Schweren Herzens besteigt ein Mann mit Frau und Tochter ein Auswandererschiff. Da bedrohliche Schatten über seiner Heimat schweben. nimmt er die lange Reise in ein neues Land auf sich. Dort versteht er weder die Sprache noch die Bräuche und versucht trotzdem Arbeit zu finden. Freunde findet er in anderen Auswanderern, die es ebenfalls in ihrer Heimat nicht mehr ausgehalten haben. Es dauert sehr lange bis der Mann die Schönheit seiner neuen Heimat zu schätzen weiß.
Shaun Tan kommt bei Ein neues Land ganz ohne (lesbare) Worte aus. Der Australier erzählt seine Geschichte durch an alte leicht vergilbte Schwarzweiß-Fotos erinnernde Bilder. Das Werk verblüfft durch den Hyperrealismus der Zeichnungen und den sich innerhalb der Erzählung immer stärker breitmachenden Surrealismus.
Doch dies ist nicht “L’ art pour l’art“, sondern steht im Dienste der Geschichte. Die Darstellung von fremden Kulturen als poetische oder auch bedrohliche Fantasy-Welten ist Teil eines faszinierenden Gesamtkonzeptes, zu dem auch der in Form eines abgegriffenen Familienalbums aufgemachte Einband dieses vielfach preisgekrönten Comicalbums gehört.
Carlsen veröffentlichte Ein neues Land auch als erweiterte und mittlerweile vergriffene Ausgabe zusammen mit einen 48-seitigen Skizzenbuch im Schuber. Hier liefert Shaun Tan Informationen und Entwurfszeichnungen zu seinem Werk nach ohne es zu entzaubern. Es ist zu erfahren, dass der Sohn von japanischen und irisch-englischen Einwanderern zwar sein ganzes Leben an einem Ort gelebt hat, aber vielleicht gerade deswegen an den Reiseberichten und Schicksalen von Immigranten interessiert ist.
Shaun Tans Comic funktioniert auch ohne den Skizzenband, doch dieser rundet die Lektüre der universellen Auswanderer-Fabel noch ab.
Ein neues Land erschien 2012 auch als Hardcoverband in der Reihe Süddeutsche Zeitung Bibliothek – Graphic Novels.