Der Titel trifft genau genommen nur auf elf Seiten in diesem Sachbuch zu. Im Kapitel Cinema Speculation versucht sich Quentin Tarantino vorzustellen, was gewesen wäre, “wenn Brian De Palma anstatt Martin Scorsese Taxi Driver gedreht hätte“. Spoiler: Wahrscheinlich hätte De Palma sich stärker an Paul Schraders Drehbuch gehalten und die Titelrolle hätte Jeff Bridges anstelle von Robert De Niro gespielt.
Damit der Leser den Überlegungen des (laut Klappentext) “mitreißendsten Filmliebhabers der Welt“ auch folgen kann, erzählt Tarantino ausführlich von den Anfängen seiner Liebe zum Kino. Bereits als Siebenjähriger nahmen ihn seine Mutter Connie und sein Stievater Curt in Los Angeles mit ins Tiffany Kino. Dort sahen sie ein alles andere als jugendfreies Double Feature.
Neben Carl Reiners schwarzer Komödie Wo ist Papa? wurde hier auch noch ein besonders subversiver Streifen namens Joe – Rache für Amerika gezeigt. Hierin brilliert Peter Boyle, der später bei Mel Brooks in Frankenstein Junior das Monster spielen sollte, als rassistischer Bauarbeiter, der sich mit einem verzweifelten Mittelklasse-Vater anfreundet. Bill Compton hat gerade den mit Drogen handelnden Freund seiner Tochter (Susan Sarandon in ihrer ersten Rolle) erschossen. Das ungleiche Duo greift eine Hippie-Kommune auf dem Lande an, wobei Compton auch noch seine Tochter erschießt.
Cinema Speculation: Vielleicht wäre auch ich ein Meisterregisseur geworden, wenn mein erstes großes Kinoerlebniss nicht Disneys Dschungelbuch sondern Joe – Rache für Amerika gewesen wäre. Doch wahrscheinlich hätte sich dann auch noch meine Mutter scheiden lassen müssen, damit sie sich mit mir und ihren neuen Freunden an Blaxploitation-Filmen erfreuen könnte.
Plastisch und mitreißend schildert Tarantino, wie er – oftmals als einziger weißer Junge im Kinosaal – Pam Grier oder Jim Brown zujubelte. Auf diese plastischen Beschreibungen von den Reaktionen, die die Filme seines Lebens in vollbesetzten Filmpalästen auslösten, greift Tarantino immer wieder zurück, wenn er über die Entstehungsgeschichte einiger Meilensteine des Kinos der 70er-Jahre plaudert.
Die gar nicht einmal so sorgfältig übersetzte deutsche Ausgabe von Cinema Speculation verfügt zwar über ein blaues Lesebändchen, enthält aber weder ein Inhaltsverzeichnis noch einen Index wie die Originalausgabe.
Daher seien hier die Filme aufgeführt, denen Tarantino jeweils ein Kapitel widmete und die das Fundament seiner eigenen Filmografie bilden:
Bullitt (1968) von Peter Yates mit Steve McQueen
Dirty Harry (1971) von Don Siegel mit Clint Eastwood
Deliverance (1972) von John Boorman mit Burt Reynolds
The Getaway (1972) von Sam Peckinpah mit Steve McQueen
Sisters (1972) von Brian De Palma mit Margot Kidder
Daisy Miller (1974) von Peter Bogdanovich mit Cybill Shepherd
Taxi Driver (1976) von Martin Scorsese mit Robert De Niro
Rolling Thunder (1977) von John Flynn mit William Devane
Paradise Alley (1978) von und mit Sylvester Stallone
Escape from Alcatraz (1979) von Don Siegel mit Clint Eastwood
Hardcore (1979) von Paul Schrader mit George C. Scott
The Funhouse (1981) von Tobe Hooper mit Kevin Conway
Hinzu kommt noch eine Lobeshymne auf den engagierten Filmkritiker Kevin Thomas, sowie eine Kurzfassung von Peter Biskins Buch Easy Riders, Racing Bulls, in der Tarantino allerdings nicht allzu viel vom Hippie-Kino der 60er-Jahre hält und das Blockbuster-Revival durch Filmnerds wie Steven Spielberg oder George Lucas sehr viel höher einschätzt.
Den Abschluss des Buches bildet ein rührender Nachruf auf einen gewissen Floyd, der gelegentlich in derselben WG wie Quentin und seine Mutter lebten. Der charismatische Schwarze führte ein unstetes Leben und enttäuschte den kleinen Quentin oft, weil er ihn nicht wie versprochen mit ins Kino nahm. Doch Floyd versuchte sich auch als Autor und schrieb ein Drehbuch über einen schwarzen Cowboy, das Tarantino zu Django Unchained inspirierte.
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