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Elise und die neuen Partisanen

Bei einer Besprechung dieses autobiografischen Comics muss wohl mit dem Nachwort begonnen werden, zumindest wenn es um die deutsche Veröffentlichung geht. Dominique Grange, die Sängerin und Autorin von Elise und die neuen Partisanen schreibt darin: „Also werde ich weiterhin, mit meiner Stimme und meinen Liedern, jede Form des Widerstands gegen Liberalismus, Imperialismus und die Tyrannei diktatorischer Systeme unterstützen … und immer wieder meine Solidarität mit dem vorbildlichen, nun seit 70 Jahren andauernden Widerstand des palästinensischen Volkes gegen die israelische Besatzung und Apartheid bekunden.“

Dies ist harter Tobak, vor allen nach dem Terrorangriff der palästinensischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem 1.139 Menschen ermordet und 240 Geiseln nach Gaza verschleppt wurden. Bereits vor diesem Überfall war der letzte Abschnitt von Dominique Granges Vorwort Anlass für den Carlsen Verlag den von ihrem Ehemann Jacques Tardi gezeichneten Comic nicht zu veröffentlichen. Ulrich Pröfrock hatte zu diesem Zeitpunkt das in Frankreich sehr erfolgreich veröffentlichte 170-seitige Album im Auftrag von Carlsen bereits komplett übersetzt, weitere Detail hierzu sind anderswo, etwa hier in der FAZ zu finden. Jetzt hat sich der All Verlag des Comics angenommen und “veröffentlicht den Band selbstverständlich in der von Dominique Grange intendierten Form.“  

Elise und die neuen Partisanen beginnt 1961 und zeigt wie 30.000 Algerier ihre Elendsviertel verlassen und sich nach Paris begeben, um friedlich gegen die französische Algerienpolitik zu demonstrieren. Grange und Tardi zeigen sehr deutlich und ausführlich, wie brutal die Demonstrierenden, darunter auch zahlreiche Frauen und Kinder, von der Polizei niedergeknüppelt und häufig zu Tode geprügelt wurden. Der Vorgang wiederholte sich, als einige Monate später die französischen Gewerkschaften und die kommunistische Partei unter dem Motto “Freiheit für Algerien“ zu einer weiteren Demonstration aufgerufen hatten. Auch diese Veranstaltung, an der 60.000 Franzosen teilnahmen, wurde durch Polizeigewalt blutig beendet.

Nach knapp zwanzig Seiten macht der Comic einen Zeitsprung und stellt die Hauptfigur Elise vor, die 1971 im Norden von Paris in einer WG lebt. Die zum linken Spektrum gehörenden Bewohner sind gerade dabei, Molotowcocktails auf Vorrat zu produzieren. Dabei kommt es zu einer Explosion und die schwerverletzte Elise wird zu einer befreundeten Familie gebracht. Während die Hautverbrennungen von Elise langsam heilen und ihre Haare nachwachsen, erinnert sich die junge Frau daran, wie sie 1958 aus Lyon nach Paris kam. Sie feierte dort Erfolge als Sängerin und Schauspielerin, doch zugleich engagierte sie sich politisch. Nach den Massenprotesten und Streiks im Mai 1968, radikalisierte sie sich immer mehr…

Der Comic ruft ganz gewiss nicht dazu auf, Gewalttaten zu begehen, doch er prangert soziale Missstände an. Die oft dogmatisch nach den 427 Worten der Mao-Bibel handelnden Mitstreiter von Dominique Granges alias Elise werden dabei keineswegs glorifiziert. Im vielleicht besten Teil des Buchs wird gezeigt, wie sich die untergetauchte Elise als linke Aktivist nach Nizza begibt, um dort als Arbeiterin in einem Papierwerk zu agitieren. Sie muss miterleben wie 54 Stunden Akkordarbeit pro Woche dazu führen, dass ein junger Kollege beim Reinigen der laufenden Walzen eine Hand verliert. Elise verfaßt dasraufhin ein Flugblatt und organisiert Proteste. Dabei freundet sie sich mit einigen Arbeiterinnen an. Dies wird nicht gerne gesehen von einigen Obergenossen, die einen fremden Mitstreiter in Elises kleiner Wohnung einquartieren, der schon nach wenigen Tagen mit ihrem Monatslohn abhaut…

Jetzt ist es vielleicht an der Zeit erneut einen Blick ins Nachwort zu werfen. Hierin schreibt Grange: “Diese Geschichte ist weder Autobiografie noch Fiktion, sie lädt dazu ein, den militanten Weg Elises nachzuverfolgen, einer jungen Frau wie viele andere in jener Zeit. (…) Ich wollte zeigen, dass die Kämpfe, die Elise und die Neuen Partisanen all diese Jahre hindurch ausgefochten haben, der gerechten Sache dienten und zweifellos dazu beigetragen haben, gewisse Vorstellungen von Demokratie in Frankreich voranzubringen — wenn nicht erst überhaupt hervorzubringen.“ In dieser Hinsicht ist der Comic, der auch davon erzählt, wie sich Dominique Grange und Jacques Tardi gefunden haben, sehr lesenswert und es ist gut, dass er hierzulande doch noch erschienen ist.

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