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Craig Thompson: Blankets

Woran denken wir wirklich gerne zurück?!?  Der Moment wo im Fußball der Lieblingsverein aufstieg, abstieg, gerade noch vor dem Abstieg gerettet wurde und dann halt doch wieder mal abstieg. Erfolge in Beruf oder Prüfungsphasen, historische Ereignisse?!? Alles prägende Momente aber über allem steht dann doch die erste große (hoffentlich auch erfüllte) Liebe. Ein Augenblick der sofort mit einem Feuerwerk an Gefühlen, Bildern, Empfindungen assoziiert wird, als solches überrascht es sehr wenn sich der 29–jährige, amerikanische Comic-Künstler Craig Thompson (Habibi) gerade diesem für jeden sehr individuellem Thema mit seinem Comic Blankets widmet.

Craig Thompson: Blankets

In der erschreckend ehrlichen Tradition des autobiographischen Comic-Romans eines Joe Matt enthüllt Craig seine Kindheit, über die Pubertät bis hin zu dem Moment der ersten großen Liebe. Voller enormer Sensibilität beschreibt er das gemeinsame Aufwachsen mit seinem kleineren Bruder, die extrem christlich geprägte Erziehung durch seine Eltern, bis hin zum alles entscheidenden Ferienausflug in ein christliches Feriencamp. Während er zuvor oft als Außenseiter galt, trifft er plötzlich SIE – seine erste Liebe Raina. Diese Darstellung ist sowohl erzählerisch als auch graphisch so meisterlich, dass es automatisch zur eigenen Reflexion anregt. War es nicht umwerfend schön – das erste Date, die erste Berührung, der erste Kuss und das erste Kuscheln?!?

Craig Thompson: Blankets

Mit dem Seelen-Zwilling wirkt das Leben plötzlich unkompliziert und selbst das schwierige Umfeld, die räumliche Entfernung zwischen den Liebenden sowie familiäre Extremsituationen erscheinen irgendwie regelbar und nebensächlich.

Craig Thompson: Blankets

Die Titelbezeichnung Blankets kann hierbei vielseitig interpretiert werden. Meint Craig etwa die charakteristische Decke / einen Quilt, den er von Raina geschenkt bekam, das gemeinsame Einkuscheln in eine Bettdecke, eine geschlossene Schneedecke (ein immer wiederkehrendes Motiv der Erzählung) oder die Schutzhülle der Verdrängung, wenn sich Liebe in Schmerz wandelt. Von allem etwas und doch findet jeder Leser sicherlich sein eigenes Blanket.

Craig Thompson: Blankets

Nicht ohne Grund hat der große Comic-Autor Brian Michal Bendis, Craig Thompson als einen der wahrhaftig Großen in der Comicwelt bezeichnet – was auch bei der Verleihung der Eisner–Awards auf dem Comic Con in San Diego entsprechend gewürdigt wurde und Thompson dort gleich zweifach prämiert wurde. Blankets ist ein Meisterwerk und berührt so sehr wie kaum eine andere Erzählung über zwischenmenschliche Ereignisse (egal in welchem Medium). Dabei schafft es Craig Thompson mit seiner Geschichte zu fesseln und aufzuwühlen, ohne dabei in schwülstigen Kitsch abzudriften. Das Ergebnis ist ein Comic-Roman, der sowohl Frauen als auch Männern, die eine oder andere Träne aus dem Knopfloch leiern wird.

Craig Thompson: Blankets

Trotz der großen Lorbeeren, ist Craig Thompson nicht nur ein herausragender Comic-Künstler sondern auch ein wahnsinnig netter und aufmerksamer Kerl geblieben.  Falls aber den Sammler von Comic-Originalen die fantastische Graphik von Blanket “fasziniert, wird es doch (zum Glück) keine weiteren Sammlungen mehr schmücken. Craig Thompson bedauert es selbst am meisten, dass er vor seinem derzeitigen Ruhm einige Prachtstücke seines Schaffens zur Beschaffung von Lebensmitteln veräußern musste. Zum Glück haben die Comic-Kritiker und -Verleger sein herausragendes Talent erkannt, so dass dieses hervorragende graphische und erzählerische Meisterwerk im Original nicht weiter zerstückelt werden muss.

Craig Thompson: Blankets

Nachdem Blankets zunächst bei Speed erschien, brachte Carlsen eine prachtvolle neu übersetzte Hardcover-Edition heraus. In Zeiten von Computerspielen und Mangas erscheint die Veröffentlichung einer autobiographischen, amerikanischen Liebesgeschichte ungewöhnlich und riskant. Aber wer Blankets in die Finger bekommt, erkennt die zeitlose Klasse dieser Comicerzählung und wird es den Verlegern danken.

Michael Kompa

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Craig Thompson: Tagebuch einer Reise

Mit seinem autobiografischen Album Blankets hat sich Craig Thompson (Habibi) sofort für die Comic-Oberliga qualifiziert und alle maßgeblichen Preise abgeräumt. Vorsorglich weist er daher auch im Vorwort von Tagebuch einer Reise darauf hin, dass es sich nicht um das “so genannte nächste Buch“ handelt, sondern um ein “ungeplantes Nebenprojekt: ein simples Reisetagebuch“.

Craig Thompson: Tagebuch einer Reise
Cover der Ausgabe von 2005

Thompson hat seine Eindrücke von einem Trip durch Europa (hauptsächlich Frankreich) und Marokko zu Papier gebracht. Skizzen, die immer vor Ort entstanden sind, von Land, Leuten und Kätzchen wechseln mit der Schilderung von sehr persönlichen (manchmal vielleicht etwas zu persönlichen, doch da kann er wohl auch nicht anders), Erlebnissen, die oft um den Frust kreisen, den er empfindet, nachdem ihn seine Freundin verlassen hat und er auf der Reise fast nur mit Pärchen abhängt.

Craig Thompson: Tagebuch einer ReiseInteressant sind natürlich jene Passagen in denen Thomson andere Comickünstler wie Lewis Trondheim, Mike Allred und Charles Burns trifft, die sich auch in seinem Skizzenbuch verewigen. Nach immerhin 224 Seiten endet das illustrierte Tagebuch dann schließlich etwas abrupt. Mehr Seiten wurden Craig Thompson vom Verlag nicht zugestanden und außerdem wollte er “seine zerbrechliche Hand schützen“ und es wird “irgendwann langweilig eine Promotiontour zu zeichnen“.

Craig Thompson: Tagebuch einer ReiseSo kommen wir leider nicht in den Genuss von Thompsons Eindrücken des “verdammten viertägigen Comicfest in Erlangen.“ Doch Thompson wollte wenig mehr als etwas schaffen, das “mit etwas Glück unterhaltsamer als ein paar Urlaubsdias ist“ und das ist ihm allemal gelungen.

Craig Thompson: Tagebuch einer Reise
Gebundene Neuausgabe von 2021

Tagebuch einer Reise wurde auf dem Comicfestival München zum “Besten US-Comic“ gekürt und erhielt dafür den Comicpreis PENG!.

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Craig Thompson: Habibi

Sieben Jahre hat sich Craig Thompson Zeit gelassen – sein zwischendrin entstandenes Tagebuch einer Reise ist nicht mehr als das hübsch bebilderte Tagebuch einer Reise – um seinem preisgekrönten Meisterwerk Blankets einen weiteren Comic folgen zu lassen. Habibi ist ein noch voluminöseres Buch, erzählt eine nicht minder mitreißende Liebesgeschichte, Religion spielt eine gewisse Rolle und Thompson brilliert auch hier mit erlesener schwarzweißer Grafik, doch damit hat es sich auch schon mit den Gemeinsamkeiten.

Craig Thompson: Habibi

Während Thompson in Blankets sehr persönlich und intim eine Jugendliebe aufarbeitete, versucht er in Habibi so viel Orient wie möglich zwischen zwei recht weit auseinander liegende Buchdeckel zu quetschen. In der sich sehr kompliziert zwischen dem dunkelhäutigen Zam und der neun Jahre älteren Dodola entwickelnden Liebesgeschichte verarbeitete er allerlei Motive aus Tausendundeiner Nacht. Er lässt zunächst Haremsdamen, Eunuchen und Karawanen aufmarschieren, wechselt aber auch nahtlos in den fiktiven aber modernen Wüstenstaat Wanatolien, in dem es von Wolkenkratzern und Müllkippen nur so wimmelt.

Craig Thompson: Habibi

Thompson erzählt nicht streng chronologisch wie sich Zam und Dodola fanden, wieder verloren haben und dann sehr lange suchten. Dabei lässt er keine Gelegenheit ungenutzt, um geschickt verzahnt Geschichten aus dem Koran einfließen zu lassen, die meist im direkten Zusammenhang zur Haupthandlung stehen. Sehr oft fällt die Ähnlichkeit zu den Legenden des Christentums auf. Die Gemeinsamkeiten zwischen Koran und Bibel aufzuzeigen scheint das Hauptanliegen von Thompson zu sein.

Craig Thompson: Habibi

Habibi ist jedoch sehr viel mehr als eine bildungsbürgerliche Fleißarbeit, sondern zugleich auch eine in wunderschön durchkomponierten schwarzweißen Zeichnungen in Szene gesetzte, ebenso ergreifende wie abenteuerliche Liebesgeschichte mit einigen wirklich überraschenden Wendungen.

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