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Reddition 79/80: Comic & Illustration

Ihr vierzigjähriges Bestehen feiert die Reddition, das Fachmagazin für Graphische Literatur, mit einer Doppelnummer, die es in sich hat. Passend zum Jubiläum kommen ausgewählte Illustrationen von vierzig internationalen ComickünstlerInnen zum Abdruck.

Hinzu kommen Texte, die erläutern inwieweit die beim Zeichnen von Comics gewonnenen erzählerischen Erfahrungen in die Werke eingeflossen sind und warum manche davon auch als “Einbild-Story“ funktionieren.

Ein schönes Beispiel hierfür ist die Illustration The Mirror von Joost Swarte, die auf den ersten Blick vor allem sehr dekorativ wirkt. Doch Reddition-Herausgeber Volker Hamann erläutert detektivisch akkurat, dass der Niederländer zugleich auch – quasi als Drama-Cartoon – eine Geschichte über Liebe und Eifersucht in Szene gesetzt hat.

Zum Abdruck kommen auch ikonische Illustrationen wie das erste Sandman-Cover von Dave McKean, das französische Plakat zu Fellinis Schiff der Träume von Jacques Tardi, Three Ages of Woman von Jeff Jones, ein abgelehntes Plakat zum Trento Film Festival von Milo Manara, das Filmposter zu Le Frisson Des Vampires von Philippe Druillet oder Frank Frazettas Gemälde Death Dealer, das auch Verwendung als Plattencover beim ersten Album der Band Molly Hatched fand und mehrere Comicserien nach sich zog.     

Chris Scheuer ist mit NICK NICKEL in der neuen Reddition vertreten

Außerdem sind noch Illustationen enthalten von François Avril, Enki Bilal, Charles Burns, Yves Chaland, Richard Corben, Guido Crepax, Philippe Dupuy, Charles Berbérian, Anke Feuchtenberger, Flix, Jean-Claude Floc’h, Jean-Claude Götting, André Juillard, Isabel Kreitz, Henk Kuijpers, Rutu Modan, Marc-Antoine Mathieu, Lorenzo Mattotti, Moebius, Peter Nuyten, Chris Scheuer, François Schuiten, Matthias Schultheiss, Seth, Jim Steranko, Sergio Toppi, Alex Toth, Boris Vallejo, Chris Ware, Barry Windsor-Smith und Bernie Wrightson.

Abgerundet wird die Reddition durch eine Einführung von Juliane Wenzl und Jens R. Nielsen, sowie Artikel über Werbecomics und die sehr gelungenen Titelbilder der DC-Hefte in den späten Sechzigern.

Zu bestellen unter: www.reddition.de

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Schwarwel: Gevatter – Die fünf Phasen

Unter dem Titel “Verleugnung“ veröffentlichte Thomas Meitsch alias Schwarwel 2019 das erste Kapitel dieses Comics als zwanzigseitiges Heft. Fünf Jahre später erschien Gevatter – Die fünf Phasen bei Glücklicher Montag als 170-seitige Gesamtausgabe.

Dass dies so lange gedauert hat, liegt sicher daran, dass Schwarwel ein unglaublich produktiver Künstler ist. Der Schöpfer der Comicfigur Schweinevogel ist auch als  Illustrator, Trickfilmer, Comiczeichner, Animator, Storyboarder, Drehbuch-Autor, Regisseur, Produzent und Art Director tätig. Außerdem stellt er täglich politische Cartoons online.

Ein weiterer Grund dafür, dass Schwarwel fünf Jahre an Gevatter gearbeitet hat, dürfte sein akribischer oft recht kleinteiliger Zeichenstil sein. Bei seiner schwarzweißen Grafik orientierte er sich – manchmal sehr gut erkennbar – an Charles Burns, Mike Mignola, Frank Miller oder Daniel Clowes, sowie am strengen “Neun-Bilder-pro-Seite-Raster“, das Dave Gibbons bei Watchmen einsetzte.

Seinen Arbeitsstil erklärt Schwarwel wie folgt: “Dank des iPads konnte ich bei Gevatter noch mehr ins Detail gehen und ich habe die Kontrolle über den Strich, obwohl ich da immer aufpassen muss, dass ich die Panels nicht tot zeichne.“

Möglicherweise waren die liebevolle Sorgfalt mit der Schwarwel die T-Shirts seiner Hauptfigur Tim mit den gut erkennbaren Logos von Bands wie Ramones, Motörhead, Gluecifer, Slime oder Neurosis verzierte auch eine Art Belohnung dafür, dass er bei der Stange geblieben ist. Denn ganz sicher hat es ihm immer wieder Überwindung gekostet, weiter an seiner autobiografisch geprägten Geschichte über Selbstmord, Krankheiten, Behinderung, Pflege, Trauer, Alkoholismus und Therapie zu arbeiten.

Doch die Mühe hat sich gelohnt, denn das Resultat ist ein ganz schön finsteres, aber auch Hoffnung machendes Epos. Aufhänger für die Geschichte sind die fünf von der Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross definierten Trauerphasen Verleugnung, Zorn, Verhandlung, Depression und Akzeptanz, die Schwarwel als für “mich und mein Erleben absolut zutreffende“ Kapitelüberschriften wählte.

Schwarwel möchte mit seinem Comic dazu anregen, über “eine angemessene Sterbekultur“ nachzudenken, um “dem Tod seinen berechtigten Platz in unserem Leben einzuräumen: als würdevolles Ende des eigenen Seins ebenso wie als Motivator, die wertvolle Zeit davor gut und sinnvoll zu nutzen, statt sie verschwenderisch verstreichen zu lassen als gäbe es kein Morgen.“

Mit Gevatter ist es Schwarwel gelungen, seine Erfahrungen und Gedanken zum Thema Tod sehr lebendig zu vermitteln.

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Charles Burns: Daidalos

Bereits in seiner Trilogie X, Die Kolonie und Zuckerschädel erzählte Charles Burns (Black Hole) von einem jungen Mann, dem es immer schwerer fiel, zwischen Realität und seinen Fantasien zu unterscheiden. Eine der Inspirationsquellen war hier Hergés Tim und Struppi. Bei seiner neuen Serie Daidalos greift Burns Elemente seiner eigenen Biografie auf, lässt aber auch seine Liebe zum klassischen Science-Fiction- und Trash-Kino mit einfließen.

Charles Burns: Daidalos

Einer der Höhepunkte des ersten Bandes ist ein Kinobesuch, bei dem die Hauptfigur, der talentierte Zeichner Brian Milner, sich gemeinsam mit seiner potentiellen Freundin Laurie in einem heruntergekommenen Kino Don Siegels Invasion of the Body Snatchers (Die Dämonischen, 1956) ansieht. Mit großer Akribie hat Burns hier Schüsselszenen des schwarzweißen Klassikers nachgestellt, die durch die ganz spezielle Schraffur seines Inkings fast noch intensiver als im Film wirken.

Charles Burns: Daidalos

Mit dem introvertierten Brian gelang Burns ein interessanter Charakter und er vermittelt sehr gut, wie dieser durch seine Zeichnungen mitten hinein in fremdartige Welten gezogen wird. Doch die Geschichte wird auch immer wieder aus der Perspektive der sehr viel weniger verträumten Laurie erzählt und bekommt dadurch noch eine zusätzliche Dimension.

Charles Burns: DaidalosEs bleibt abzuwarten, ob der Film, den Brian mit seinem Jugendfreund Jimmy und mit Laurie in der Hauptrolle drehen will, ähnlich durchgeknallt ausfallen wird, wie der Super-8-Streifen The Creeping Flesh, den das Duo im Alter von 12 Jahren drehte und den Charles Burns in diesem Comic ähnlich akribisch wie Invasion of the Body Snatchers zu Papier gebracht hat.

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Charles Burns: X

Schon das Cover weckt durch das seltsame rotweiße Muster, das auf einem übergroßen Ei zu sehen ist, Assoziationen zum Tim-und Struppi-Album Der geheimnisvolle Stern. Doch damit nicht genug, denn die immer etwas anders aussehende Hauptfigur hat auch eine ähnliche abstehende Haartolle wie Hergés Held und Charles Burns steht mit seinem markanten in sehr breiter Strichstärke ausgeführten Inking ganz gewiss in der Tradition der Ligne Claire.

Charles Burns: X

Doch der Schöpfer von Black Hole erzählt in X alles andere als eine gradlinige Abenteuergeschichte, was jedoch keinesfalls bedeutet, dass es unspannend zugeht. Hauptfigur ist ein gewisser Doug, der sich eher erfolglos als William S. Burroughs-Zitator versucht und dem es zunehmend schwerer fällt Phantasie und Realität zu unterscheiden. In seinen Fieberträumen wird er mit Aliens, Schweineföten und weiteren völlig unerklärlichen Phänomenen konfrontiert.

Charles Burns: X

Charles Burns wechselt immer wieder den Zeichenstil und zeigt Doug mal als stark reduziertes Funny-Männchen und dann wieder inmitten einer hyperrealistischen Alltagswelt. Diese Mischung aus klaren Bildern und einer völlig unklaren (aber niemals sinnlos erscheinenden) Geschichte irgendwo zwischen Burroughs und EC-Comics ist schwer faszinierend.

Daidalos

Der Comic wurde mit Die Kolonie fortgesetzt und fand seinen Abschluß im Album Zuckerschädel. Anschließend startete Burns die ebenfalls sehr empfehlenswerte Serie Daidalos.

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Craig Thompson: Tagebuch einer Reise

Mit seinem autobiografischen Album Blankets hat sich Craig Thompson (Habibi) sofort für die Comic-Oberliga qualifiziert und alle maßgeblichen Preise abgeräumt. Vorsorglich weist er daher auch im Vorwort von Tagebuch einer Reise darauf hin, dass es sich nicht um das “so genannte nächste Buch“ handelt, sondern um ein “ungeplantes Nebenprojekt: ein simples Reisetagebuch“.

Craig Thompson: Tagebuch einer Reise
Cover der Ausgabe von 2005

Thompson hat seine Eindrücke von einem Trip durch Europa (hauptsächlich Frankreich) und Marokko zu Papier gebracht. Skizzen, die immer vor Ort entstanden sind, von Land, Leuten und Kätzchen wechseln mit der Schilderung von sehr persönlichen (manchmal vielleicht etwas zu persönlichen, doch da kann er wohl auch nicht anders), Erlebnissen, die oft um den Frust kreisen, den er empfindet, nachdem ihn seine Freundin verlassen hat und er auf der Reise fast nur mit Pärchen abhängt.

Craig Thompson: Tagebuch einer ReiseInteressant sind natürlich jene Passagen in denen Thomson andere Comickünstler wie Lewis Trondheim, Mike Allred und Charles Burns trifft, die sich auch in seinem Skizzenbuch verewigen. Nach immerhin 224 Seiten endet das illustrierte Tagebuch dann schließlich etwas abrupt. Mehr Seiten wurden Craig Thompson vom Verlag nicht zugestanden und außerdem wollte er “seine zerbrechliche Hand schützen“ und es wird “irgendwann langweilig eine Promotiontour zu zeichnen“.

Craig Thompson: Tagebuch einer ReiseSo kommen wir leider nicht in den Genuss von Thompsons Eindrücken des “verdammten viertägigen Comicfest in Erlangen.“ Doch Thompson wollte wenig mehr als etwas schaffen, das “mit etwas Glück unterhaltsamer als ein paar Urlaubsdias ist“ und das ist ihm allemal gelungen.

Craig Thompson: Tagebuch einer Reise
Gebundene Neuausgabe von 2021

Tagebuch einer Reise wurde auf dem Comicfestival München zum “Besten US-Comic“ gekürt und erhielt dafür den Comicpreis PENG!.

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