Der Autor Yann und der Zeichner Olivier Schwartz arbeiteten bereits bei drei Spirou-Abenteuern zusammen. Großartig ist auch Olivier Schwartz‘ ebenfalls nach einem Szenario von Yann entstandenes Album Gringos Locos, das eine Geschichte über einem USA-Trip der Comic-Legenden Jijé, Morris und Franquin schildert, der so ähnlich tatsächlich 1948 stattgefunden hat.
Mit Atom Agency startet das Team eine neue Serie, die im Jahre 1949 angesiedelt ist und Schwartz die Gelegenheit gibt schnittige Autos und stylische Klamotten in seinem ausgereiften Ligne-Clair-Stil zu Papier zu bringen. Die Hauptfigur ist Atom Vercorian, der im Schatten seines Vaters, eines erfolgreichen Polizisten steht, und eine Detektei eröffnen möchte.
Da kommt es Atom wie gerufen, dass die Juwelen der Begum (so auch der Titel des Albums) gestohlen wurden. Bei der Begum handelt es sich um Yvette Blanche Labrousse, die 1944 den Ismailiten-Führer Aga Khan III. heiratete. Diese real existierende Figur erinnert im Comic auch an Hergés Bianca Castafiore, die u. a. im Zentrum des Tim-und-Struppi-Albums Die Juwelen der Sängerin stand.
Im Laufe der Geschichte stellen Yann und Schwartz noch Mimi und den Catcher Jojo der Kreisel vor, die gemeinsam mit Atom Vercorian die Detektei gründen. Da die Geschichte in der Nachkriegszeit spielt, wird auch Bezug genommen auf jene Jahre, als Frankreich unter der Knute von “Besatzern in Stiefeln und Denunzianten in Pantoffeln“ stand (wie Yann es recht treffend formuliert) . Das Resultat überzeugt durch seine spannende Geschichte und stärker noch durch Olivier Schwartz’ Fähigkeit den klassischen Ligne-claire-Stil trotz nostalgischem Setting ebenso frisch wie modern wirken zu lassen.
1948 brachen drei mittlerweile legendäre Meister des frankobelgischen Comics zu einem erinnerungswürdigen Trip auf. Der seinerzeit durch seine Beiträge zur Traditionsserie Spirou bekannte Joseph Gillain alias Jijé (Jerry Spring) reiste mit seiner kompletten fünfköpfigen Familie und zwei seiner gelehrigsten Schüler durch die USA. Während der hochtalentierte André Franquin (Gaston) damals noch nach seinem Platz im Comic-Universum suchte, feierte Maurice de Bévère alias Morris bereits erste Erfolge mit seinem Cowboy Lucky Luke, der immer noch schneller als sein Schatten schießt.
Das Trio träumte davon dem provinziellen Belgien zu entfliehen und Karriere in Walt Disneys Trickfilm-Studios zu machen. Doch dort wurden 1948 wegen finanzieller Probleme keine neuen Zeichner eingestellt. Jijé & Co. ließen sich davon nicht unterkriegen, sondern setzten ihre Reise fort, zeichneten und schickten ihre Comic-Seiten nach Belgien. Morris traf schließlich in New York auf René Goscinny und dessen genialen Szenarios machten Lucky Luke zu dem Klassiker, der er heute noch ist. Doch das ist eine andere Geschichte, die der Comic Gringos Locos leider nicht erzählt.
Der Autor Yann und der Zeichner Olivier Schwartz gestalteten zuvor mit Spirou und Fantasio – Operation Fledermaus bereits ein charmant-nostalgisches Album. Auch diesmal sind der Hauptanreiz des Albums Schwartz’ lockere an den viel zu früh verstorbenen Yves Chaland erinnernde Zeichnungen, in denen immer wieder Anspielungen auf die Comic-Serien der Protagonisten zu finden sind. Yanns Geschichte reiht etwas planlos eine mehr oder weniger amüsante Episode an die nächste und zeigt wenig Sensibilität mit Themen wie Krieg oder Rassismus (der Ku-Klux-Klan ist bei ihm nur ein alberner Karnevalsverein).
Yanns ziemlich frei erfundene Darstellung der Reise zog auch viel Kritik auf sich. Die Tochter von Franquin und die Kinder von Jijé waren alles andere als amüsiert darüber, wie im Comic ihre Väter dargestellt wurden. Daher ist es durchaus angebracht (und für Comicfreunde hochinteressant), dass Benoit Gillian im umfangreichen Anhang des Albums dazu Stellung nimmt und seine Eindrücke der Reise schildert.
Wer es gerne noch etwas ausführlicher hat, dem sei die Vorzugs-Hardcoverausgabe vom Salleck Verlag empfohlen, die zusätzlich noch einen signierten Druck und 16 Seiten mit wunderschönen Zeichnungen, Skizzen und Scribbles enthält.
Lange hat es gedauert, doch jetzt ist es endlich soweit. Nachdem Carlsen zuvor bereits seine Einzelbände mit interessanten Sekundärtexten versehen hatte, erscheint auch bei uns eine gebundene Gesamtausgabe der franko-belgischen Traditionsserie Spirou & Fantasio.
Die deutsche Edition folgt der 2006 bei Dupuis in Frankreich gestarteten l’intégrale und beginnt nicht mit den ersten Geschichten vom Spirou-Schöpfer Rob-Vel alias Robert Velter aus dem Jahre 1938 und auch nicht mit den von Jijé alias Joseph Gillain (Jerry Spring) gezeichneten Seiten. Den Auftakt der Gesamtausgabe bildet die Geschichte Der Tank, die André Franquin (Gaston) 1946 kurz nach und noch unter dem Eindruck vom Ende der deutschen Besetzung Belgiens zeichnetet.
Diese 12-seitige Story erschien 1947 im Sonderband Spirou-Almanach und Franquin qualifizierte sich dadurch als regulärer Zeichner der Serie. Als dieser seinen Mentor und Lehrer Jijé im vierten Bild der vierten Seite des Comics Spirou und das Fertighaus ablöste, war Franquin sehr bemüht darum einen Stilbruch zu vermeiden. Daher war noch nicht abzusehen, wie stark der talentierte junge Mann die Serie einmal prägen sollte. Die weiteren in diesem Band enthaltenen Geschichten veröffentlichte Carlsen bereits in den Alben Onkel Ottos Testament, Spirou und die Roboter, Spirou bei den Pygmäen, sowie Spirou im Wilden Westen. Doch erst jetzt liegen wirklich alle Spirou-Seiten chronologisch gebündelt vor, die Franquin zwischen 1946 und 1950 zeichnete, bevor er der Serie mit dem Album Der Zauberer von Rummelsdorfzu seiner eigenen Schöpfung machte.
Franquin zeichnete die Comics in diesem Album teilweise während seines Trips durch Mexiko und die USA, den er mit Jijé und Morris unternahm (siehe hierzu auch den Comic Gringos Locosvon Schwartz & Yann). Abgerundet wird der erste Band der Gesamtausgabe durch interessante biographische Texte. Für die deutsche Ausgabe wurden diese noch durch einen kurzen Artikel von Volker Hamann (Reddition) ergänzt, der über den „frühen Franquin in Deutschland“ u. a. in Comic-Magazinen wie Der heitere Fridolin informiert.
Abschließend sei noch angemerkt, dass es sehr erfreulich ist, dass Carlsen auch das Frühwerk Franquins herausbringt, anstatt gleich auf Nummer Sicher zu gehen und die Gesamtausgabe mit Band 2 Von Rummelsdorf zum Marsupilami zu starten.