Georg Seeßlen ist möglicherweise der produktivste deutschsprachige Filmexperte. Seit den 70er Jahren veröffentlicht er beständig filmtheoretische Werke, als Beispiel sei nur seine immer wieder fortgeschriebene Reihe “Grundlagen des populären Films“ genannt.
In seinen Büchern gelingt es ihm immer wieder die Werke einzelner Filmschaffender, aber auch ganze Genres, auf hohem Niveau zu analysieren. Doch im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen bleiben die Texte von Seeßlen immer gut lesbar und zugänglich. Wichtiger vielleicht ist noch, dass er nicht nur Fakten und Zusammenhänge vermittelt, sondern auch seine Liebe zum Kino.
In diesem Sinne funktioniert auch Seeßlens Buch über Steven Spielberg und seine Filme sehr gut. Hierbei handelt es sich um eine Fortschreibung und Erweiterung seines 2001 ebenfalls bei Schüren erschienenen Spielberg-Buchs Ein unschuldiger Blick auf die Welt? Im Gegensatz zum US-Großkritiker Richard Schickel (Disneys Welt – Zeit, Leben, Kunst & Kommerz des Walt Disney), der in seinem Buch Steven Spielberg: Seine Filme, sein Leben auch ausführlich jene nur bedingt glaubhaften Anekdoten über Spielbergs Einstieg ins TV-Geschäft nacherzählt, zeigt sich Seeßlen sehr viel mehr am Werk als an der oft von ihm selbstverfassten Biografie des Erfolgs-Regisseurs interessiert.
Die 2016 erschienene Neuauflage von Seeßlens Buch ist sehr aktuell und enthält auch ausführliche Betrachtungen zu Spielberg neusten Werken Bridge of Spies und BFG – Big Friendly Giant. Nicht immer chronologisch analysiert der Autor dabei die Leitmotive in Spielbergs Werke. Dabei widmet er sich – mal mehr und mal weniger ausführlich – den einzelnen Filmen. Er zeigt sich auch hier weniger daran interessiert, dem Leser mitzuteilen, ob er diese “gut“ oder “schlecht“ findet. Wichtiger ist Seeßlen die Konstruktion von übergreifenden Gemeinsamkeiten.
Obwohl Spielberg ja eigentlich für familienfreundliche Unterhaltung bekannt ist, sind die Familien in seinen Filmen nur sehr selten intakte Lebensgemeinschaften. Auffallend ist auch der Mangel an starken oder auch nur glaubhaften weiblichen Charakteren in Spielbergs Filmuniversum. Seeßlens Buch endet mit der Schlussfolgerung, dass Spielberg mit “Bildern, Handlungen und Worten“ stets gegen das “persönliche wie kollektive“ Trauma angefilmt hat.
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