Im Winter 1991/92 verbrachte der in Malta geborene US-Amerikaner Joe Sacco zwei Monate in den besetzten Gebieten Palästinas. Seine Eindrücke hat er in einem kräftigen an Underground-Meister Robert Crumb erinnernden Zeichenstil zu Papier gebracht. Erzähltechnisch betrat Sacco mit Palästina und dem Vorgänger Bosnien jedoch absolutes Comic-Neuland und er selbst bezeichnet sich als Comicjournalist. Die zahlreichen Gespräche, die Sacco mit sehr vielen Palästinensern und einigen Israelis führte, setzte er ohne erhobenen Zeigefinger und so direkt in Szene, dass bei der Lektüre der Eindruck entsteht dabei gewesen zu sein.
Im hochinteressanten Vorwort zur ersten Auflage schrieb der 2003 verstorbene, aus einem „arabisch-protestantischen“ Umfeld stammende Literaturtheoretiker Edward Said, dass die „Flut von Saccos Comicbildern und -texten in ihrer kompromisslosen Schärfe und – wo es die extreme Situation, die darin zum Ausdruck kommen soll, erfordert – ihrer manchmal grotesken Überzeichnung“ einen Gegenpol bildet zu „salbungsvollen Berichten über israelische Siege und demokratische Errungenschaften.“
Saccos zunächst in Form von neun Comicheften erschienenen Berichte streifen scheinbar ziellos umher, vermitteln aber gerade dadurch den Eindruck, dass der Autor nicht belehren, sondern seine selbst vor Ort gewonnenen Erkenntnisse über die Leiden der Palästinenser unter der brutalen Willkür der israelischen Siedler und Soldaten möglichst ungefiltert vermitteln möchte.
Im Schlusskapitel erzählt Sacco von drei israelischen Soldaten, die einen palästinensischen Jungen verhören und dabei dem starken Regenguss aussetzen, während sie selbst trocken unter einem Vordach stehen. Mit dieser selbst vor Ort erlebten, leider alltäglichen Geschichte gelingt Sacco ein eindringliches Gleichnis zur verfahrenen Situation in Palästina. Sacco schlussfolgert, dass der Junge bestimmt nicht denken wird: „Eines Tages werden wir eine bessere Welt haben, und diese Soldaten und ich, wir werden uns als Nachbarn grüßen.“
Nachdem bei uns Palästina 2011 auch in der Reihe Süddeutsche Zeitung Bibliothek – Graphic Novels erschienen war, bringt die Edition Moderne eine Neuausgabe heraus, die zusätzlich noch ein Nachwort von Amira Hass und ein zweites Vorwort von Sacco enthält. Beide Texte stammen von 2024 und Sacco schreibt: „Für beide Völker steht viel auf dem Spiel. Man kann nur beten, dass gute Menschen auf beiden Seiten zueinander finden, vom Abgrund weggehen und einen gerechten Weg suchen.“
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