Garth Ennis, der den Punisher einst das komplette Marvel-Universum liquidieren ließ, hat sich mit The Boys eine tolle Spielwiese geschaffen auf der er, gemeinsam mit dem Zeichner Darick Robertson, ungeniert seine Hassliebe zu Superhelden und sein Faible für Provokationen aller Art ausleben kann. Mit diesem Band setzt Panini seine Hardcover-Gesamtausgabe im leichten Überformat (19 x 29 cm) von The Boys fort. Da der zweite Band dieser Gnadenlos-Edition 16 Hefte der Serie enthält, ist diese Veröffentlichung sogar noch günstiger als die teilweise schon vergriffene Softcover-Ausgabe.
Unaufhaltsam und ohne Rücksicht auf Verluste machen “Boss“ Billy Butcher, Mother´s Milk, der Frenchman, das Weibchen und Neuzugang Wee Hughie den Superhelden das Leben schwer. Nachdem die Frau von Billie und die Freundin von Wee durch kostümierte Irre starben, wachen The Boys darüber, dass es die Übermenschen in Unterwäsche nicht übertreiben.
Im Zentrum der Storyline Streicheleinheiten steht Blarney Cock, jenes Mitglied der Superhelden-Nachwuchs-Truppe Teenage Kix, das Wee zuvor versehentlich umgebracht hat, steht wieder von den Toten auf. Blarney ist allerdings völlig matschig im Hirn und will unbedingt seinen Hamster wiederhaben, der sich jetzt im Besitz von Wee befindet. In Stunde der Wahrheit erzählt The Legend, ein Comic-Schöpfer der etwas an Stan Lee erinnert, wie sich die Waffenfirma Vought nach einigen vermurksten Rüstungsaufträgen, die unzählige Todesfälle verursachten, darauf spezialisiert hat Superhelden zu produzieren. Auch hier ist mit einigen Totalausfällen zu rechnen…
Zum Abschluss dieses Bands geht es um ein Schmutziges Geheimnis. Erzählt wird, wie ein Gründungsmitglied der legendären G-Men spektakulär Selbstmord beging und es danach den zahlreichen Superhelden-Gruppen, die ein G im Namen tragen, an den Kragen geht. Doch diesmal sind es nicht nur Billy Butcher und seine Boys sowie das Weibchen, die gegen allzu selbstgerechte Kostümträger vorgehen. Auch der Multikonzern Vought mischt eifrig mit und greift dabei zu noch drastischeren Methoden als die Boys…
Kaum verschlüsselt veralbert Ennis hier äußerst treffsicher X-Men, X-Force und was es so noch an X-beliebigen Superhelden-Teams gibt. So hat z. B. Critter, das G-Men-Äquivalent zu Wolverine, anscheinend Flöhe und trägt daher einen dieser hohen Wauwau-Kegelkragen.
Ähnlich wie schon in Ennis‘ Meisterwerk Preacher sind es auch bei The Boys nicht nur die ruppigen und satirischen Elemente, die faszinieren. Auch diese Serie lässt sich immer wieder Zeit für ruhige zwischenmenschliche Passagen und erzählt von Wees Freundschaft zu Billy und seiner aufkeimenden Liebe zu Annie January. Hier ahnt der gute Wee allerdings nicht, dass diese ein Mitglied des Superhelden-Teams The Seven ist…
Einmal mehr vermischt Ennis äußerst mitreißend bissige (gelegentlich aber auch leicht sentimentale und oftmals dezent antiamerikanische) Dialoge mit drastischen Gewaltszenen, die aber immer im Dienste der guten Sache bzw. Story stehen. Gleichzeitig enthüllt er immer mehr Details über die dreckigen Machenschaften hinter den eher gemeingefährlichen als hilfreichen Superhelden.
Abgerundet wird dieser Band der Gnadenlos-Edition durch den Abdruck von Variant-Titelbilder, die prominente Comic-Künstler wie John Cassaday, Howard Chaykin, Carlos Ezquerra, Garry Leach, Steve Dillon, Dave Gibbons, David Lloyd und Jim Lee zur Serie beigesteuert haben.
Auf Amazon Prime ist mittlerweile die erste aus acht Episoden bestehenden Staffel einer erstaunlich gut gelungenen Serien-Adaption von The Boys zu sehen. Scheinbar direkt aus dem Comic entsprungen zu sein, scheint der Neuseeländer Karl Urban (Dredd, Star Trek). Dieser sondert als Billy Butcher herrlich derbe Flüche ab, legt großartige Wutausbrüche hin und lässt auch immer wieder einen seelisch schwer verletzten Menschen durchschimmern.
Eine Galavorstellung gibt auch Anthony Starr als Ober-Superheld Homelander. Sein arrogantes Lächeln wirkt erschreckend echt und fast so bedrohlich, wie die Abgründe die dahinter lauern. Auch die restliche Besetzung – allen voran Elisabeth Shue als eiskalte Konzernchefin von Vought International – wurde recht passend ausgewählt und erstaunlich viele Grundideen des Comics flossen in die Geschichte ein.
2020 startete Garth Ennis mit Dear Becky eine achtteilige Miniserie, die Prequel aber auch Sequel von The Boys ist, und von Russ Braun großartig in Szene gesetzt wurde.
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