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Zettl

Eine gewisse Vorfreude herrschte schon, als 2012 zu erfahren war, das es Helmut Dietl (Schtonk!, Monaco Franze) endlich gelungen war eine Fortsetzung seiner legendären TV-Serie Kir Royal ins Kino zu bringen. Eine Verlegung der Geschichte von München (dass die Serie keine rein bayrische Angelegenheit war, belegte schon die Tatsache, dass seinerzeit nicht der BR sondern der WDR produzierte) nach Berlin erschien nur konsequent, denn dort ist zur Zeit in Deutschland die größte Dichte von Blendern und Skandalen.

Da Franz Xaver Kroetz nicht die zweite Geige neben Michael Bully Herbig spielen wollte, ließ Dietl die Figur des Baby Schimmerlos zu Beginn des Films in einer Zeichentricksequenz das Zeitliche segnen. Der von Herbig gespielte Chauffeur Zettl übernimmt die Chefredaktion eines neuen Online-Klatschmagazins namens The New Berliner. Er könnte das Internet bequem vollblastern mit Meldungen über besoffene Talkmasterinnen, Geschlechtsumwandlungen beim Berliner Bürgermeister oder die Hintergründe vom Tod des Bundeskanzlers, wenn er nur dürfte.

Das Resultat ist nicht wie Kir Royal eine opulent in Szene gesetzte sinnliche Zurschaustellung von menschlichen Unzulänglichkeit und Abgründen, sondern ein ganz furchtbares Kaspertheater in denen ansonsten zuverlässige Darsteller wie Ulrich Tukur, Götz George oder Sunnyi Melles darum wetteifern, sich auf möglichst nervige Art zu blamieren. Einzig Senta Berger und Dieter Hildebrandt, die ihre Parts aus Kir Royal noch einmal spielen, gelangen ein paar wirklich rührende Szenen, die jedoch auch nichts mehr rausreißen.

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Halt auf freier Strecke

Wenn ich diesen Film empfehle, rate ich zugleich auch dazu, ihn möglichst nicht alleine zu gucken. Halt auf freier Strecke ist ein mit 110 Minuten nicht ganz kurzer Film über das Sterben. Er ist meilenweit von Hollywood-Dramaturgie und Hochglanzoptik entfernt, ja fast schon ein Dogma-Film.

Halt auf freier Strecke

Es spielen echte Krankenpfleger und Ärzte mit, leider ist auch jener Krebsspezialist echt, der am Anfang des Filmes dem 44-jährigen Frank Lange und seiner Frau Simone erschreckend unbeholfen zu erklären versucht, was er festgestellt hat.Frank Lange hat einen nicht operablen Gehirntumor und nur noch wenige Monate zu leben. Die letzten Tage des Vaters zweier Kinder, der gerade ein kleines Eigenheim in der ostdeutschen Provinz bezogen hat, gibt der Film erschreckend detailgetreu in improvisierten Spielszenen wieder.

Halt auf freier Strecke

Es ist gut, dass beim Betrachten auf DVD und Blu-ray auch einmal eine Pause eingelegt werden kann. Nach Zweidrittel der Laufzeit wechselt der Film die Tonlage und zeigt, dass Sterben und Abschiednehmen auch etwas Tröstliches haben kann. Ganz nebenbei wird auch noch vermittelt, dass das Leben sich im östlichen Teil immer noch recht stark vom Alltag im westlichen Teil Deutschlands unterscheidet.

Halt auf freier Strecke

Auch wenn Halt auf freier Strecke“ mit humorig gemeinten Szenen, in denen Frank seinen Tumor als Person trifft (und dieser sogar einmal bei Harald Schmidt auftritt), den Bogen etwas überspannt, gelang Andreas Dresen (Halbe Treppe, Willenbrock) 2011 dank seiner beiden hervorragenden Hauptdarsteller Milan Peschel (Beckenrand Sheriff) und Steffi Kühnertein ein außergewöhnlich bewegender nicht eben leicht verdaulicher Film, der der Wichtigkeit seines Themas voll gerecht wird.

Halt auf freier Strecke

Extras der Blu-ray: Sehr interessanter Audiokommentar von Andreas Dresen; Interviews mit Andreas Dresen (13:37 min) und Milan Peschel (9:10 min); Entfernte Szenen (6:41 min); Outtakes, Die komplette Harald Schmidt Show mit dem Tumor (11:35 min); Drei Trailer zum Film

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Das persönliche Tagebuch von Wladimir Putin

Während er für manche fast schon der Antichrist ist, zählen sich andere zu den “Putin-Verstehern“, die der verfehlten Politik des Westens mindestens eine Teilschuld an den Eskapaden des “lupenreinen Demokraten“ geben. Einen intimen Einblick könnte das 2016 veröffentlichte “Persönliche Tagebuch von Wladimir Putin“ geben. Doch bei einer Rezension ist Vorsicht geboten, denn zum einen schreibt der Verfasser: “Ich glaube so ganz ohne Atomraketen hat man‘s als Autor ziemlich schwer“ und zum anderen stammt das Buch nicht von Putin, sondern vom (laut Verlagswerbung) “wahren Multitalent“ Stefan Lehnberg.

Das persönliche Tagebuch von Wladimir Putin

Dieser schrieb bereits Gags für Harald Schmidt oder Anke Engelke und auch als Ghostwriter für Putin hat Lehnberg beträchtliches Talent. Mein Favorit ist Lehnbergs „Putin-Tagebuch-Eintrag“ vom 23. Januar: Im Autoradio die 1812-Ouvertüre von Tschaikowsky gehört. Fantastisch! Obwohl man natürlich nicht vergessen darf, dass Tschaikowsky schwul war. Trotzdem gut! Als intelligenter Mensch muss man das Werk vom Künstler trennen können. Wie hat mein alter Musiklehrer in der Schule immer gesagt: „Die Musik von Richard Wagner ist entsetzlich, aber immerhin war er Antisemit“.

Das persönliche Tagebuch von Wladimir Putin

Dieses Niveau erreicht Lehnberg zwar längst nicht bei jedem der fiktiven Tagebuch-Texte. Doch Anlass zum Schmunzeln gibt es immer wieder, etwa wenn geschildert wird wie Putin in London auf David Cameron trifft und diesem vorschlägt – um bei den vier Wörten “United States of America“ mithalten zu können – sein Land künftig “Kingdom of Great Britain“ zu nennen: Cameron ist zunächst begeistert, bemerkt dann aber, dass die Abkürzung KGB wäre und lehnt ab. Schade ich hätte es lustig gefunden.

Das persönliche Tagebuch von Wladimir Putin
Die Illustrationen stammen nicht von Putin, sondern von Jana Legal

Insgesamt habe ich das Buch auch lustig gefunden. Natürlich spielt auch die deutsche Politik eine gewisse Rolle. Als abschließender Appetizer hier noch der Tagebuch-Eintrag vom 15. Januar: Die Kanzlertrulla aus Berlin kommt auf Staatsbesuch. Der deutsche Brauch, immer erst mal über Menschenrechte zu reden, ist etwas lästig, aber ich bin da tolerant. Unser Brauch, jedem Gast erst einmal ein Glas Wodka aufzudrängen, kommt ja auch nicht bei allen Ausländern gut an. Nach zwei Minuten ist sie fertig und wir reden über Gaslieferungen. Geht doch. – Zwischendurch kommen wir auf Medwedew zu sprechen. Sie meint, er würde sie an diesen Pofalla erinnern. Was ist ein Pofalla? Frage später noch beim KGB nach, aber die wissen es auch nicht.

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Herbert Feuerstein: Die neun Leben des Herrn F.

Im TV konnte ich Herbert Feuerstein meist nur schwerlich ertragen. Zu zappelig und albern erschien er mir und auch Harald Schmidt fand ich erst erträglich, nachdem dieser ohne Feuerstein auftrat. Doch schon lange war mir bewusst, dass ich Feuerstein einige der schönsten Momente meiner Jugend verdankte. Er hatte das legendäre Satiremagazin MAD kongenial eingedeutscht. Wenn ich Anfang der Siebziger Jahre als erster frühmorgens noch vor der Schule die neue MAD-Ausgabe kaufen konnte, war ich der King im Klassenraum und wir lachten über die von Feuerstein übersetzten oder auch komplett konzipierten Beiträge mindestens so laut wie über die Gags auf einer neuen LP von Otto Waalkes.

Herbert Feuerstein: Die neun Leben des Herrn F.

In Die neun Leben des Herrn F. erzählt Herbert Feuerstein genauso ausführlich über seine Zeit beim deutschen MAD, wie über seine Zusammenarbeit mit dem ihm menschlich fast völlig fremd gebliebenen Harald Schmidt. Nachdem Feuerstein beim pleite gegangenen Verlag Bärmeier & Nikel – hier hatte er u. a. Gedichte von Yoko Ono übersetzt und eine Tarzan-Ausgabe betreut – keine Zukunft mehr hatte, erhielt er 1971 einen Anruf, der sein Leben “komplett verändern“ sollte. Der Aachener Bildschriftenverlag suchte einen Übersetzter für das Feuerstein bestens bekannte Satire-Magazin MAD. Feuerstein war sofort begeistert und übernahm, zunächst noch gemeinsam mit Lutz Reinecke, der später den Verlag Zweitausendeins gründen sollte, ab Ausgabe 32 die Übersetzung und komplette Konzeption der deutschen Ausgabe von MAD.

MAD

Auch als mit Klaus Recht ein neuer Geschäftsführer das MAD-Ruder übernahm, konnte sich Feuerstein behaupten und handelte für sich sogar eine Gewinnbeteiligung heraus. Diese kam sehr gut zum Tragen, als in den 80er-Jahren die Auflage auf 300.000 Exemplare gesteigert werden konnte. Herbert Feuerstein schildert diese wilden Zeiten, zu denen auch ein Besuch in der New Yorker MAD-Redaktion bei Chefredakteur Al Feldstein und Herausgeber Bill Gaines, sowie ein Gegenbesuch der US-MAD-Bande in Deutschland gehört, sehr amüsant. Auch seine übrigen Erlebnisse als Musik-Student in Salzburg, als Reporter im New York der 60er-Jahre und als sehr erfolgreicher aber immer von Selbstzweifeln geplagter “Laie“ in der deutschen TV-Landschaft setzen sich zu einer höchst interessanten, oft sehr komischen und niemals eitlen Lebensbeichte zusammen.

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