Hier einige Impressionen von meinem Comic Café, das am Sonntag den 19. Septmber 2021 im Münchner Werkstattkino stattfand.
Zu Gast: SABRINA SCHMATZ!!
Die in München geboren und aufgewachsen Zeichnerin ist fest in der Comic-Szene verankert.
Ihre ersten gedruckten Erfolge erzielte sie in Form von Kurzgeschichten beim Fireangels Verlag erzielt. Es folgten weitere Illustrations- und Comic-Aufträge, u. a. für das Magazin Widescreen sowie für Comic-Anthologien.
Mit München 1945 startete Sabrina ihr erstes großes Comicprojekt unter der Obhut des Schwarzen Turm Verlags.
Die Türme der Frauenkirche stehen 1945 noch, doch ansonsten liegt München großteils in Trümmern. Vom Himmel fallen Flugblätter, auf denen die US-amerikanischen Truppen ihren Einmarsch in die Stadt ankündigen und die Bürger dazu auffordern Vernunft zu bewahren und keinen Widerstand zu leisten.
Vor diesem Hintergrund empfindet die 21-jährige Krankenschwester Konstanze den Einmarsch der US-Truppen durchaus als Befreiung und verliebt sich in den jungen amerikanischen Sanitätssoldaten Daniel Stevens…
Mittlerweile liegen alle sechs Bände von München 1945 vor und der der Carlsen Verlag hat eine zweibändige gebundene Gesamtausgabe gestartet.
COMICS LESEN!
Fester Bestandteil des Programms ist die Expertenrunde “Comics lesen!“ die sich als Prüfstand für Neuerscheinungen versteht.
Regelmäßig und kontrovers diskutierte Gastgeber Heiner Lünstedt in lockerer Runde über aktuelle Comics. Diesmal waren Rainer Schneider (Comicaze) und Michael Khambekar zu Gast.
Diese Comics standen zur Debatte:
Der hyperaktive Lewis Trondheim präsentiert mit KARMELA KRIMM (Schreiber & Leser) eine ungewöhnliche Ermittlerin.
Hier die Wertung:
Nachdem bereits Zyklotrop, der Gegenspieler von SPIROU, eine eigene Serie bekam, erlebt jetzt auch der junge Graf von RUMMELSDORF bei Carlsen eigene Abenteue. In Der Patient A findet er 1941 heraus, dass die Nazis, an einer schrecklichen Droge arbeiten, die kriegsentscheidene Wirkung haben kann.
Hier die Wertung:
Andreas Baum informierte im Anschluss an die Diskusion über die historischen Hintergründe des Rummelsdorf-Comics Patient A. Zitat: „Hätte ich nicht kürzlich das Buch „der totale Rausch“ von Norman Ohler gelesen, hätte ich beim Anlesen dieses Albums vermutlich gedacht: was für ein überzogener Unsinn. Und ein Medikament namens „Pervitin“??!
Dass (und in welchem Umfang!) im Dritten Reich Drogenmissbrauch betrieben wurde, war mir (selbst Arzt) in diesem Ausmaß nicht bekannt. So waren z.B. tatsächlich Pralinen zu kaufen, die Metamphetamin enthielten, Kokain und sogar Heroin gingen in den zwanziger Jahren über den Apothekentresen wie Aspirin.“
Trickfilmklassiker
Matthias Schäfer präsentierte wieder ausgewählte und besonders lustige Trickfilm-Klassiker.
2016 schien bei der belgischen Traditionsserie alles fabelhaft zu laufen. In Band 55 (bei uns # 53) Der Zorn des Marsupilamis kehrte das von André Franquin geschaffene gelbschwarze Fabeltier mit dem langen Schwanz zu Spirou und Fantasio zurück. Jetzt hätte es wieder so weitergehen können, wie in der Hochphase der Serie.
Doch die reguläre Reihe wurde danach erst einmal nicht fortgeführt. Stattdessen gab es allerlei (gelungene) Experimente rund um das Spirou-Universum. Emilé Bravo setzte mit Spirou oder die Hoffnung seine Reihe mit den Jugend-Abenteuern des während des Zweiten Weltkriegs ein politisches Gewissen entwickelnden Pagen fort.
Der Spanier José Luis Munuera (Die Campbells), der von 2004 bis 2008 regulärer Zeichner von Spirou & Fantasio war, überraschte ab 2017 mit frisch-fröhlichen Abenteuern des tollpatschigen Schurken Zyklotrop, der sich als alleinerziehender Vater bewähren muss. Ins selbe Horn stößt das Team BeKa und David Etien, das 2019 den Grafen von Rummelsdorf in einem in den 40er-Jahren spielenden Soloabenteuer antreten lässt, um die Codes der von den Nazis entwickelte Dekodierungs-Maschine Enigma zu knacken.
Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang aber auch das großartige Abenteuer Sein Name war Ptirou. Yves Sente und Laurent Verron erzählten hierin 2017 die fiktive Lebensgeschichte jenes Schiffsjungen, der Rob-Vel bei einer Transatlantikreise zur Entwicklung von Spirou anregte. Ein Jahr später gelang Flix mit Spirou in Berlinein in der DDR spielendes Abenteuer, das mittlerweile auch in Belgien und Frankreich erschienen ist.
Man sollte meinen, dass bei so viel Spirou kaum noch Platz für das Team von Der Zorn des Marsupilamis bleibt. Doch Autor Fabien Vehlmann (Allein) und Zeichner Yoann schufen in der Zwischenzeit allerlei Kurzgeschichten für das Spirou-Magazin. Diese wurden gebündelt im Carlsen-Band Die tollsten Abenteuer von Spirou veröffentlicht.
Besonders viel Aufsehen erregte eine Story, die 2016 entstand, als in den Kinos der Film Batman v Superman: Dawn of Justicestartete. Vehlmann und Yoann erzählen davon, wie Spirou den Milliardär Bruce Waynn in Potham besucht. Dieser zeigt ihm die Geheimnisse der Batguy-Höhle und nimmt ihn mit auf einen Trip in seinem Batflitzer.
Spirou lehnt es ab, Batguy als “Pagen-Boy“ zu assistieren und wird zu Superpage (im Original Supergroom). Während des Einsatzes findet er heraus, dass viele der Verbrechen, die Batguy bekämpft, erst durch das rücksichtslose Vorgehen von Waynns Konzern ausgelöst wurden.
Die Story kam bei den Lesern so gut an, dass der Superpage im Juni 2016 sogar das Cover der 4080. Ausgabe des Spirou-Magazins zierte und ein weiteres Kurzabenteuer mit dem nur geringfügig maskierten Pagen präsentiert wurde. Hierin bringt dieser sogar Tim und Struppizu Fall, bzw. ein Werbeschild mit Hergés Helden.
2020 erschien das erste Album mit Superpage, der hierin gegen Schurken, und weitere maskierte Helden ankämpft. Am schlimmsten sind jedoch die Verbrechen des Großkapitals, durch die der bezahlbare Wohnraum in Brüssel immer knapper wird.
Thematisch passend kommt Yoanns Grafik diesmal sehr viel lockerer daher. Seine Layouts lassen an US-Superhelden-Hefte oder Mangas denken. Es bleibt spannend, wie sich Superpage im Umfeld der zahlreichen unterschiedlichen Spirou-Versionen behaupten wird.
Nachdem bereits der tollpatschige Schurke Zyklotrop eine eigene Serie bekommen hat, steht jetzt eine weitere Nebenfigur, die vom großen André Franquin für den Klassiker Spirou geschaffen wurde, im Zentrum eines eigenen Comics.
Pankratius Hieronymus Ladislaus Adalbert Graf von Rummelsdorf trat erstmal 1950 in der Geschichte Der Zauberer von Rummelsdorf in Erscheinung. Mit dieser Figur und den zugehörigen Bewohnern des scheinbar idyllischen Örtchens Rummelsdorf setzte Franquin, nachdem er zuvor seinem Mentor Jijé nacheiferte, bei Spirou eigene Akzente.
Bisher kennen die Freunde von Spirou den Grafen nur als würdevollen älteren Herren, der in einem Schloss wohnt und die merkwürdigsten Dinge erfindet. Doch jetzt zeigt ein Comic ihn als jungen Mann, der genau wie Spirou in den Geschichten von Émile Bravo in der Zeit als Belgien von den Deutschen besetzt wurde sehr schnell erwachsen werden musste.
Anfangs führt der Graf noch ein recht geruhsames Leben auf Schloss Rummelsdorf, doch ein verschlüsselter Brief fordert ihn auf nach England zu reisen. Mit knapper Not und unter Zuhilfenahme von narkotisierenden Pilzen kann Rummelsdorf gerade noch einem Bataillon der deutschen Wehrmacht entkommen, das sein Schloss besetzt. In England soll er helfen die Codes der von den Nazis entwickelten Dekodierungs-Maschine Enigma zu knacken.
In einem Herrenhaus im Örtchen Bletchley Park soll er einer Gruppe von Exzentrikern dabei helfen, des Rätsels Lösung zu finden. Historisch korrekt tritt hier auch der geniale Mathematiker Alan Turing in Erscheinung, der seinerzeit ganz nebenbei die Grundlagen für das Entwickeln von Großrechenanlagen lieferte.
Auch Blair Mackenzie, die junge Dame die Rummelsdorf in Bletchley Park kennenlernt, ist angelehnt an eine reale Person bzw. an deren Auftritt in einem Kinofilm. Genau wie Keira Knightley, die als junge Mathematikerin Joan Clark in The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben zur Dechiffrier-Gruppe stieß, weil sie besonders gut im Lösen von Kreuzworträtseln war, bekam auch Blair Mackenzie im Comic den Job, weil sie ein Zeitung-Rätsel lösen konnte.
Wie sich Rummelsdorf und Blair während der Arbeit immer näherkommen, wurde vom Autoren-Duo Béka (Bertrand Escaich und Caroline Roque) sehr feinfühlig in die spannende Geschichte integriert. Anfangs ensteht der Eindruck, dass hier etwas zu ausführlich über das Codieren von Geheimbotschaften berichtet wird. Doch schon recht bald kriegt Béka die Kurve und beteiligt am großen Finale sogar den James-Bond-Schöpfer Ian Fleming, der seinerzeit beim britischen Geheimdienst tätig war.
Ganz großartig ist auch das wunderschöne Artwork von David Etien. Dieser konnte bereits in der Serie Die Vier von der Baker Street seine Liebe zum “Merry Old England“ ausdrücken.
Mit Patient A ist bereits ein weiteres Abenteuer mit dem Grafen erschienen. Hierin findet Rummelsdorf 1941 heraus, dass die Nazis im Krieg den deutschen Soldaten das Aufputschmittel Pervitin („Panzerschokolade“) verabreichen. In Band 3 Eine Handvoll Kohlenstoffatomeist Rummelsdorf maßgeblich an der Einwicklung der Antibabypille beteiligt.
Als Mitte 2017 mit der 66. Ausgabe der Reddition “ein halbes Jahrhundert Carlsen Comics“ gefeiert wurde, zierte das Titelbild des Fachmagazins eine ganz besondere Zeichnung von Flix. In seinem unverwechselbaren Stil hatte dieser vor dem Hintergrund des Hamburger Hafens einige der bekanntesten Figuren versammelt, die beim wohl wichtigsten deutschen Comic-Verlag ihre verlegerische Heimat gefunden haben. Dazu zählten neben Calvin und Hobbes sowie den Peanuts natürlich auch Tim und Struppi.
Doch besonders prominent waren Spirou und Fantasio platziert. Kurz darauf auf der Frankfurter Buchmesse schlug eine Nachricht wie eine Bombe ein. Es wurde verkündet, dass Flix ein Spirou-Album zeichnen wird, das im geteilten Berlin spielt. Zwar durfte neben zahlreichen Franzosen mit José Luis Munuera bereits ein Spanier die belgische Traditionsserie zeichnen. Ein Spirou mit deutschem Zeichner und Thema, das ist dennoch etwas Besonderes.
Nach etwas Bedenkzeit wurde bei Dupuis entschieden, Spirou in Berlin auch in Belgien und Frankreich zu veröffentlichen. Das ist sehr erfreulich, denn Flix ist es gelungen der Geschichte internationales Flair zu geben und sie fest im Spirou-Universum zu verankern. So wird auf einer Seite sehr unterhaltsam und nicht beschönigend erklärt, was die DDR war. Für den Comic spricht, dass – trotz arg niedlicher Leninbüsten und leuchtend-blauem Trabbi – keine Ostalgie aufkommt, sondern sehr deutlich dargestellt wird, dass die Geschichte in einem Unrechtsstaat spielt.
Aufhänger der Geschichte ist, dass der Graf von Rummelsdorf, nachdem er es abgelehnt hat auf einen ostdeutschen Kongress zu reisen, in die DDR entführt wird. Spirou und Fantasio folgen ihm, wobei sie separat haarsträubende Abenteuer erleben. Dabei gibt es zahlreiche Anspielungen, etwa auf den DDR-Filmklassiker Die Legende von Paul und Paula, aber auch auf den Oscar-Preisträger Das Leben der Anderen. Eine Frittenbude trägt den Namen “Kokomiko“, genau wie das (leider im Album nicht direkt auftauchende) Marsupilami früher in Westdeutschland bei Rolf Kauka (Fix & Foxi).
Die Geschichte ist spaßig, spannend und fest in der Realität von 1989 verankert. Die Zeichnungen sind eine wundervolle Mischung aus École de Marcinelle und dem individuellen Stil von Flix, wobei der Seitenaufbau manchmal ähnlich experimentierfreudig wie bei seiner Serie Schöne Töchter ist. Nicht unerwähnt bleiben sollen auch die schöne, klare Kolorierung von Marvin Clifford (Schisslaweng), sowie Carlsens liebevolle Hardcover-Aufmachung mit Schmuckpapier voller Brandenburger Tore und Pagenmützen!
2022 ließ Flix in Das Humboldt-Tier das Marsupilamt 1931 durch Berlin hüpfen.