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Chris Scheuer: Reiche Ernte

1984 wurde auf dem 1. Internationalen Comic-Salon in Erlangen der Österreicher Chris Scheuer als „Bester deutschsprachiger Comickünstler“ ausgezeichnet. Scheuer wuchs in der Nähe von Graz auf und kannte zunächst nur Disney-Comics. Er hielt es für eine innovative Idee Geschichten mit realistisch gezeichneten Figuren zu erzählen.

Chris Scheuer: Reiche Ernte

Hierdurch kam er mit dem Wiener Fachmagazin Comic Forum in Kontakt und erregte dort durch seinen unverwechselbar dekorativen Stil und mit Comics wie Marie Jade auch in Frankreich schnell Furore. Er arbeitete jedoch hauptsächlich für die Werbung. Eher nebenbei entstand nach einem Szenario von Wolfgang Mendl, mit Sir Ballantime sein bisher wohl ambitionierter Comic.

Chris Scheuer: Reiche Ernte

29 Seiten dieses im Indien des Jahres 1906 spielenden Comics wurden zunächst im kurzlebigen Comicmagazin Moxxito vorabgedruckt. Das schließlich vollende Farbalbum erschien 1990 im Rahmen eines sogenannten „deutschen Monats“ bei Carlsen. Doch es sollte 10 Jahre dauern, bis wieder eine Geschichte mit Scheuers adeligen Helden erscheint, der plötzlich (angeblich nicht aus lizenzrechtlichen) Sir Bell´Ol`Times hieß.

Chris Scheuer: Reiche Ernte

In letzter Zeit ist es sehr ruhig um Chris Scheuer geworden, was auch daran liegen kann, dass die meisten seiner Comics zwar schön anzusehen sind, er aber mit seinen Autoren bisher wenig Glück hatte. Daher überraschte es, als bei Panini ein Comeback angekündigt war. Der Hardcover-Band Reiche Ernte enthält von Scheuer gezeichnete Kurzgeschichten, deren Vorlagen vom österreichischen Autor Matthias Bauer (Morbus Dei, Das Blut der Pikten) stammen.

Chris Scheuer: Reiche Ernte

Dessen Stories setzen souverän Fantasy-, Mystery- und Horror-Versatzstücke ein, sind spannend erzählt und enden häufig mit einer wirklich überraschenden Schlusspointe. Basierend auf dieser soliden Grundlage schuf Chris Scheuer originelle Comics, die er in einem etwas reduzierteren Stil als seine früheren Werke zu Papier brachte. Meistens arbeitet er in Schwarzweiß, gelegentlich setzt er aber auch Farbe ein. Die so entstandenen Comic-Geschichten lassen durchaus an die Horror-Comic-Klassiker aus den Hause EC wie Tales from the Crypt denken.

Chris Scheuer: Reiche Ernte

Dies trifft ganz besonders auf die Titelstory Reiche Ernte zu, die das Thema Holocaust in einer Horrorgeschichte einsetzt. Dass dies gut gehen kann, bewies der Klassiker Master Race von Bernie Krigstein, der 1955 im EC-Comicheft Impact erschien. Ganz diese Klasse erreicht Matthias Bauers Geschichte über einen Priester im Konzentrationslager nicht, doch Chris Scheuers Bilder verharmlosen das reale Grauen nicht.

Chris Scheuer: Reiche Ernte

Ich würde durchaus so weit zu gehen, zu behaupten, dass dies der erste wirklich lesbare Comic von Chris Scheuer ist und es ist sehr erfreulich, dass noch zwei weitere Bände von Reiche Ernte erschienen sind.

Chris Scheuer: Reiche ErnteBand 2 liegt mittlerweile vor und enthält nur drei statt fünf Geschichten, wobei Chris Scheuer bei einer davon auch Farbe einsetzte. Da mich persönlich diesmal die Pointen von Matthias Bauer nicht wirklich überraschten, bzw. sich in einem Fall erst durch das Nachwort erschlossen haben, würde ich diesmal von einer etwas weniger reichen Ernte sprechen. Scheuers Artwork ist jedoch wieder phänomenal.

Chris Scheuer: Reiche Ernte

Der Abschlussband präsentiert wieder fünf Stories. Eine davon trägt den Titel Früher hab ich den Herbst geliebt und liegt dem gebundenen Band im Leporello-Format als Poster bei. In seinem Vorwort bezeichnet Matthias Bauer diese Storysammlung als “ein in allen Belangen krönendes Finale“. Das erscheint etwas hochgegriffen, denn in Sachen originelle Pointen und grafische Raffinesse hinken diese letzten fünf Geschichten leider etwas hinter dem beeindruckenden Auftakt im ersten Band her.

Chris Scheuer: Reiche Ernte

Doch manche überraschende Wendung – Stichwort “Serial-Killer-Jagd als Disney-Film“ – gibt es dennoch und besonders gelungen ist wieder der Anhang mit Skizzen und sehr schönen alternativen Titelbildern.  Daher sei auch Reiche Ernte 3 allen Comicfreunden ans Herz gelegt. Dies gilt in einem noch stärkeren Maße für Chris Scheuers durch eine Crowdfunding-Kampagne ermöglichte Comic-Autobiografie.

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