Durch den schwarzen Einband mit der goldgeprägten Zeichnung wirkt sein letzter Cartoon-Sammelband fast schon wie ein posthum veröffentlichtes Vermächtnis. Ein Vierteljahr nach dem Erscheinen von Abgründe verstarb Martin Perscheid in der Nacht zum 31. Juli 2021 im Alter von nur 55 Jahren an Krebs. Er hinterließ uns mehr als 4.000 Cartoons, die – so Antje Hauptner vom Lappan-Verlag – “nicht nur spielen, sondern zubeißen“.
Aus seiner Arbeitsweise machte Perscheid kein großes Geheimnis. 50% seiner Cartoons spotten über das Thema “Frau am Steuer“, den Rest klaut er bei Diddl-Maus und zur Inspiration hört er Pur. Außerdem abonnierte er Gag-Ideen bei einem taiwanesischen Billigunternehmen und seine Cartoons lässt er in Polen “zu einem vorteilhaften Stundensatz“ in einem dicken Tuschestrich zeichnen.
Doch trotz dieser unorthodoxen Arbeitstechnik kam Perscheid mit seinen Cartoons immer ans Ziel, schoss oftmals sogar weit über dieses hinaus. So zeigte er etwa in seinem sich auf das Wesentliche konzentrierenden etwas klobigen Stil, wie sich Präsident Erdoğan bei der ihn besuchenden Angela Merkel bedankte: “Oh wie lieb! Der Kopf von Böhmermann!“
Auf den 128 Seiten von Abgründe wimmelt es nur so von Belegen dafür, dass Perscheids Humor keine Grenzen kennt, am allerwenigsten jene des sogenannten guten Geschmacks. Da verabschiedet sich ein Priester mit den Worten “Ich gehe mal für kleine Jungs!“, das Bestattungshaus Schröder bietet in seinen “Impfgegner-Wochen“ alle Kindersärge zum halben Preis an und im Restaurant “Zum pädophilen Veganer“ gibt es nur junge Erbsen.
Dies sind nur willkürlich ausgewählte Beispiele aus einem Oeuvre, das auf einer Fähigkeit basiert, die Til Mette (dessen Politisch korrekte Cartoons für links-grün versiffte Gutmenschen auch nicht ohne sind) in seinem Vorwort wie folgt beschreibt: “Perscheid hat ein gutes Auge für den Moment, wo viele von uns aus Angst vor politischer Unkorrektheit aufhören genau hinzuschauen, obwohl massiv Grenzen zum Abgrund auch im eigenen Milieu überschritten werden.“ Martin Perscheid, Du wirst uns fehlen!