Bryan Talbots Comic Grandville funktioniert auf erstaunlich vielen Ebenen erstaunlich gut. Am wichtigsten dürfte sein, dass hier spannende Kriminalfälle mit ebenso viel Action wie Humor erzählt werden und dass die Hauptfiguren dem Leser von Album zu Album immer mehr ans Herz wachsen.
Die Serie spielt in einer von anthropomorphen Tieren beherrschten Welt, in der Menschen „Teiggesichter“ genannt werden und Bürger zweiter Klasse sind. Dennoch hat dieses Universum auch Bezugspunkte zu unserer Realität, denn der Löwe Napoleon hat hier vor 200 Jahren die Schlacht bei Waterloo gewonnen und Frankreich ist seitdem die alles dominierende Macht in Europa.
Die Hauptstadt Paris heißt bei Bryan Talbot Grandville, benannt nach dem Zeichner Jean Ignace Isidore Gérard, der unter dem Pseudonym J. J. Grandville veröffentlichte. Hauptfigur der Comic-Geschichten ist der englische Polizist Archibald Archie LeBrock, ein Dachs mit einer bewegten Vergangenheit. Sein Assistent ist die Ratte Ratzi und das Duo muss immer wieder nach Grandville über die Kanalbrücke reisen, um Mordfälle zu klären, die in Verbindung mit Verschwörungen in höchsten Kreisen stehen.
Mit der Serie Grandville zollt der Brite Talbot auch der sehr vitalen frankobelgischen Comic-Szene Tribut. Gleich im ersten Album kommt es zu einer Begegnung mit einem Hund namens Snowy Milou. Diese tragische, in einer Opiumhöhle vor sich hindämmernde Figur, ist zweifelsohne eine Hommage an Tims treuen Begleiter Struppi, der im Original Milou und im Englischen Snowy heißt. Zudem gibt es Anspielungen auf Sherlock Holmes, James Bond, Künstler wie Auguste Rodin oder Gustave Dore und vor allem auf die Figuren aus Kenneth Grahams Klassiker Der Wind in den Weiden.
Gleich im ersten Grandville-Abenteuer wird LeBrock mit einer tragische Liebesgeschichte und einen perfiden Plan zum Herbeiführen eines Krieges zwischen Frankreich und England konfrontiert. Anspielungen auf 9/11 sind hier unübersehbar, aber auch der Page Spirou taucht auf. In Band 2 Mon Amour kann der psychopathische Mörder Bad Dog Mastock kurz vor seiner Hinrichtung aus einem britischen Knast fliehen, natürlich nach Grandville. Auf der Jagd trifft LeBrock auf zwei Prügelknaben, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit Gaston von André Franquin und Lucien von Frank Margerin haben. In Band 3 De Luxe begeben sich LeBrock und Ratzi in den Louvre um den mörderischen Plan einer aufgeblasenen Kröte zu vereiteln. Gastauftritte gibt es hier u. a. von Mortimer aus Blake & Mortimer, den Bären Paddington, Little Lulu und den Schlümpfen.
Bryan Talbot ist wohl der vielseitigste Künstler der britischen Comic-Szene. Er wird völlig zu Recht als der „David Bowie der Comics“ bezeichnet, da er sich bei jedem Album neu erfindet. Er hat mit Neil Gaiman an „he Sandman gearbeitet, mit dem Zweiteiler Mask (erschienen in Legends of the Dark Knight # 39 und # 40) einen verstörenden Batman-Comic abgeliefert und in dem auch bei uns veröffentlichten Album Die Geschichte einer bösen Ratte eine sehr vielschichtige Biografie der Illustratorin Beatrix Potter in Szene gesetzt. Es ist eine Schande, dass aktuelle Comic-Meisterwerke wie Comics wie Dotter of Her Father’s Eyes, bei dem Talbot mit seiner Gattin Mary zusammenarbeitete, keinen deutschen Verleger finden.
Dies hat sich etwas geändert, nachdem Mary und Bryan Talbot 2015 zum Comicfestival München kamen und Egmont anschließend Votes for Women – Der Marsch der Suffragetten herausbrachte.
Es bleibt zu hoffen, dass bei uns auch das Mitte 2016 erscheinende neueste Werk der Talbots herausakommt. In The Red Virgin and the Vision of Utopia erzählen sie aus dem spannenden Leben der französischen Anarchistin, Feministin und Revolutionärin Louise Michel.
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