Nur sechs Spielfilme hat uns der französische Komiker Jacques Tati hinterlassen. 1949 in Tati Schützenfest sieht der auch die Hauptrolle spielende Regisseur als Postbote Francois einen Film über seine eifrigen US-amerikanischen Kollegen. Im Versuch es ihnen gleich zu machen, bringt er ein ganzes Dorffest durcheinander.
Von seiner liebenswürdigsten Seite zeigte sich Tati in den beiden folgenden Filmen. Fortan sollte der knapp zwei Meter große Tat nur noch als etwas linkischer Monsieur Hulot auftreten. In Die Ferien des Monsieur Hulot absolviert er seinen Urlaub am Meer zur Verwirrung des Hotelpersonals und aller anderen Strandgäste höchst individuell. Höhepunkte sind seine Leistungen als Tennisspieler, das zum Ungeheuer mutierende Klappboot und ein Autoreifen als Grabschmuck.
Etwas gesellschaftskritischer aber nicht minder liebenswert ist der dann folgende Farbfilm Mon Oncle. In seinem wohl besten Werk bringt Hulot das mondäne Leben seiner Verwandten durcheinander. Tati kontrastiert das gemütliche Paris der “kleinen Leute“ mit den vollautomatisierten Möchtegerns in den Vorstädten.
Noch stärker ins selbe Horn stieß Tati schließlich in Playtime – Herrliche Zeiten. Hier verlebt eine Gruppe recht unterschiedlicher internationaler Charaktere einen Tag in einem völlig anonymen Paris. Trotz teilweise genialer Gags und aufwendiger Kulissen wurde der eher unterkühlte Playtime zu einem Flop und ruinierte Tati finanziell fast völlig. Anschließend drehte er mit Trafic und Parade nur noch zwei Filme.
Dieses beeindruckende Lebenswerk feiert der Taschen Verlag mit einer sensationellen fünfbändigen Edition. Dabei wurde sich erfolgreich darum bemüht, den Eindruck zu erwecken, Jaques Tati höchstpersönlich hätte Verpackung, Schuber und Buchumschläge entworfen.
Der Verlag erhielt für seine Edition exklusiven und unbeschränkten Zugang zum reich bestückten, von Tatis Tochter Sophie Tatisheff ins Leben gerufenen, Archiv Les Films de Mon Oncle. Hier konnte für die fünfbändige Edition aus Hunderten von Fotos und Standbildern, sämtliche Original-Drehbücher, Interviews, Original-Essays sowie eine große Auswahl an Dokumenten, Briefen, Skizzen und Notizen ausgewählt werden.
Das Resultat wird auf über 1.100 Seiten in fünf thematisch gegliederten großformatigen Bänden im Querformat präsentiert. Leider gibt es diese Edition nur in französischer oder englischer Sprache, doch ansonsten bleibt kein Wunsch offen.
Wer es noch etwas exklusiver möchte, dem sei die auf 112 Exemplare limitierte Collector’s Edition empfohlen. Diese enthält zusätzliche noch ein exklusives „Tati Tool Kit“ mit dem Filmset aus Mon Oncle zum Selberbauen, einer elektronischen Soundbox und vieles mehr. Mehr Tati geht nicht.
Ab 2006 hatte Egmont mit Die Blueberry Chroniken bereits eine mittlerweile auf 20 Bände angewachsene Gesamtedition der wohl besten Westernserie der Comic-Geschichte veröffentlicht. Der erste Band enthielt die Jugendabenteuer von Mike S. Donavan alias Blueberry. Egmonts neue noch etwas großformatigere Collector’s Edition präsentiert jedoch als erstes jene Comics, mit denen alles begann.
Ab 1963 erschien im Magazin Pilote als wöchentliche Fortsetzungsserie eine Geschichte, die zwei Jahre später im Album Fort Navajo komplett veröffentlicht wurde. Dies war jedoch nicht – wie seinerzeit üblich – eine in sich abgeschlossene Story, sondern der spannende Auftakt eines fünfbändigen Epos, dessen ersten drei Teile dieser Band der Collector’s Edition enthält.
Der Autor Jean-Michel Charlier (Die Abenteuer von Tanguy und Laverdure, Der rote Kosar) lässt seine Geschichte 1866 in Arizona beginnen. Der junge, pflichtbewusste Leutnant Craig ist unterwegs nach Fort Navajo, einem mitten im Indianergebiet gelegenen Außenposten der Armee. Bei einer Rast in einem Saloon hilft Craig einem Glücksspieler aus einer selbstverschuldeten Notlage. Zu seiner Überraschung stellt Craig fest, dass es sich bei dem verantwortungslos agierenden Burschen um Leutnant Blueberry handelt und dieser ebenfalls seinen Dienst in Fort Navajo antreten will…
Beim weiteren Verlauf der Geschichte orientierte sich Charlier an tatsächlichen Ereignissen, aber auch an Film-Klassikern wie John Fords Kavallerie-Trilogie. Doch stärker noch als die Western aus Hollywood stellte sich Charlier auf die Seite der um ihr Land betrogenen Indianer.
Eine Inspirationsquelle war sicher auch der Film Der gebrochene Pfeil von 1950 mit James Steward. Hierin ist Jeff Chandler als Cochise zu sehen und hat große Ähnlichkeit mit Jean Girauds gezeichneter Version des Apachen-Häuptlings.
Ebenso spannend wie die Geschichte darüber, wie Blueberry mit allen Mitteln versucht einen Krieg mit den Indianern zu verhindern, ist die künstlerische Entwicklung von Giraud. Dieser zeichnete anfangs noch im etwas sterilen Stil seines Lehrmeistes Joseph Gillain alias Jijé (Jerry Spring), von dem auch das Cover zu Fort Navajo stammt.
Der Zeichenstil von Jean Giraud wurde in den nächsten Jahren immer lockerer. Im weiteren Verlauf der eigentlich “realistischen“ Geschichte schimmert schon etwas von jener klar konstruierten Welt durch, die zum Markenzeichen von Girauds Alter Ego Moebius (John Difool: Der Incal) werden sollten.
Bei der Kolorierung der Collector’s Edition wurde sich an der Farbgebung der Erstveröffentlichung in Pilote orientiert. Das geht sogar so weit, dass eine seinerzeit aus Kostengründen nur mit der Schmuckfarbe rot kolorierte Doppelseite in dieser Form auch in die Collector’s Edition übernommen wurde, obwohl alternative farbige Versionen existieren.
Ein interessanter Anhang mit Texten von Volker Hamann (Reddition) zeigt, in wieviel unterschiedlichen Farbversionen Blueberry im Laufe der Jahre auf die Leser losgelassen wurde. Für die Collector’s Edition wurde ungestrichenes Papier verwendet, auf dem – meiner Meinung nach – die Farben nicht so prächtig wirken, wie im Hochglanz-Flyer, mit dem Egmont diese Neuveröffentlichung bewirbt.
Ansonsten gibt es wenig zu meckern. Im Gegensatz zu den Blueberry Chroniken, deren Bonusmaterial meist aus Texten über den Wilden Westen bestand, gibt es diesmal interessante Einblicke in die Entstehungs-Geschichte des Klassikers. Wir erfahren nicht nur, dass Blueberrys Aussehen zunächst an Jean-Paul Belmondo orientiert war, sondern auch noch, dass der französische Filmstar hierfür angeblich um Erlaubnis gefragt wurde (wer noch etwas herumgoogelt “erfährt“, dass Belmondo sogar für den Comic Modell gestanden hat).
In dieser Ausgabe kommt neben einer schwarzweißen Version der ersten Comic-Seite, die zeigt, was für ein ausgereifter Zeichner Giraud bereits 1963 war, auch der zugehörige Text von Charlier zum Abdruck, der aus mehr als vier Schreibmaschinenseiten besteht!
Es bleibt zu hoffen, dass sich diese schöne Edition nicht wie angekündigt darauf beschränkt in neun Bänden (mit durchgehenden Rückenmotiv) alle von Giraud gezeichneten Blueberry-Alben zu präsentieren, sondern noch um Sonderbände mit den Kurzgeschichten und den weiteren Comics der Serie ergänzt wird.
Mittlerweile kam übrigens wieder etwas Bewegung in die Traditionsserie. Von Joann Sfar (Die Katze des Rabbiners, Gainsbourg) und Christophe Blain (Isaak der Pirat), die auch für eine Fortsetzung von Hugo Pratts Corto Malteseim Gespräch waren, liegt jetzt die Blueberry-Hommage Das Trauma der Apachen vor.