis holte und seinen guten Kern freilegte. Eine der Reize des Comics besteht darin, dass Modesty und Willie zwar ganz enge Freunde sind, aber nicht miteinander schlafen. Über die Bettgeschichten des jeweils anderen sind sie jedoch bestens informiert und reden ganz ohne eifersüchtige Gefühle sehr gerne darüber.

Eine Bleistiftstudie von Frank Hampson wurde als “nicht sexy genug“ abgelehnt.

Als O’Donnell das Konzept seiner Serie fertiggestellt hatte, waren große Teile der britischen Presselandschaft noch nicht auf eine derart starke unabhängige Frau vorbereitet. Der Daily Express lehnte ab und Modesty Blaise debütierte am 13. Mai im Londoner Evening Standard. Die Serie wurde bis 2001 ohne Unterbrechung fortgesetzt und in 42 Ländern veröffentlicht. Als Zeichner war ursprünglich Frank Hampson, der Schöpfer des britischen Science-Fiction-Comics Dan Dare, vorgesehen. Doch zum Glück war es dann der großartig mit Schwarzflächen und Pinselstrichen jonglierende Jim Holdaway der das Erscheinungsbild der Hauptfiguren maßgeblich prägte.    

Ich denke es kann nicht schaden, wenn ich anmerke, dass ich schon seit ewigen Zeiten ein Fan von Modesty Blaise und Willie Garvin bin. Seit ich 2006 den ersten Prinz-Eisenherz-Band des Bocola Verlags in Händen hielt, hoffte ich, dass das Team von Achim Dressler in derselben großartigen Qualität eine Gesamtausgabe meines Liebling-Comicstrips herausbringen würde. Jetzt ist genau dies gesehen und meine hohen Erwartungen wurden mehr als übertroffen.

Die Vorlagen der bei Bocola zum Abdruck gekommenen Zeitungsstrips stammen aus sechs verschiedenen Quellen. Ebenfalls enthalten sind die nur im auch am Karfreitagen und am Weihnachtstag erscheinenden Glasgow Citizen abgedruckten Strips. Ich wusste bereits viel über die Comicserie, doch einen Großteil der in diese Rezension eingearbeiteten Hintergrundinfos verdanke ich den fundiert zusammengestellten Vorworten, die in den ersten beiden Bänden dieser lange erwarteten Gesamtausgabe enthalten sind.

Abschließend muss unbedingt noch erwähnt werden, dass es den ersten Band von Bocolas im  Hardcover-Querformat von 30 x 28 cm veröffentlichten, neu übersetzten Gesamtausgabe der kompletten Comicstrips beim Verlag auch als auf 100 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover und signiertem Druck von Franz Gerg (Max & Luzie) gibt!

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Mein Name ist Modesty

Ein Film über die Comicheldin Modesty Blaise und auch noch von Quentin Tarantino produziert, das klingt wahrhaft spannend. In 95 Comicgeschichten (die besten davon hat Jim Holdaway gezeichnet) und vor allem in seinen 12 Romanen schuf der englische Autor Peter O’Donnell ein faszinierendes Universum rund um die ehemalige Verbrecherin Modesty Blaise, die wenn es ihr gerade gelegen kommt beim britischen Geheimdienst aushilft.

Bereits 1966 drehte Joseph Losey mit Monica Vitti eine recht aufwändige Verfilmung, die jedoch ihr Thema völlig verfehlte und alle Qualitäten von Peter O’Donnells Schöpfung völlig ignorierte. Ein ähnlicher Eindruck entsteht auch beim ersten Sichten von Mein Name ist Modesty. Da die Gebrüder Weinstein die Rechte an der Figur hatten und kein großes Filmprojekt in Gange kam, ließen sie Scott Spiegel (From Dusk till Dawn 2) in 19 Tagen in Rumänien einen Billigfilm drehen. Erzählt wird ein sehr frühes Abenteuer von Modesty Blaise, was den Nachteil hat, dass die ganz speziellen Vorzüge der Serie kaum zum Tragen kommen, weil z. B. Modestys Kompagnon Willie Garvin noch gar nicht dabei ist.

Mein Name ist Modesty

Doch ganz so schlimm ist der Film dann doch nicht und das Werk fand immerhin die Gnade von Peter O’Donnell, der ohnehin von Tarantino ziemlich angetan ist, seit dieser höflich anfragen ließ, ob eine von John Travolta gespielte Figur in Pulp Fiction einen Modesty Blaise-Roman lesen darf. Doch Tarantinos Beteiligung an Mein Name ist Modesty beschränkt sich anscheinend ohnehin nur darauf, dass er als großer Fan der Figur das Drehbuch gar nicht einmal so schlecht fand und auf der DVD für ein (immerhin recht launiges) Interview zur Verfügung stand.

Mein Name ist Modesty

Auch ansonsten versöhnen die Extras der DVD (darunter ein hochinteressantes Interview mit Peter O’Donnell ) etwas mit dem doch arg bescheiden geratenen Film. Schade an der ganzen Sache ist vor allem, dass die Rechnung nicht wirklich aufging und ein aufwändigerer Fortsetzungsfilm über die spätere Modesty Blaise bisher leider nicht in Sicht ist.

Mein Name ist Modesty

Extras der DVD: Zwei Audio-Kommentare: 1. von den Drehbuchautoren Lee Batchler und Janet Scott Batchler und 2. vom Regisseur Scott Spiegel und dem Produzenten Ted Nicolaou, wie alle Extras wahlweise mit deutschen Untertiteln; Making Of (13:40 min); Interview mit Peter O’Donnell (52 min); Interview mit Quentin Tarantino und Scott Spiegel (42 min); Ein Rückblick auf die „Modesty Blaise Comics“: Englischsprachige Texttafeln zu allen 95 Comics

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