In Frankreich ist es durchaus üblich, dass mehrere Zeichner gleichzeitig an einer Serie arbeiten, um einen raschen Veröffentlichungstakt zu ermöglichen. Man denke nur an die von Frank Giroud getextete und von zehn Zeichnern realisierte Reihe Zehn Gebote. Ähnlich funktioniert auch die von 2013 bis 2016 zunächst in vier Alben bei Castermann veröffentlichte Serie Femmes en Résistance, die nach einem Konzept von Emmanuelle Polack von den Autoren Régis Hautière und Francis Laboutique verfasst wurde.
Im Zentrum des Geschehens stehen vier Frauen, die während des Zweiten Weltkriegs im Kampf gegen den Faschismus ihr Leben gelassen haben. Für den Zusammenhalt der Geschichte sorgen gleich zwei fiktive Rahmenhandlungen, sich über alle vier Alben erstrecken. Die Erste spielt in der Gegenwart und erzählt von einer jungen Frau, die im Nachlass ihrer verstorbenen Tante eine Schatulle mit Dokumenten vorfindet. Diese stammen von Anna Schaerer, einer geheimnisvollen Frau, die vorgab Journalisten zu sein, doch zugleich aber auch ab 1937 als Spionin tätig war. In einer zweiten Rahmenhandlung ist diese immer wieder auftauchende Dame das Bindeglied zwischen den vier Frauen des Widerstands.
Das erste Album wurde von Pierre Wachs (Das geheime Dreieck) gezeichnet und handelt von der in den 30er-Jahren sehr populären englischen Fliegerin Amy Johnson. Dieser gelang damals ein Alleinflug von Großbritannien nach Australien. Trotz ihrer Erfahrung lehnte es die RAF ab, sie im Zweiten Weltkriegs als Kampfpilotin einzusetzen. Stattdessen flog sie für eine Organisation, die auch weibliche Piloten einsetzte, um fertiggestellte Kampfflugzeuge an die Front zu überstellen. Bei einem Einsatz im Januar 1941 starb Amy Johnson unter nicht mehr genau zu klärenden Umständen. Der manchmal etwas umständlich erzählte Comic beschäftigt sich auch mit dem komplizierten Liebesleben der Flugpionierin.
Der zweite Band der Reihe Femmes en Résistance dürfte der Hauptgrund für das Erscheinen einer Gesamtausgabe der französischen Serie in Deutschland sein, denn im Zentrum steht hier die Widerstandskämpferin Sophie Scholl. Erwähnenswert dürfte sein, dass dieses Album in Frankreich bei AMAZON bereits vergriffen ist und gebraucht schon recht hoch gehandelt wird. Die oftmals recht detaillierten Zeichnungen stammen von Marc Weber und die Story macht auch hier wieder einige komplizierte Verrenkungen, um das spannende Leben der Mitglieder der Weißen Rose an den Leser zu bringen.
In der Comic-Geschichte wird Anna Schaerer von Admiral Canaris, dem den Nazis sehr skeptisch gegenüberstehenden Leiter des deutschen Militär-Geheimdienstes, nach München geschickt, um herauszufinden, wer dort antifaschistische Flugblätter verteilt. (Canaris sieht im Comic übrigens genauso aus wie O. E. Hasse im gleichnamigen deutschen Kinofilm von 1954.) In der damaligen „Hauptstadt der Bewegung“ lernt Anna Schaerer die junge Sophie Scholl kennen und freundet sich mit dieser an. Anna kann jedoch nicht verhindern, dass Sophie und ihr Bruder Hans verhaftet und durch die Guillotine hingerichtet werden.
Die Mischung aus fiktiven und tatsächlichen Handlungselementen ist nur bedingt gelungen, denn das tatsächliche Leben von Sophie Scholl und den Mitgliedern der Weißen Rose verlief sehr viel interessanter und spannender als im Comic.
Band 3 wurde von Johann Leroux alias Ullcer gezeichnet und beschäftigt sich mit dem Leben der 1893 in Marseille geborenen Berty Albrecht. Diese engagierte sich europaweit für Menschenrechte und die Gleichstellung der Frau. Ab 1933 half sie Menschen, die aus Nazi-Deutschland geflohen waren, und während der deutsche Besatzungszeit veröffentlichte sie Untergrund-Zeitungen. 1943 wurde Berty Albrecht von der Gestapo verhaftet und gefoltert, kurz darauf erhängte sie sich. Natürlich wird auch in dieser Comic-Geschichte das Schicksal der historischen Figur mit dem Leben der mysteriösen Anna Schaerer verknüpft.
Die “Wahrheit“ über diese fiktive Figur enthüllt schließlich der vierte und letzte Band der Reihe. Im Zentrum steht diesmal Mila Racine, eine 1921 in Moskau geborene Jüden, die sich im antifaschistischen Widerstand engagierte und 1945 im Konzentrationslager Mauthausen ermordet wurde. Die Zeichnungen stammen von Olivier Frasier, dessen Bilder weniger in der Tradition der manchmal etwas steril wirkenden “realistischen“ frankobelgischen Comic-Alben stehen, sondern – thematisch passend – oft roh und hart wirken. Optisch ist dies Album ganz sicher der Höhepunkt der vierteiligen Serie.
Noch bevor in Frankreich eine Gesamtausgabe der Femmes en Résistance erschienen ist, hat Panini die Serie im etwas kleineren “Graphic-Novel-Format“ gebunden, gebündelt und garniert mit interessanten Hintergrundinfos zum günstigen Preis von 24,99 Euro veröffentlicht.
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